Über den modernen Ablasshandel mit Emissionsrechten
Fliegen ist die klimaschädlichste Transportform. Dennoch will die Luftfahrt-Industrie stark wachsen. «Klimaneutral», sagt sie. Mit Strategien, die NGOs als Greenwashing kritisieren. Von Peter A. Krobath (Text & Foto).
Mit dem Kauf von sogenannten Ablassbriefen konnten die sündigen Katholischen zu Lebzeiten Vorsorge treffen, um nach dem Tod die Qualen im Fegefeuer zu verkürzen oder ganz zu überspringen. Mittlerweile wird das Fegefeuer real auf Erden entfacht, wobei hier vor allem die nächsten Generationen zu ihren Lebzeiten für unsere Klima-Sünden büßen werden. Es sei denn, wir verändern unsere Lebensweise. Um dem auszuweichen, haben sich die Industriestaaten einen Handel mit Emissions- bzw. Verschmutzungsrechten ausgedacht.
Moderner Ablasshandel.
Das Kyoto-Protokoll sah für Österreich in der ersten Verpflichtungsperiode von 2008 bis 2012 eine Treibhausgas-Reduktion um 13 Prozent gegenüber 1990 vor. Wir verbrauchten aber rund 70 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) mehr als vorgesehen und mussten dafür 500 Millionen Euro für Zertifikate bezahlen. Besagte Zertifikate, also die Ablassbriefe für uns Klimasündigen, versprechen im konkreten Fall, dass die in Österreich zu viel ausgestoßenen Treibhausgase anderswo eingespart werden, meist durch Projekte im globalen Süden, wo das am kostengünstigsten ist. Bei derartigen Projekten geht es etwa um den Bau von Wasserkraftwerken oder das Pflanzen beziehungsweise Nicht-Abholzen von Bäumen.
Der Emissionshandel führt also nicht zu einer Verringerung der Emissionen. Er ist im besten Fall ein Nullsummenspiel. Aber selbst davon sind wir weit entfernt. Von einem Kompensationsprojekt wird verlangt, dass es «zusätzlich» ist, also eine geplante Treibhausemission verhindert. Zum Beispiel heißt es, man wollte ein Kohlekraftwerk bauen und baue stattdessen ein Wasserkraftwerk und spare dadurch so und so viele Tonnen CO2 ein. Ein Vergleich, der auf hypothetischen Annahmen beruht und daher nicht verifizierbar ist.
Eine Studie des deutschen Öko-Instituts für die Europäische Kommission kam zu dem Ergebnis, dass es bei mehr als 80 Prozent der untersuchten Projekte höchst unwahrscheinlich ist, dass sie zusätzliche Emissionen reduzieren. Und nur zwei Prozent der Projekte reduzieren tatsächlich Emissionsminderung. Als höchst problematisch werden von Emissionshandel-Kritiker_innen auch die beliebten Waldschutzprojekte (REDD+) eingestuft, «denn die Bestimmung von Kohlenstoffspeicherung durch Wald ist extrem unsicher und eine langfristige Speichergarantie gibt es nicht», konstatiert die Broschüre «Grünes Fliegen – Gibt es das?» von der NGO Finance & Trade Watch (FT Watch).
Ein falscher Weg.
«Der Freikauf von eigentlich notwendigen Verminderungen von Emissionen ist grundlegend falsch», sagt Magdalena Heuwieser von FT Watch, «er fördert nicht den ursprünglich geplanten technologischen Umbau und das Abschalten schmutziger Industrien, im Gegenteil, er rechtfertigt ihren Erhalt.» Und so heizen wir die Klimakatastrophe weiter an – nur eben mit besserem Gewissen.
Ein solches kaufen sich nicht nur die dreckigen Industrien, auch die einzelnen Bürger_innen aus der Luxuszone dürfen sich als Klimaretter_innen fühlen, zum Beispiel gegen einen kleinen Aufpreis aufs Flugticket. Fast ein Drittel der Fluggesellschaften bieten ihren Kund_innen mittlerweile an, « CO2-neutral» oder «klimaneutral» zu fliegen, ihre «privaten» CO2-Emissionen «bequem» zu kompensieren. «Wir bieten das zusätzlich zu anderen Maßnahmen an, weil es ist immer noch die Entscheidung jedes einzelnen Menschen, wie er sein Konsumverhalten gestaltet», erklärt Sofia Rohner (AUA).
Klimaneutral?
Fliegen ist naturgemäß immer klimaschädigend. Pro 1.000 Personenkilometer verursacht ein Flug im Schnitt 18 Mal so viel CO2 wie die Bahn. Aber der Flugverkehr hat einen Sonderstatus unter den Klimasündigen: Der Kerosinverbrauch wird nicht besteuert (Ausnahme: die Niederlande), viele Flughäfen zahlen keine Grundsteuern, Flugtickets sind in Österreich nicht besteuert, die Emissionen aus der internationalen Luftfahrt sind aus dem Kyoto-Protokoll ausgenommen.
Heuchelei, sagt der Papst.
Die internationale Luftfahrt schreibt sich zwar selbst ab 2020 ein «CO2-neutrales» Wachstum vor (CORSIA), unbestritten dabei ist aber nur das Wachstum, jährlich um 4,3 Prozent. Dadurch könnten sich ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 vervier- bis verachtfachen und dann bis zu 22 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen ausmachen. Zudem sind weltweit derzeit 423 Flughäfen (58 in Europa) und 121 zusätzliche Start- und Landebahnen (28 in Europa) in Planung. Auch diese Baupläne werden meist als CO2-neutral präsentiert – so auch vom Flughafen Wien, der vorgibt, in Zukunft besonders nachhaltig zu sein während er mit einer dritten Piste das klimaschädlichste Projekt Österreichs umsetzen will.
Fußnote: Die römisch-katholische Kirche verurteilt den heutigen Ablasshandel mit Emissionen – Papst Franziskus: «Die Flugzeuge verschmutzen die Atmosphäre, aber mit einem Bruchteil der Summe des Ticketpreises werden dann Bäume gepflanzt, um den angerichteten Schaden zu kompensieren. Das ist Heuchelei.»