«Hallo, hallo, dageblieben»vorstadt

Lokalmatadorin

Adelheid Schwarz begrüßt alle Menschen, die in ihren Gemeindebau einziehen: persönlich. Von Uwe Mauch (Text) und Mario Lang (Foto)

Sie spricht mit allen. Auch mit jenen, die ihr ungeniert ins Gesicht sagen, dass sie sich als Freundin der «Tschuschen» und «N-Weiber» endlich schleichen soll. Und dass sie sich ihre «Ausländer in den ­Oasch schieben» kann.

Doch keine Angst! Eine wie Adelheid Schwarz pariert den unverblümten Zorn, der hier im Norden von Wien öfters durchbricht. Mit ihrem Hausverstand, ihrer Schlagfertigkeit und viel gutem Willen. Die Pensionistin ist eine Wienerin, die unbeirrt an das Gute im Menschen glaubt. Sie antwortet jenen, die den ganzen Tag Zeit haben, um ihren Hass auf die Welt zu vermehren, nie von oben herab. Sie schöpft ihre Kraft aus vielen positiven Gesprächen mit ihren netten Nachbar_innen. «Die gibt es auch.»

Freundlicher Empfang.

Seit bald zehn Jahren engagiert sich Frau Schwarz in ihrem Gemeindebau in Strebersdorf ehrenamtlich für die Aktion «Willkommen Nachbar». Wann immer in eine der knapp 300 Wohnungen neue Mieter_innen einziehen, stellt sie sich persönlich vor. Heißt sie willkommen und übergibt ihnen ein nützliches Info- und Willkommenspräsent.

Einmal dankte ihr eine neue Frau spontan: «So ein freundlicher Empfang! Das ist mir noch nie in meinem Leben passiert.» Es versteht sich von selbst, dass die Beziehung der beiden Frauen vom ersten Tag an gutnachbarschaftlich war.

Adelheid Schwarz selbst ist eine Mieterin der ersten Stunde. Sie war elf Jahre alt, als sie mit ihren Eltern im 64er-Jahr in den neu errichteten Gemeindebau an der Berlagasse eingezogen ist. «Mama, wo ziehen wir da hin?», fragte ein Mädchen, weil es damals freien Blick von der Berlagasse auf den Bisamberg hatte. «Da waren ein paar Häuser, und dann war nix.»

Ihr Vater, ein gelernter Fleischhauer, arbeitete als Maurer, ihre Mutter als Krankenschwester im AKH. Fleißige Menschen, die viel Zeit mit dem Geldverdienen verbringen mussten. «Ich war schon mit elf Jahren ein Schlüsselkind, ich war sehr früh selbstständig.» Immer bereit, Neues kennenzulernen.

Für die Willkommensbotschafterin ist unerheblich, woher jemand kommt: «Für mich zählt nur der Mensch.» Und wenn wir schon dabei sind: «Die Türkin von Stiege 2, Tür 8 ist sehr nett.» Mit dieser Einstellung ist sie bisher immer gut gefahren. Weil ihr das Schimpfwort «Tschusch» nicht über die Lippen kommt, erzählt ihr eine Nachbarin aus Dalmatien, was dort zu den Festtagen auf den Teller kommt. Und auch «N-Weiber» kennt sie nicht, dafür ein junges Paar aus Nigeria mit drei entzückenden kleinen Kindern, die sie immer anstrahlen. «Und ja, die sich auch gerne von mir etwas sagen lassen.»

Grüß Gott!

Früher hat sich Adelheid Schwarz in der nahe gelegenen Pfarre bei einer ähnlichen Hilfsaktion engagiert. Die hieß «Grüß Gott», und so erinnert ihr nicht gespielter freundlicher Umgang mit den Hasserfüllten auch an die Bergpredigt: So sehr kann man die 65-Jährige gar nicht beleidigen, dass sie nicht auch ihre andere Backe hinhält.

Warum sie sich das antut, wird die gute Seele von Strebersdorf gefragt: Weil die Menschen gemeinsam mehr erreichen können als gegeneinander. Weil sie – Hand aufs Herz, neugierig ist sie schon ein bisserl – gerne wissen möchte, wer neu in ihre Siedlung einzieht. Und nicht zuletzt, weil die Nachbarschaftsaktion für sie ein gutes Hirntraining ist. Es gibt nur wenige Nachbar_innen auf den 32 Stiegen, die sie nicht mit Namen ansprechen kann. Manchmal hilft sie sich mit den Ordnungszahlen der städtischen Wohnhausanlage: «Und Sie sind jetzt, glaub’ ich, Tür Nummer vier. Und das ist der junge Herr von der 13er-Stiege.»

Die schönste Zeit ihres Berufslebens hat sie als Mitarbeiterin der Bibliothek in der Pädagogischen Akademie verbracht, erzählt die Pensionistin. Zuvor hat sie als Großhandelskauffrau bei der Firma MAN und bis zu einer Knie-Operation auch als Heimhilfe gearbeitet.

Am Ende des Jahres wird Adelheid Schwarz wieder Bilanz ziehen: 23 Mal hat sie im Vorjahr neue Mieter_innen begrüßt. Öfters auch mit der notwendigen Hartnäckigkeit: «Wissen S’, ich red’ gleich alle an. Fünf Zetteln hab’ ich dem Neuen schon in sein Postkastl gesteckt. Wie ich ihn dann gesehen habe, habe ich gleich gerufen: Hallo, hallo, dageblieben.» Und was war seine Antwort nach der Aushändigung eines Stoffsackerls, das unter anderem ein Kaffeehäferl, ein Maßband und einen Plan von Strebersdorf enthält? «Ja, das freut mich aber.»

Kein Wunder, dass sie nicht unerkannt durch den Hof gehen kann: «Mich grüßen alle Leut’. Meine Willkommensbesuche werden zu 95 Prozent positiv aufgenommen.»

Und weil der Mieterbeirat sein Ehrenamt dankend zurückgelegt hat, ist sie, die seit ihrer Kindheit «im Bau» wohnt, inzwischen die inoffizielle Adressatin für alle Beschwerden. Weit abseits der Polit-Sonntagsreden sagt sie: «Man muss mit den Menschen mehr reden, denn die Menschen reden nicht mehr miteinander.»

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