Gründet eine Arbeitslosenkammer aber schnell!tun & lassen

Über die Vision, "in Augenhöhe" mit AMS und Regierung zu verhandeln

Arbeitslosenkammer.jpgDie Unternehmer haben eine, auch Ärzte, Anwälte, Bauern, Arbeiter und so weiter, eigentlich ist jeder in einer Kammer. Keiner liebt sie. Jeder ist gegen Zwang. Da ist es eine Überlegung wert: Was, wenn die Arbeitslosen ebenfalls so eine Organisation hätten? Eine möglicherweise irritierende Überlegung von Erich Félix Mautner. Ein Ansatz, der Diskussionen hervorrufen wird. Der Augustin wird diesen ausreichend Platz bieten …

Man kann die Kammerorganisationen mögen oder nicht, sympathisch finden, gerne Beiträge zahlen, das Kurienwahlrecht gut finden oder eben nicht. Man kann sie sogar gerne in der Verfassung sehen oder nicht. Die Selbstverwaltungen der Sozialpartnerschaft abschaffen zu wollen, ist ein Unsinn. Denn das würde nur denen helfen, die schon eine starke Lobby haben, zum Beispiel der Industriellenvereinigung.

Andere Gruppe brauchen ebenfalls durchsetzungsfähige Standesvertretungen. Sonst sind nur die stark, die über bessere Infrastruktur und Ressourcen, was wohl Geld, Personal, Netzwerk und Macht bedeuten wird, verfügen.

Bevölkerungsgruppen, die solche nicht haben, etwa die Schüler, sind in der Republik nahezu sprachlos. Und die Pensionisten. Und die Künstler, sonst gäbe es ja beispielsweise längst eine Künstlersozialversicherung. Und die Arbeitslosen!

Eine Bundeskunstkammer wünscht sich eigentlich keiner, die ist verfassungsrechtlich gar nicht möglich. Gleichzeitig fehlt den Kunstausübenden dieses Instrument, eine Vereinigung, die für ausnahmslos alle Künstler auftreten kann.

Die Freiheit der Arbeitslosen schützt die Verfassung nicht. Die können sich daher pflichtvereinen, wie sie wollen. Wären alle Arbeitslosen in Österreich, egal aus welchen Berufen oder Nöten sie kommen, welcher Nationalität und welchen Bildungsgrades, ob kurz oder lang ohne Beschäftigung, und zwar genau für den begrenzten Zeitraum der Beschäftigungslosigkeit, wären einfach alle ohne Ausnahme Betroffenen in einer österreichischen Standesvertretung vereint, dann wäre das eine Organisation, je nach Art der Berechnung, mit bis zu einer Million Mitgliedern. Die genauen Zahlen sind für diese Überlegung aber gar nicht relevant.

Schon an dieser Menge kann man sehen, dass keiner in diesem Land ein Interesse daran haben kann, das Heer der Arbeitslosen in einer gemeinsamen Kammer zu organisieren. Außer die Arbeitslosen! Da entstünde nämlich eine Kraft, die das Establishment etwas kosten und die Lage der Erwerbslosen erheblich verbessern könnte.

Woher kommen

Kammerorganisationen und deren Vorläufer haben in Europa lange Tradition, es sind die Selbstverwaltungen der Berufsstände, die ausbilden, Prüfungen abnehmen und die Meister küren, Berufsethos oder Disziplinarordnungen festschreiben und für die Interessen ihrer Mitglieder ein- und auftreten. In Österreich sind sie die wichtigsten Kontrahenten der Sozialpartnerschaft, als solche Teil der Realverfassung.

Als Jörg Haider dereinst daran ging, alle Institutionen zu bekämpfen, in denen Freiheitliche das Nichtsagen hatten, erdröhnte die Republik vor Umfallern in allen Parteien und Gremien. Weil die Politiker den Unsinn geglaubt hatten, den ihnen der Grölaz (Größter Landeshauptmann aller Zeiten) über die Kronen Zeitung ausrichten ließ weil österreichische Politiker eben auf dem Niveau der Kronen Zeitung agieren. So erbebten beispielsweise die Nationalbank, die Gemeindebauten und halt die Kammern. Während in der Nationalbank kein Geldschein und kein Dienstvertrag auf dem anderen blieb, waren die FPÖ-, BZÖ- oder Was-auch-immer-Mannen bei der Demontage der Kammern erfolgloser. Aus zwei Gründen: Erstens sind das Standesvertretungen, in denen nur die, die drinnen sind, be- und abstimmen. Und zweitens ist es der FPÖ schließlich gelungen, per Wahlen doch Mandate zu belegen, was der Zerstörungswut doch den Sinn nahm.

und was sind die Kammern?

Selbstverwaltungsorganisationen vertreten nach außen alle Personen eines Berufsstandes. Es geht um die Wirtschafts- und um die Arbeiterkammer, die Kammer der Wirtschaftstreuhänder, die Ärzte-, Landwirtschafts-, Dentisten-, Rechtsanwalts-, Notariats-, die Architekten- und Ingenieurkonsulenten-, Apotheker- und die Tierärztekammer. Und natürlich auch die Hochschülerschaften. Die große Mitgliederzahl verleiht ihnen mehr Durchsetzungsmöglichkeiten, als sie Vereine hätten. Automatisch und ausnahmslos, obligatorisch, verpflichtend heißt auf negativ natürlich Zwangsmitgliedschaft und ist auf den ersten Blick wenig liberal. Genauso wie die KFZ-Haftpflichtversicherung, die Schulpflicht und Krankenversicherungspflicht. Zum Unterschied zur Schulpflicht, die jedes in Österreich lebende Kind zur Bildung verpflichtet, trifft die Pflichtmitgliedschaft in einer Kammer nur jene, die sich freiwillig für eine jeweilige Karriere entschieden haben. Kein Zwang, eher eine Konsequenz der Karriereplanung. Für Arbeitslose trifft das so natürlich nicht zu, weil die wenigsten die Untätigkeit als Karriereziel sehen.

Man kann auch zur Sozialpartnerschaft stehen, wie man will, aber ohne sie wären repräsentative Verhandlungen zwischen Ärzten und Krankenkassen, zwischen den Wirtschaftstreibenden und den Dienstnehmern, zwischen Studenten und Universitäten viel schwerer, wenn nicht gar unmöglich. Das machen die Standesvertretungen, denen die Kollektivvertragsfähigkeit zugesprochen wird. Denn ohne diese gibt es auch keine Kollektivverträge! Freiwillige Verbände sind dazu nicht fähig, weil sie stets nur die Zahl ihrer Mitglieder, nicht aber die ganze Berufsgruppe vertreten (mit ganz wenigen Ausnahmen, wie etwa die Österreichische Hoteliervereinigung).

Vereine sind üblicherweise nicht so effizient, zum Beispiel, weil sie sich in Konkurrenz zu ähnlichen Vereinen befinden, also einen Teil ihrer Ressourcen für die Mitgliederwerbung und die Existenz ihrer Organisationen einsetzen müssen statt für die ihrer Mitglieder. Der ÖGB ist überdies ein beredtes Beispiel für eine Organisation, die von ihren Mitgliedern getragen wird, von der allerdings eine Mehrheit von Trittbrettfahrern, die nichts dazu beiträgt, profitiert.

Alle diese Kammerorganisationen setzen sich per demokratischer Wahlen aus ihren wahlwerbenden Gruppen zusammen, ein Gutteil dieser sind Vorfeldorganisationen der im Parlament vertretenen Parteien. Das heißt aber, dass auch der Arbeitslosenkammer-Funktionär nicht alleine ist und dringende Anliegen der Gruppe schneller gehört und umgesetzt werden können, weil de facto jede Kammerorganisation, inklusive der Hochschülerschaften, über einen direkten Ansprechpartner im Hohen Haus oder in der Regierung verfügt. Das macht diese Organisationsform wirksamer als Vereine. Ein weiterer Unterschied zwischen Kammerorganisationen und Vereinen ist, dass Kammern strengeren Gesetzen und Kontrollen unterliegen als Vereine, und, dass dem Terminus Kammer der Terminus obligatorische Mitgliedschaft implizit ist. Ohne automatische Mitgliedschaft wäre (beispielsweise) die Österreichische Hochschülerschaft ein Studenten-Verein, wie hunderte andere auch. Oder gar nicht.

ALK für alle

Die Vorteile für die Arbeitslosen-Community, so sie in der ALK, der Arbeitslosenkammer, wären, drängen sich auf:

  • Sie hätten mindestens einen Abgeordneten im Parlament, der ihre Interessen im Hohen Haus anmelden und vertreten würde, wahrscheinlich würde jede der relevanten Parteien einen Mandatar aus dem Kreise der Betroffenen dafür nominieren.
  • Sie wären nicht mehr Bittsteller, sie würden nicht mehr wie Entmündigte behandelt, sondern wären Partner des AMS auf Augenhöhe!
  • Eine starke Standesvertretung könnte z. B. geistlose Schulungen als Zeitverschiss und Leute, die an diesem Unsinn verdienen, verhindern.
  • Sinnvolle Schulungsmaßnahmen müssten zwischen dem zuständigen Ministerium und der ALK verhandelt werden.
  • Sinnvolle Schulungsmaßnahmen müssten im Einzelfall im Einvernehmen mit den Betroffenen vereinbart werden.
  • Arbeitslose hätten nun ALK-Juristen zur Seite, die sie gegen Behördenwillkür vertreten müssten.
  • Sie würden jedenfalls am Arbeits- und Sozialgericht Rechtsbeistand bekommen, ihr Recht gegen die Krankenkassen, die Pensionsversicherung oder andere ggf. bis zum Verwaltungsgerichtshof durchzusetzen.
  • Sie müssten mit den Sozialpartnern über Wiedereinstiegserleichterungen verhandeln.
  • Sie könnten sich kompetent und präventiv einbringen, um überhaupt den Verlust von Arbeitsplätzen zu verhindern.
  • Die Finanzierung der ALK ist gesichert, wenn die Beiträge der Arbeitslosen, die jetzt ungerechtfertigt an die Arbeiterkammer gehen, an die richtige Adresse kommen (Die AK ist die Vertretung jener, die sich im Arbeitsprozess befinden. Jeder Arbeitslose sichert einem Beschäftigten den Arbeitsplatz. Jeder Arbeitslose bedroht bei Wiedereinstieg einen Beschäftigten. Die AK ist die Vertretung der Beschäftigten, nicht jener, die Beschäftigung suchen. Daher: Arbeitslose raus aus der AK).
  • Das AMS müsste selbst größtes Interesse an der ALK haben, wenn diese hilft, die Zahl der Arbeitslosen zu reduzieren.
  • Bevor neue Sozialgesetze beschlossen werden, müsste die Meinung der ALK in der Begutachtungsphase zwingend eingeholt werden.
  • Die Organisation, und sei sie noch so schlank, würde jedenfalls einigen Arbeitslosen sinnvolle Beschäftigung geben.
  • Usw.!