Grüner geht’s immervorstadt

Wie der Golfsport versucht, aus dem argumentativen Rough zu kommen.

Text: Hannes Gaisberger, Foto: Mario Lang

In der Corona-Krise scheint Golf gut ausgestiegen zu sein. Bereits Anfang Mai durften die Anlagen wieder aufsperren. Der grundsätzlich kontaktlose Sport kann ohne große Anpassungen ausgeübt werden. Auch hierzulande spielt schon lange nicht mehr nur die Elite. Über 100.000 Menschen sind als Mitglied beim Verband ÖGV registriert, Tendenz nach längerer Stagnation zuletzt leicht steigend. Wenn der Sport also mit der akuten Krise gut vereinbar ist, wie sieht es dann mit der permanenten, aber nicht weniger aktuellen des Klimas aus?
Dazu muss man vorwegschicken, dass der Bau eines Golfplatzes zuerst einmal ein massiver Eingriff in die Natur ist. Grob gesagt, als würde ein gutes Dutzend Fußball- oder Tennisplätze gebaut werden. Dazu kommen Gebäude, Parkplätze, das gesteigerte Verkehrsaufkommen und meist eine Zerschneidung der Landschaft durch eine nur zahlenden Mitgliedern oder Gästen zugängliche Anlage. Im Betrieb zählen Wasserverschwendung und der Einsatz von Insektiziden und Herbiziden zu den Hauptkritikpunkten.
Eugen Fürnweger setzt sich schon länger mit dem Thema auseinander. In seiner Masterarbeit an der BOKU Wien hat er sich 2016 unter anderem den diversen golfspezifischen Umwelt- und Nachhaltigkeitssiegeln gewidmet. «Die Evolution der Golfplätze kann man auch als einen Weg vom naturnahen zum naturfernen Sportgelände charakterisieren», heißt es im historischen Teil der Arbeit. «Es wurde ein Kampf mittels Chemikalien gegen Krankheiten, Insekten und Pilze begonnen.» Besonders im Nordamerika der Zwischenkriegszeit wurde mit Kalibern wie DDT und Arsenblei nicht gespart. Doch seit Jahrzehnten bewegen sich die Plätze – gewissermaßen parallel mit der Gesellschaft – zurück zu mehr «Natürlichkeit».

Obstmost statt Import-Whisky.

«Es geht nicht nur um ökologisierte Platzpflege, das Umweltbewusstsein und Verhalten der Manager, Mitarbeiter, Mitglieder und Gäste der Plätze soll allgemein gesteigert werden», erklärt Eugen Fürnweger dem AUGUSTIN den Sinn der Öko-Zertifikate. Er ist dem Sport in vielerlei Hinsicht treu geblieben: als Profispieler, Lehrer und Mitarbeiter einer Firma, die Anlagen gestaltet. Im internationalen Vergleich gibt es in Österreich sehr wenige Plätze, die sich um diese Gütesiegel bemühen. «In anderen Ländern bewerben die Golfverbände aktiv Öko-Zertifizierungen und unterstützen die Golfclubs monetär und beratend bei diesem Vorhaben.»
Doch auch ohne ein Zertifikat könne man der Umwelt bei der Gestaltung der Bahnen weit entgegenkommen. «Manche Plätze deklarieren Wasserhindernisse und Feuchtwiesen als Biotope, die nicht betreten werden dürfen. Verbuschte Bereiche abseits der Spielbahnen bieten Wildtieren und Vögeln Unterschlupf. Trockene Wiesen abseits der Bahnen werden im Idealfall nur einmal im Jahr gemäht und das Schnittgut abtransportiert. So entstehen mit der Zeit nährstoffarme Wiesen, mit einer Vielzahl an Blumen und Kräutern. Alles Lebensräume, die in der konventionellen Agrarlandschaft keinen Platz mehr haben.» Und auch die steigende Zahl der Mosttrinker_innen kommt auf ihre Rechnung, wie Fürnweger zu berichten weiß: «Ein neuer Trend ist die Anlegung von Streuobstwiesen innerhalb des Golfplatzgeländes.» Der Weg zum sortenreinen Lochmost im Clubhaus ist nicht mehr weit.

Problemzone sattes Green.

Jeder Bereich braucht seine eigene Pflege, so Fürnweger: «In den Roughs kann man ganz ohne Düngung und Pflanzenschutz auskommen. Die Fairways brauchen sehr wenig. Ein über die ganze Saison gut bespielbares und einheitliches Grün wird ohne Dünger und Pflanzenschutzmittel aber nicht erreichbar sein.» Im Vergleich zu einem Feld, das mit konventioneller Landwirtschaft betrieben wird, schneidet ein Golfplatz relativ gut ab. Laut einer Aussendung des deutschen Golfverbandes aus dem Jahr 2016 wird im Durchschnitt weniger als ein Drittel an Dünger eingesetzt. An den Greens (ca. 4–5 Prozent der Rasenfläche eines Golfplatzes) dürfte diese Bilanz wesentlich schlechter aussehen.
Golfclubs können viel machen, wenn sie wollen. Oder müssen. Strengere Pflanzenschutz-Gesetze haben über die Jahre den Einsatz von Düngern und Spritzmitteln gesenkt. Auch die Sportler_innen wollen etwas tun. In Golf-Blogs thematisiert man den großen Verbrauch an Plastikwasserflaschen auf den Plätzen, oder ob man nicht gleich mit Öko-Bällen spielen sollte. Am besten auf einem Öko-Golfplatz wie dem Neusiedler Csarda. «Die Roughs machen ihrem Namen alle Ehre und werden nicht gemäht. Der Boden ist natürlich, nicht modelliert oder mit Tonnen von Sand aufgefüllt», heißt es auf der Homepage des Platzes. Immergrüne Rasenautobahnen darf man dafür nicht erwarten.
In Österreich sind viele Plätze reif für Renovierungen. Mit genügsameren und robusteren Gräsersorten könnte den steigenden Temperaturen und geringeren Niederschlagsmengen entgegengewirkt werden. Andere Pläne sehen die Düngung mit Klärwasser vor, das sich beim Einsickern in Grundwasser verwandeln soll. Mit dem Golfplatz als Filter.
Ein 18-Loch-Golfplatz in Mitteleuropa braucht in der Regel 35.000 Kubikmeter Wasser. Ohne Badewannen- oder Schwimmbad-Vergleich gesprochen: Das ist sehr viel. Das auf den Anlagen gesammelte Oberflächenwasser reicht, vor allem in den letzten Sommern, nicht immer aus. Dann wird es ökologisch und auch ökonomisch heikel, weil man Wasser zukaufen muss.

Vom bewegten Bürger zum Stakeholder.

Umweltverträglichkeitsprüfungen, Bürger_innenproteste, kritische Konsumenten – die Golfszene hat sich auf Kritik eingestellt und tritt dieser immer selbstbewusster entgegen. Aber welcher Kritik eigentlich? Spontan angefragt, konnte sich eine hier nicht näher genannte Umweltschutzorganisation nicht zu dem Thema äußern. Auch sonst scheinen Golfplätze kein Thema mehr für die Umwelt- und Naturschutzszene zu sein. Bei der Recherche fanden sich keine aktuellen Materialien zu dem Thema. Proteste entbranden vor allem in der Projektphase einer neuen Anlage. Da der Bedarf in Österreich derzeit quasi gedeckt ist, passiert das immer seltener. In und um Wien war das zuletzt zwischen 2009 und 2015 der Fall, als in Klosterneuburg Pläne für einen Platz am «Ölberg» gewälzt wurden. Eine Bürger_inneninitiative mit grünem Einschlag konnte erreichen, dass neben der Umweltverträglichkeitsprüfung auch eine Naturverträglichkeitsprüfung und eine sogenannte Feasibility-Studie durchgeführt wurden. Das Projekt ist – auch aus anderen Gründen – ein Projekt geblieben.
«Schwierige Nachbarn» werden heute von Beginn an eingepreist. Die Initiative Business Biodiversity «unterstützt Unternehmen dabei, Biodiversität in ihr strategisches Management zu integrieren», wie es auf der Homepage der von Stiftungs- und EU-Geldern finanzierten Kampagne schön geschrieben steht. Man bietet Fact Sheets für viele Themen an, darunter auch «Biodiversität in Golf­anlagen». So offen auf der ersten Seite die bekannten negativen Auswirkungen auf die Umwelt benannt werden, so locker sieht man die Auseinandersetzungen mit Kritiker_innen. Diese werden in dem Dokument «Interessengruppen» oder «Stakeholder» genannt. «Die richtige Einbindung externer Stakeholder kann Konflikte abbauen und die Akzeptanz einer Anlage bei Anliegern und innerhalb der Region erhöhen. Biologische Vielfalt ist ein komplexes Handlungsfeld. Bei wissenschaftlichen Institutionen, Naturschutzbehörden oder Umweltorganisationen findet das Unternehmen Expertise über die biologische Vielfalt in der Region, aber auch über negative Wirkungen der Anlage.»
Umweltschützer_innen sind in den Planungsunterlagen von Business Biodiversity quasi nur ein weiterer Punkt im Business-Plan. «NGOs können außerdem beim Monitoring beratend zur Seite stehen und alle paar Jahre die Wirkung der realisierten Maßnahmen überprüfen. Beratungsleistungen von NGOs sollten fair bezahlt werden.»
Geht’s der NGO und dem Stakeholder gut, geht’s der Natur gut? Oder rückt man wegen des gemeinsamen Feindes zusammen? Denn mit dem Klimawandel hat der Golfsport einen erbitterten Gegner, der sich auch nach 18 Löchern auf keine Erfrischung einladen lässt. 

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