Über den "Rand einer Randsportart"
Aus Randsportarten werden oft Trendsportarten und in weiterer Folge vielleicht gar Massenbewegungen. Wie steht es nun um die ersten depperten SnowboarderInnen, um die ersten narrischen InlineskaterInnen oder um die ersten wahnsinnigen MountainbikerInnen? Auf der Donauinsel, Höhe Steinspornbrücke, tummelten sich am 4. und 5. November über siebzig bescheuerte SportlerInnen, die sich Frisbeescheiben nicht zu, sondern durch die Gegend warfen und wirbelten. Ein Lokalaugenschein bei der 11. Auflage des Wiener Discgolf-Turniers „Jan Becher Memorial“.“Sportlicher Ehrgeiz ist mir suspekt. Ich sehe Discgolf weniger als Sport, sondern eher als Geschicklichkeitsspiel, bei dem man mit dem Körper ein Objekt lenken muss. Die Kombination aus Koordination, Konzentration und Berechnung der Flugbahn macht für mich den Reiz aus. Und erst am Abend nach einem Turniertag merkt man aufgrund der Erschöpfung, dass man Sport ausgeübt hat“, erzählt Wiltrud Derschmidt, Siegerin des heurigen „Jan Becher Memorial“ und amtierende Staatsmeisterin. Werner Mooshammer, österreichischer Discgolf-Koordinator und gemeinsam mit Stefan Jaquemar Organisator des Wiener Turniers, „wirft“ in die gleiche Kerbe: „Ich bin kein Verhinderer, möchte es aber nicht zu einem normalen Sport machen, das heißt, ich habe keinen missionarischen Zugang. Ich veranstalte Turniere aus einem Eigennutzgedanken heraus, da ich einfach spielen möchte.“
Vor elf Jahren bestritt er seinen ersten Wettbewerb in Budapest und importierte gleich einen Monat später diese Turnieridee nach Wien. Spielen zu wollen, denken sich spätestens seit dieser Saison nicht nur der Discgolf-Koordinator und eine Handvoll Gleichgesinnte. Um die hundert turnierwütigen SpielerInnen wollten ihre Scheiben in Etappen quer über die Donauinsel werfen, doch das TeilnehmerInnenfeld musste aus organisatorischen Gründen auf 72 beschränkt werden. Wolfgang Pachler, Turnierveranstalter im salzburgerischen Neumarkt am Wallersee, entlocken diese Zahlen ein Staunen, aber auch ein Schmunzeln, denn bei seinem ersten Turnier vor sechs Jahren warfen ganze drei Spieler, zwei Freunde und er selbst, um die Ehre des Sieges beim „Neumarkter Kübelschießen“. Die Entwicklungen in diesem „Sport“ sind auf österreichischer Ebene aber rasant. So haben die steinzeitlich anmutenden Zielobjekte – auf Holzpflöcke gestülpte Putzeimer – spätestens seit dieser Saison ausgedient. Mittlerweile wird durchwegs auf Discgolfkörbe gespielt – so viel Professionalität kann selbst diesem „Rand der Randsportart Frisbee“, wie Werner Mooshammer Discgolf zu bezeichnen pflegt, nicht schaden. Ein Korb ist ein metallenes Ungetüm mit hängenden Ketten, die den Wurfscheiben beim Aufprall die Wucht nehmen und im Idealfall die Scheibe in den Auffangbereich geleiten sollten. In der Regel werden in einen Turnierparcours 18 Körbe gestellt, somit hat man auch 18 Bahnen, wobei jede mit einem bestimmten Abwurfpunkt markiert ist, zu bespielen. Gewonnen hat die-/derjenige, die/der den Parcours mit den wenigsten Würfen bewältigen kann – gleich dem „echten“ Golf.
Die Schrecken des Windes und des Wassers
Von der Ideologie und vom finanziellen Aufwand her betrachtet haben aber Golf und Discgolf (ein Scheibe kostet ca. 10 Euro) so viel gemein wie Ex-Bawag-Direktor Helmut Elsner mit einer Bergbäuerin: „Wir passen uns der Landschaft an und nicht umgekehrt. Wir brauchen halt ein Gelände mit gemähter Wiese, damit die abgeworfenen Scheiben leichter gefunden werden können (der Landepunkt ist zugleich die Abwurfstelle für den nächsten Versuch, Anm.), und am besten keine PassantInnen, denn eine kräftig geworfene Golfdisc ist ein Geschoss.“ Würfe jenseits der Hundert-Meter-Marke sind bei Spitzenspielern keine Seltenheit. Kommen auch noch widrige Witterungsverhältnisse wie vor allem starker Wind hinzu leidet die Präzision der Würfe ungemein.
Der starke Wind machte auch Dylan J. Cooper, Führender nach den drei Grunddurchgängen beim 11. Jan Becher Memorial, in der Finalrunde zu schaffen. Dem in Budapest lebenden Neuseeländer erging es wie vielen weniger Geübten. Die Scheiben flogen im weiten Bogen in die Donau oder ins dichte Buschwerk. Ein Weiterspielen vom Landepunkt war für den Turnierfavoriten im Falle der Donau unmöglich, im Falle des Buschwerks nur auf dem Bauch liegend.
Trotzdem waren die meisten SpielerInnen vom Terrain der Donauinsel angetan. So wuchs auch der Wunsch nach einem fixen Discgolfkurs in Wien. Solche sind in Skandinavien (in Schweden ca. 70) und vor allem in den USA (ca. 1500) in öffentlichen Parks gang und gäbe. Bezüglich der Turnierdurchführung in Wien zeigte sich die für Sportveranstaltungen auf der Donauinsel zuständige Magistratsabteilung sehr kooperativ, da „sportliche Aktivitäten auf der Donauinsel begrüßt werden“, so Mooshammer, der sich trotz seiner Organisationstätigkeit erlaubte, die Männerwertung zu gewinnen. Das stinkt nach Befangenheit, doch Discgolf ist eben kein normaler Sport, oder mit den Worten Wiltrud Derschmidts gesprochen: „Discgolf ist kein Wettkampf!“
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Unabhängige Discgolf-Website: www.discgolf.at