Gottfrieds TagebuchDichter Innenteil

Die Wahl, Blabla-Sendungen und Ausbildung in der Politik

13.4.

Manchmal scheint es zielführender zu sein, wenn das

Stammhirn auf Werkseinstellung arbeitet. Das erleichtert

das Verkraften von täglich darauf einwirkenden

Umwelteinflüssen verschiedenster Art.

Grafik: Carla Müller

Wie mir von einem Kellner vertraulich mitgeteilt wird, enthalten die Speisekarten inzwischen mehr Fußnoten als so manche Doktorarbeit. Mit ein Grund dafür sind wiederum teilweise leider eingebildete Nahrungsunverträglichkeiten. Ich weiß, wovon ich spreche. Es ist zwar schon eine Weile her, aber ich erinnere mich noch sehr genau, dass eine mir entfernt bekannte Dame mit angeblicher Laktoseintoleranz genüsslich einen Käsekuchen verspeiste. Ohne die erwarteten anschließenden Detonationen im Verdauungstrakt. Für die Menschen allerdings, die tatsächlich unter solchen Problemen leiden, sollen die Hinweise auf den Speisekarten eine nützliche Hilfe darstellen. Wenn vorher ein entsprechendes Studium erfolgreich absolviert wurde. Jetzt folgt noch meine bange Frage: Wie viele Menschen laborieren wirklich an Allergien gegenüber gewissen Lebensmitteln und wie viele folgen einfach nur einem Modetrend?

14.4.

Maybrit? Nein, kein neues Reinigungsmittel! Es handelt sich dabei um die Moderatorin einer der derzeit üblichen abendlichen Diskussionssendungen. Das wäre an sich ganz unauffällig, wenn da nicht die Mimik, Gestik, also der gesamtheitliche Eindruck etwas nachdenklich stimmen würde. Sie legt den Kopf schief, wie es Hunde gerne tun, wenn sie von ihren jeweiligen Ernährern etwas wollen. Das könnte mir in Wahrheit total egal sein, aber es wirkt teilweise auch so, als spräche sie mit einem mental etwas benachteiligten Gegenüber. Ich kann dem Geschehen nicht folgen, weil mich dieses ewige Schiefhalten des Kopfes irritiert. Experten werden so etwas sicher besser deuten können. Abgesehen davon ist es völlig egal, welche Blabla-Sendung (= Diskussionssendung) man derzeit verfolgt, überall hört man vehemente Forderungen nach Hilfe in den Ländern, aus denen sich Menschen auf die Flucht begeben. Damit sie gar nicht erst flüchten müssen. Dafür bräuchten wir allerdings dringend echte Fachleute, die sich mit diesen geradezu verbrecherischen Schutzzöllen speziell gegenüber Afrika befassen. Doch wer sitzt in Brüssel in Spitzenfunktionen? Ein Investment-Banker, vormals bei Goldman Sachs, und ein ehemaliger Ministerpräsident einer Steueroase.

18.4.

Man weiß es nicht genau, aber auf jeden Fall sind wieder zirka 400 Menschen auf der Flucht im Mittelmeer ertrunken. Eine Meldung, die im derzeit herrschenden Wahlkampf um die Hofburg fast untergegangen wäre. Wie wir alle wissen, ist das höchste Amt im Staat ja mehr die Position eines «Grüßaugust», oder einer «Grüßaugustine». So wurde es zumindest schon des Öfteren bezeichnet. Jetzt, im Angesicht eines drohenden FPÖ-Bundespräsidenten, wird es echt wichtig, dass Menschen, die noch einen Funken Anstand in sich spüren, zur Urne schreiten und die richtige Wahl treffen. Für mich gibt es nur eine Wahl, nämlich einen ehemaligen Wirtschaftsprofessor. In diesem Sinne …

21.4.

Frau Innenministerin Bindestrich ist jetzt Vize-Landeshauptfrau in Niederösterreich. An ihre Stelle tritt ein Mann mit den besten Voraussetzungen: der ehemalige Finanzlandesrat aus ebendiesem Bundesland. Womit zum wiederholten Male bewiesen wäre, dass es den etablierten Parteien nach wie vor nicht darum geht, welche Ausbildung jemand absolvierte, sondern wem er irgendwo – piep. Allüberall wird behauptet, dass Ausbildung wichtig sei. Ohne Ausbildung kein guter Job. Also nichts wie ab in die Politik, da scheint es nach wie vor völlig egal zu sein, was jemand kann, Hauptsache er oder sie hat das passende Parteibuch. Ich fürchte mich immer mehr vor der anstehenden Wahl. Übrigens wurde heute das olympische Feuer entzündet. Ob es auch jemandem aufgegangen ist?

24.4.

Wir hatten die Wahl. Ich begebe mich beinahe mitten in der Nacht, also um 9 Uhr, zur Wahlurne, treffe meine Wahl, und bevor ich das Kuvert in die Urne werfe, machen sich meine Gedanken selbständig. «Werte Hinterbliebene! Wir verabschieden uns heute von XY …» Es wird auch heute so sein, dass wir uns von wem verabschieden müssen. Bevor ich um 17 Uhr die erste Hochrechnung verfolge, schnalle ich mich auf meinem Sessel fest. Und ich habe gut daran getan. Mir war klar, dass es eine Protestwahl werden würde, aber das Ergebnis ist dann doch erschreckend. Immerhin hat Wien insgesamt einen anderen Sieger als bundesweit. Das werden jetzt echt heikle Tage bis zur Stichwahl am 22. Mai.

26.4.

Dass man «Österreich» als Zeitung nicht unbedingt ernst nehmen sollte, ist allgemein bekannt. Aber was mir da beim Tabakhändler meines Vertrauens entgegenlacht, ist einfach nur erbärmlich. «So brutal wird die Stichwahl!» Weitere Kommentare meinerseits entfallen aufgrund juristischer Bedenken. Auf dem Heimweg macht sich mein Kopf selbständig und schüttelt vor sich hin.