Half Darling is not a crime!Artistin

Sind wir nicht alle Half Darlings? (Foto: Mario Lang)

Musikarbeiter unterwegs … drinnen und unten

In Maximal-Besetzung bestehen Half Darling aus drei Musikerinnen und drei Musikern, die zwischen Experiment und Queer/Post/­Frei-Rock/Punk immer wieder künstlerisch substanziell aufzeigen. Lässigkeits-Alarm!

Es sind jetzt schon wieder zwei Monate her, dass am 7. Juni Half Darling ihr Debütalbum im Venster 99 vorstellten. Das war so verdammt gut, dass ich die Platte unmittelbar käuflich erwarb, aber dann zu Hause ein wenig liegen ließ. Weniger, damit sich Heim und Platte aneinander gewöhnen, mehr damit mir die ­geile Konzerterinnerung nicht womöglich flöten geht. Unbegründete Sorge, fahren die sieben Lieder der Platte doch so überzeugend und auf ihre ­individuelle Art ein, wie die neun Songs des wunderbar tanzbaren Konzerts. Wobei zugleich Platte und Live im Fall dieser Band zwei korrespondierende, aber jeweils für sich faszinierend unterscheidbare Supersachen bleiben.

Tricks And Truths

In der schönen Unterwelt der Janka Industries, wo Half Darling proben, erzählen Lisa Kortschak (Stimme) und Gregor Mahnert (­Gitarre, Stimme) davon, wie Band und Platte entstanden sind, sie sich zum jetzigen Line-up «aufgeschichtet» haben. Dabei spielten die beiden mit dem «Hausherrn» Chris Janka früher bei Tankris, deren beide Alben (2012 und 2017 erschienen) das Kennenlernen absolut lohnen. Mit 2020 lief das aus, Covid erhob sein lästiges Haupt, Gregor begann für sich Songskizzen zu sammeln und ganz old school mit verschiedenen Instrumenten einzuspielen. Mit der Absicht, dieses ­Material für einen Livebetrieb herzurichten, ­fragte er dann Werner Thenmayer, ob dieser dafür ein paar Beats an den Drums einspielen wolle. Der wollte, und so war das Half-Darling-Band-Wachstum in Gang gesetzt. Lisa war mit dabei, als klar wurde, dass dies keine Instrumental-Gruppe sein wollte oder sollte. Auf der Platte, die von Werner aufgenommen und gemischt wurde, komplettieren Elise Mory (Synths) und Oliver Stotz (Gitarre) die Besetzung, live war und ist mittlerweile zusätzlich Johann Forster an der Gitarre zu hören, wobei Oliver dann an den Bass wechselt. Was mit dem veröffentlichten Album nicht nur in Wien, sondern in Wels und Bad Ischl zu hören war, war dort trotz Konkurrenz von Champions League und Weinfest ein schönes Konzert. Diese Musik will und gehört raus!

Die Texte mögen Dada!

Opener und letzter Song von Half Darling, dem Album, bei Konkord erschienen, punkten (nicht nur) mit zwei der schönsten Lied-Titel seit langem. Was zwischen «Death Trip At Sunrise At Paradiese Beach» und «There’s A Zucchini Where Your Heart Belongs» und in einem Kontext mit zwei so pointiert und zugleich ­neugierig ­machend getauften Stücken passiert, kann nur spannend sein! Das gilt für Musik und Text gleichermaßen, den grundsätzlichen Sound umreißt Gregor so: «Im Prinzip sind es Pop-Songs, auf einem hohen Energielevel.» Und spricht noch von einem «Mut zur Einfachheit», der eine Reaktion auf den sehr leiwanden Hang zum Komplex-Komplizierten von Tankris sein mag. Zu den Texten sagt Lisa Kortschak, die diese am Album bis auf «Tricks And Truths» und «50 % Banana», die von Gregor sind, geschrieben hat: «Das sind eher Collagen, keine politischen Manifeste. Es ist so, dass wir definitiv alle poli­tische Menschen sind, auch inhaltlich d’accord. Es gibt viele Sachen, die müssen wir uns nicht ausstreiten, wir kommen aus ähnlichen Richtungen, vielleicht musikalisch dann trotzdem auch divers. Die ­Texte versuchen nicht, politisch etwas zu erklären, aber sie sind wütend, teilweise haben sie vom Unterton etwas ­Aggressives, die Hooklines sprechen wieder eine andere Sprache – es haben verschiedene Töne Platz.»
«Es ist nicht auf der Nudlsuppn dahergeschwommen», merkt Lisa hinsichtlich des – von außen an die Band herangetragenen – (musikalischen) Avantgarde- und Experimental-Charakters an, den die Band selbst so nicht als ihren vorrangigen Anspruch sieht, ohne gleich immer zum einfachsten instrumentalen Mittel zu greifen. Zu den Lyrics ergänzt sie: «­Viele Parts der Lyrics entstehen durch Bilder und Assoziationen, und die Texte mögen auch Dada, Widersprüche, die sich ergeben, werden auch ausgenutzt».
Im Ganzen ist das eine unglaublich erfrischende, inspirierende Musik, die ohne jegliche Nostalgie an die Zukunft erinnert (sic!), im Sinn von Post-Punk als einer Ideenmusik, die sich auch Sinnlichkeit traut.

Half Darling
Same
Konkord
LP, CD, Digital