Grundkeinkommen? Derzeit Nein, danke!tun & lassen

Und welche Leistungen würde der Staat dann noch übernehmen?

SchrageGrundsicherung.jpgStellen Sie sich vor, es gibt im Jahr 2015 schon ein bedingungsloses Grundeinkommen – unter diesem Titel organisierte das Netzwerk Grundeinkommen und sozialer Zusammenhalt eine Publikumsumfrage (siehe auch Augustin Nr. 203/ 07). Dieter Schrage folgte dieser Aufforderung und stellte sich die Einführung des bedingungslosen und existenzsichernden Grundeinkommens in den nächsten Jahren und eventuell auch unter politisch fortschrittlicheren Rahmenbedingungen als unter der derzeitigen rot-schwarzen Koalition – vor.

Meine Vorstellung sagt mir, die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) wird für die sozial Schwachen, Unterprivilegierten in unserem Land sozialpolitisch katastrophal sein. Und ich kann dieses Urteil leicht mit einer einfachen Rechnung belegen.

Gehen wir von der Forderung von Attac Österreich nach derzeit jährlich 10.000 bis 12.000 Euro aus (das entspricht etwa 915 Euro 12 Mal im Jahr pro Person) und nehmen 11.000 Euro mal 6,8 Millionen ÖsterreicherInnen über 15 Jahre an, dann bin ich auf 74,8 Milliarden Euro pro Jahr als Summe des existenzsichernden BGEs für jedermann/ jedefrau in Österreich. Und rechne ich noch 6,5 Milliarden für die Kinder unter 15 Jahre hinzu, so bin ich auf 81,3 Milliarden als Summe der gesetzlich gebotenen Auszahlung an Grundeinkommen pro Jahr.

Nun beträgt die Summe aller Sozialleistungen in Österreich von Bund, Ländern und Gemeinden derzeit werden alle Transfer-Leistungen mitgerechnet etwa 70 Milliarden Euro pro Jahr. Das heißt, alle Sozialleistungen in Österreich (z. B. Pensionszuschüsse des Bundes, Ausgleichszulagen, Pflegegeld, Mietbeihilfen, Heizkostenzuschüsse u.v.a.) werden durch diese 81,3 Milliarden Grundeinkommen mehr als konsumiert. Und da ist auch noch zu sehen, dass nach den meisten BGE-Konzepten eine für die BGE-BezieherInnen kostenfrei Krankenversicherung hinzukommt. Also ohne eine gewaltige Steuerreform, die zweistellige Milliardenbeträge von den Vermögenden bringt, wird es nichts mit dem schönen Grundeinkommen.

Von einem Paulus zum Saulus geworden doch mit guten Gründen

Nehmen wir bis 2015 einmal das relativ Beste d.h. das kleinste Übel an und es kommt 2014 zu einer Koalition der SPÖ mit erstarkten Grünen; sagen wir optimistisch unter einem – wenigstens die Wiedereinführung der Erbschafts- und Vermögenssteuer vertretenden und über die Wertschöpfungsabgabe nachdenkenden – SPÖ-Bundeskanzler Christoph Matznetter oder einem sozialpolitisch engagierten Erwin Buchinger; und diese Regierung würde tatsächlich raschest eine auf eine (maßvolle!) Umverteilung von Reich zu Arm ausgerichtete Steuerreform durchführen. Sie reaktiviert eine steuerpolitisch sinnvolle und ergiebige Schenkungs- und Erbschaftssteuer, installiert eine Vermögenssteuer, führt, wie es Attac fordert, eine progressive Einkommensteuer und eine produktivitätsorientierte Wertschöpfungsabgabe ein und macht die ersten Schritte zu einer ökologischen Steuerreform (da wäre dann ja auch noch die Tobin Steuer, aber da hör ich lieber auf zu träumen!), so könnte Österreich dieses nicht allzu üppige, aber realistische und immerhin existenzsichernde Grundeinkommen als Rechtsanspruch für jedermann/ jedefrau finanzieren,

Dass es in absehbarer in Zeit in Europa zu einer Enteignung der Superreichen und Reichen oder zu einer Überwindung des Kapitalismus kommt, glaube ich nicht, glauben aber auch Gregor Gysi, Melina Klaus, die Bundessprecherin der KPÖ oder die Aktivisten des Revolutionären Sozialistischen Bundes heute nicht. Also heißt das realistisch: Mit dem Grundeinkommen entfallen alle anderen Sozialleistungen wie Wohnungsbeihilfe, erhöhtes Pflegegeld, Gebührenbefreiungen u.a. Und da ich gegen das Prinzip Kassier dein Geld, renn und schau, wo du bleibst bin, bin ich auch in Sachen bedingungsloses Grundeinkommen von einem Paulus zu einem Saulus geworden und nach einer frühen Phase der Befürwortung jetzt gegen das BGE!

Die Lage nüchtern eingeschätzt: Für eine angemessene Grundsicherung

Bei den derzeitigen und auch bei den zu erwartenden Rahmenbedingungen lehne ich wegen der bereits kurz geschilderten sozialpolitischen Folgen das voraussetzungslose allgemeine Grundeinkommen ab und bin in diesem Fall wie die Grünen generell in das Lager der bedarfsorientierten Grundsicherung als gesetzlich geregelter Anspruch übergewechselt. Für alle, die mit ihrer Erwerbsarbeit ihren Lebensunterhalt jenseits der Armutsgrenze nicht oder nicht mehr sichern können, soll es den gesetzlich geregelten Anspruch einer Grundsicherung geben. Dabei wird ein Nachweis einer Anspruchberechtigung nicht zu vermeiden sein, doch darf diese nicht zu einer entwürdigenden Sozialhilfebürokratie führen.

Sicher betrachte ich das bedingungslose und arbeitsunabhängige BGE wie dieses z.B. Die Linke in Deutschland fordert, als eine weiterhin notwendige konkrete Utopie (siehe hierzu auch: Noch ist die Grundsicherung nicht ausverhandelt, in Augustin Nr. 206/2007). Die Linke erklärt: Das Grundeinkommen ist eine emanzipatorische Antwort auf die Prekarisierung und Fremdbestimmung von Arbeit und Lebens der Menschen. Der humanistische und emanzipatorische Anspruch des Grundeinkommens ist verbunden mit anderen Formen der Überwindung kapitalistischer Produktionsverhältnisse. Und das sind auch für Die Linke z. B. Mindestlohn und Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. Zukünftig wird auch eine Entkopplung von Einkommen und Erwerbsarbeit, wie es die GE-Konzepte vorsehen, wichtig werden.

Von der KPÖ bis zum Handelsunternehmer

Die Erwerbsarbeit wird in unserer Gesellschaft trotz eines Anstieges des Dienstleistungssektors und auch nach einer radikalen Neuverteilung der Arbeit in Richtung 20-Stunden-Woche immer mehr ausgehen. Die Katholische Sozialakademie, eine der frühesten Exponenten des Grundeinkommens in Österreich, sieht in diesem vor allem auch eine notwendige Antwort auf die grundlegenden Veränderungen der Arbeitswelt und die zunehmende strukturelle Arbeitslosigkeit. Um menschlich zumutbar und sozial verträglich zu sein, muss diese Flexibilisierung der Arbeits- und Lebensgestaltung existenziell abgesichert werden. Mit diesem Wandel verbunden ist eine dauerhaft steigende

Arbeitslosigkeit, die durch die Zunahme von Teilzeit- und anderen Formen atypischer Beschäftigung verdeckt wird (…) Die traditionelle Form der Vollbeschäftigung, ein Arbeitsleben im gleichen Beruf und ohne Unterbrechung kommt nicht wieder. Für Frauen hat es das nie gegeben. (Liselotte Wohlgenannt, Bedingungsloses Grundeinkommen Machbare Utopie?; Vortrag im Institut für Wissenschaft und Kunst in Wien am 11. 1. 2005).

Zu sehen sind auch die Bandbreite und die Verschiedenheit der Motive derjenigen, die für ein Grundeinkommen eintreten. In Österreich ist es sowohl die KPÖ als auch die Katholische Sozialakademie und in Deutschland reicht das Spektrum von der Linken über den CDU-Ministerpräsidenten Dieter Althaus aus Thüringen bis zu Götz Werner, dem Chef der DM-Drogeriemarktkette, der die GE durch eine erhöhte Mehrwertsteuer finanzieren will, längerfristig einen Entfall der Einkommens- und Unternehmensteuer sieht und eine Belebung der müde gewordenen Verbrauchermärkte erwartet. Auch diese Vielfalt und weitgehende Widersprüchlichkeit der GE-Konzepte macht mich heute noch skeptisch.

Und so halte ich es mit Ursula Roschger, Gemeinderätin und Sozialsprecherin der Wiener Grünen: Die Forderung nach Grundeinkommen muss, abgesehen von der Finanzierbarkeit, immer im Detail hinterfragt werden. Wie hoch wäre ein Grundeinkommen? Wie würde es finanziert werden? Und vor allem: Welche Leistungen würde der Staat dann noch übernehmen? Oder wären Sozialleistungen wie Krankenversicherung etc. dann selbst zu finanzieren? Auf jeden Fall würde es das bestehende System völlig umkrempeln. Auch würde es zu einer Entkoppelung von Erwerbsarbeit kommen. Das sollte als Vision immer in der Diskussion Platz haben. Doch wenn es um kurzfristige, realistische und finanzierbare Umsetzungsschritte zur Verhinderung von Armut geht, dann muss eine Grundsicherung her, die sich auf das bestehende System stützt.