G’sunde Watschen, verletzbare WürdeArtistin

NÖ-Landesausstellung: Was ist Recht? Wer macht Recht? Wer hat Recht?

Ein griechischer Widerstandskämpfer wird Präsident des FC Stein; eine Gemeinde im Salzkammergut hat ihren Gerichtssaal im Gasthaus; in einem Jahrhundert bekämpfen Bäuer_innen die Grundherrschaft, in einem anderen ­Aubesetzer_innen die Kraftwerksgesellschaft – eine Ausstellung über «Alles was Recht ist». Von Lisa Bolyos (Fotos & Text)

«Österreich hat aber nichts gutzumachen, weil es nichts verbrochen hat», steht in großen Lettern auf der Schlossmauer. Zitiert wird hier der ÖVP-Abgeordnete Ernst (nicht, wie die Aufschrift es irrtümlich will, Erich) Kolb, der in der Regierung Figl I und II das Amt des Ministers für Handel und Wiederaufbau bekleidete. Der Nationalsozialismus und der österreichische Umgang mit ihm sind einer der Themenstränge in der Ausstellung ­«Alles was Recht ist», die im Waldviertler Schloss Pöggstall noch bis November zu sehen ist. Dabei bietet sich, unrühmlich, auch die lokale Geschichte an.

Mehrfach überleben.

Zum Beispiel die vom ­FC-Stein-Präsidenten Gerasimos Garnelis. Er war in Athen – seit April 1941 von den Nazis besetzt – wegen Sabotage und bewaffneten Widerstandes zum Tode verurteilt worden. Im Frühjahr 1944 kam er, transportiert in einem Viehwaggon, in Krems-Stein an. «Das nationalsozialistische Regime hat sich bis zum Schluss die Mühe gemacht, die Unbeugsamen und die Opfer mit viel bürokratischer Mühe durch halb Europa zu verfrachten, um sie nur einem Ziel zuzuführen: sie zu vernichten», schreibt Robert Streibel, Historiker und Direktor der VHS Hietzing, in seinem Nachruf. Garnelis hat mehr überlebt, als menschenmöglich scheint: die Besetzung Griechenlands, die Festnahme, den Transport und das Massaker von Stein. Am 6. April 1945 beschloss Gefängnisleiter Kodré aufgrund massiver Lebensmittelknappheit und der nahenden sowjetischen Truppen, die Gefangenen aus Stein freizulassen. NS-treue Gefängniswärter meldeten daraufhin bei der SS einen Aufstand der Gefangenen, die SS schritt ein, und in tagelangen Jagden und Erschießungen wurden mehrere hundert entlassene Gefangene ermordet. Man spricht von der «Kremser Hasenjagd», an der nicht nur die SS beteiligt war. Gerasimos Garnelis überlebte wie durch ein Wunder und durch die Hilfe von Mitgefangenen in einem Leichenhaufen und versteckte sich bis zur Befreiung im Mai im Keller von Stein. Nach Griechenland konnte er wegen des Bürgerkrieges nicht zurück, blieb in Krems, führte dort ein Elektrogeschäft und wurde später Präsident des lokalen Fußballvereins. Gestorben ist er 1999, geehrt wurde er zu spät.

«Frauen soll es besser gehen.»

«Nimmt einer gemein Grund, grenzt ihn ein oder zäunt ihn ein …», wird ein Absatz des Zwettler «Banntaidingbuchs» aus dem Jahr 1499 zitiert. Banntaidinge waren mindestens jährliche Versammlungen der gemeinen Bevölkerung und der Herrschaft oder ihrer Vertretung, bei denen das gemeindegültige Recht verlesen und bestätigt wurde. Mancherorts wird immer noch auf Dorfebene gerichtet: In der Minigemeinde Gößl im Salzkammergut gibt es seit 400 Jahren das Amt des «Gemeinderichters», das bisher konsequent von Männern ausgeführt wird und für außergerichtliche Verfahren zwischen Bäuer_innen verantwortlich ist: Austragungsort ist das lokale Gasthaus, erbaut im Jahr 1616.

Die Ausstellung «Alles was Recht ist» erzählt von der Entstehung von Gesetzgebungen, von Justiz und Haftbedingungen, davon, wie man sich Rechte erkämpft und ob die Würde des Menschen tatsächlich unantastbar ist: Zum Thema körperliche Gewalt etwa ist von brutalen Bestrafungsmethoden wie Auspeitschen oder Verstümmeln die Rede und auch von Polizeigewalt und der Antifolterkonvention – aber ebenso von der «g’sunden Watschen», die in Österreich gesetzlich verboten und dennoch nicht völlig verpönt ist.

In Dioramen stellen Miniaturszenen erkämpfte und noch zu erkämpfende Rechte dar: etwa das des Erntehelfers auf angemessenen Lohn, das der Hausfrau auf die Aufteilung ihrer Mehrfachbelastung oder das der kopftuchtragenden Frau, genauso anerkannt zu werden wie die Frau mit Goldhaube. Man kann eine Einzelzelle begehen, um die räumliche Einschränkung zu erfahren, kann die Waffen bestaunen, mit denen Bauern und Bäuerinnen um ihre Befreiung gekämpft haben, und kann selbst auf Schilder schreiben, wofür man auf die Straße gehen würde: «Keine Urwälderabholzung», steht da in Teenieschrift, und darunter: «Frauen soll es besser gehen.»

Auch der Augustin ist in der Ausstellung vertreten! In Audiostationen kann man Texten von Georg Huß und Sammy Kovacs lauschen, die in der Haft verfasst wurden. Frei nach dem Motto «Alles was Werknutzungsrecht ist» hätten wir uns zwar gefreut, wenn sie vorher informiert worden wären – aber die Ehre ist trotzdem groß und der Gewinn für die Besucher_innen auch.

 

Alles was Recht ist

bis 12. November im Schloss Pöggstall

www.alleswasrechtist.at