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«Performing the Border» will Kontrollen und Einschränkungen überwinden

Wie sich zeitgenössische Künstler_innen mit (nationalen) Grenzen auseinandersetzen, hat sich die Gruppenausstellung «Performing the Border» im Kunstraum Niederösterreich zum Thema gesetzt. Ruth Weismann hat sie sich angeschaut.

Foto: Monira Al Qadiri, Julien Creuzet

Wir hätten nicht geahnt, dass Grenzen wieder derart «in» werden würden. Zumindest nicht innerhalb Europas, wo wir uns doch über jeden neuen abgerissenen Grenzbalken gefreut haben. Eine Art Euphorie der Freiheit, wenn auch eine kurze und nicht vollständige. Heute finden viele wieder, es müsse Grenzkontrollen geben. Und Zäune. Und Mauern. Nicht alle sollen kommen, so der Tenor nicht nur innerhalb der «Festung Europa».

Von den knapp 20 Künstler_innen in der von Jana J. Haeckel und Petra Poelzl kuratierten Ausstellung «Performing the Border» haben die meisten selbst Migrationsbiografien und leben und arbeiten über die ganze Welt verstreut. Insofern mischen sich oft persönliche Geschichten mit aktivistisch-politischen Ansätzen. Die künstlerische Auseinandersetzung der Arbeiten, die in allen Genres von Video über Zeichnung bis Skulptur und Installation vorhanden sind, bezieht sich auf das Thema Grenze hauptsächlich im Sinn von Ländergrenzen und deren (Un)möglichen Überwindung, beinhaltet aber auch weitere, teils metaphorische Aspekte.

Import-Export.

Im «historischen» Teil des Ausstellungsraums sind dokumentarisch-künstlerische Videoarbeiten von Hito Steyerl, Christoph Schlingensief/Paul Poet und Martin Krenn/Oliver Ressler aus den 1990er-Jahren zu sehen. «Wer darf migrieren?», fragt die Journalistin Hirut Kiesel zu Beginn des Videos «Dienstleistung: Fluchthilfe» von Martin Krenn und Oliver Ressler, das sich mit Klischees von Schlepper_innen als Kriminellen auseinandersetzt. Damit stellt sie quasi die Frage, die über allem zu schweben scheint und deren Antwort zu einem Großteil das Wort «Geld» und «Ansehen» enthält. Wirtschaftliches thematisiert auch Anahita Razmi mit «Do Fard»: Ein Pop-up-Shop mit pastellfarbener iranischer Unterwäsche, die direkt im Kunstraum zu erwerben ist. Die Sanktionen gegen den Iran machen es ihr quasi unmöglich, ein klassisches Import-Export-Business aufzuziehen, erzählt sie. So transportiert sie bei jeder Reise eine kleine Menge in ihrem Koffer. Im Iran wiederum könne sie die Werbeplakate, die sie in Berlin und Wien aufhängt, niemals zeigen, da sie zu freizügig sind.

Die Kuwaiterin Monira Al Qadiri überschreitet in ihrer humorvollen und absurd anmutenden Videoperformance «Abu Athiyya» («Father of Pain») Geschlechtergrenzen, und hat erlebt, dass das Video in unterschiedlichen Kontexten völlig anders wahrgenommen wird. Geboren im Senegal, hat sie in Japan studiert und in verschiedenen Gegenden der Welt gelebt – Grenzen sind für sie zwar leicht überwindbar, aber nicht immer für jene, die das Video betrachten, das in Tokyo etwa als zu provokant und in Berlin als zu hip gesehen wurde.

Konstruierte Grenze.

Wahrnehmung als soziale und kulturell konstruierte Grenze also, die überwindbar ist, wenn man sich einlässt, da «gemacht» und nicht natürlich, so wie die realen, harten, nationalen Grenzen auch. Insofern ist der Titel der Ausstellung passend gewählt, stellt er doch klar, dass eine Grenze nicht fix sein müsste, würde man sich nur gegen sie entscheiden. Einziger Vorwurf, den man erheben könnte: dass der Begriff des Peforming in den Künsten fast schon leer ist, so oft wird er bemüht. Möglicherweise verschleiert er auch, dass es gerade bei nationalen Grenzen einen Zwang gibt, der sich eben nicht wegperformen lässt. Aber die Komplexität von Grenzen wird durch die Auswahl der Arbeiten auf vielfältige Weise sichtbar. Dass die positiven Aspekte des Begriffs (mein Safe Space etwa) ausgeklammert sind, ist legitim, um den Rahmen nicht zu sprengen.

Auch metaphorische Ansätze wie Julien Creuzets Installation über den Storch als Migrant zwischen Afrika und Europa sind Teil der Ausstellung. Weiters die Grenzen des Internets in China (Miao Yings «Great Firewall of China») oder die Grenzen der Paranoia (Wermke/Leinkauf mit «Symbolic Threats»).

Sehr angenehm in der thematischen Eingrenzung: Die «Grenzen der Kunst» werden nicht bemüht. Denn diese zu überschreiten ist spätestens seit der Moderne das Begehr jeder Avantgarde, und heute, wo die meisten gesprengt zu sein scheinen, führt man das Sprengen von Grenzen gerne in jedem Ausstellungstext an; als Garant für die Besucher_innen, hier auch wirklich was geboten zu kriegen, quasi. Aber im Kunstraum NÖ wird zum Glück nicht spektakulär gedacht oder ausgestellt, sondern der ernsthafte Versuch von Künstler_innen gezeigt, Fragen zu stellen, und diese – teilweise selbst eingreifend, teilweise nur beobachtend, teilweise poetisch verarbeitend – zu beantworten oder weiterzuführen.

Performing the Border

bis 22. Juli

Kunstraum Niederösterreich

1., Herrengasse 13

www.kunstraum.net

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