Hallo, Jugendliche? Wo seid Ihr? Verbündet Euch!tun & lassen

20 Jahre AUGUSTIN: Jahrgang 2005 – «Echo», mehr als nur ein Haus in der Gumpendorferstraße

Über das autonome Jugendzentrum «Echo» hat der Augustin schon in der gemeinsamen Gründungsphase geschrieben und ist ihm bis zum bitteren Ende im Jahr 2005 treu geblieben. Lisa Bolyos hat bei «Echo»-Gründer_innen nachgefragt, was der Stadt fehlt, seit die «Echot_innen» in alle Winde verstreut sind. Das Haus in der Gumpendorferstraße steht derweil immer noch leer.

Begonnen hat auch diese Geschichte im Amerlinghaus. Anfang der 1990er-Jahre begannen Bülent Öztoplu, Aslı Kıslal und ein Haufen anderer Enthusiast_innen, eine offene Plattform für Jugendliche zu organisieren. «Beim ersten Treffen waren wir zwanzig, beim zweiten schon achtzig Leute», erzählt Bülent, und bald wurde das Amerlinghaus zu klein. «Eine Bühne» sei schon die Aufbauphase gewesen, aus allen Bezirken seien die Jugendlichen gekommen, sie haben sich gegenseitig ihre Texte vorgelesen, die «Echo»-Zeitung produziert, Veranstaltungen organisiert, zu denen 300, 400 Leute kamen: «Dieses Gefühl, es bewegt sich was», beschreibt Bülent die 1990er-Jahre in Wien, Lichtermeer, die Gründung von SOS Mitmensch, Asyl in Not, Echo, Augustin.

Bülent Öztoplu war damals in der mobilen Jugendarbeit tätig. Am Reumannplatz, wo die «türkischen Jugendbanden» ein bisschen Mythos und ein bisschen Realität waren, «die hatten so eine enorme Energie, und die musste man umwandeln in etwas Positives. Die Jugendarbeit wollte immer betreuen, aber die Jugendlichen wollten nicht betreut werden, die wollten sich selbst organisieren». Das «Echo» wurde ihre Plattform.

Banden verbinden

Aslı Kıslal war damals gerade mal Anfang zwanzig. Sie spielte im Theater der Jugend in einem Stück, in dem es um Jugendbanden ging – «und so habe ich den Bülent kennengelernt.» Heute leitet Aslı Kıslal das Theaterprojekt «daskunst» und seit Kurzem auch die dazugehörige Schauspielakademie «diverCITYLAB ». Hier beginnt in wenigen Monaten der zweite Jahrgang mit der vierjährigen Ausbildung. «diverCITYLAB» möchte «die Bühnen bunter machen», sagt Aslı Kıslal, «man könnte auch sagen: updaten», möchte Leute ausbilden, die auf die Akademien keinen Zugang haben. Diese Projekte nennt sie die «professionellen Ausläufer» von dem, was im «Echo» begonnen hat.

Theater hätte sie es damals nicht nennen dürfen, da wären ihr die Jugendlichen davongelaufen. Darum hieß das erste Projekt «Modenschau», Aslı Kıslal bat die Jugendlichen einzig, am Laufsteg einen Satz zu deklamieren, «irgendwas zwischen Shakespeare und Botho Strauß». Und dann wollten alle mehr davon. Und so wurde im «Echo» Theater gemacht.

Kunst- und die Demokratiefertigkeiten waren es, die man sich hier aneignete. Die Jugendlichen saßen im Beirat und im Vorstand, sie machten die Vorstellungsgespräche mit Bewerber_innen für die Jugendarbeit, sie «sollten lernen, was Minderheit heißt und was Mehrheit, und wie eine Minderheit zur Mehrheit werden kann». Und sie machten eine Zeitschrift, in der ihre eigenen Stimmen laut wurden.

Nach der «Echo»-Zeitschrift, die zuletzt im Oktober 2005 mit einer Sondernummer («Alles bleibt gleich») zu den Wiener Gemeinderatswahlen erschien, kam «Biber». Auch da hatte Bülent Öztoplu noch seine Hände im Spiel: «Die ‹Echo›-Zeitschrift war sehr politisch, aber auch sehr marginal. ‹Biber› sollte breiter sein und trotzdem kantig.» Letztendlich wurde es nur ersteres. «Die Botschaft ist: Es geht uns gut!, keine Sorge.», meint Bülent, dabei wäre ein bisschen Konfliktbereitschaft der bessere Beitrag zur Demokratie: «Ist das gut für die Gesellschaft, wenn alles in Frieden ist, oder hat sie nur Verstopfung?»

Wer die Hand beißt, kriegt kein Futter

Die Jugendarbeit und wie es ihr heute geht, ganz ohne das «Echo» als Vorbild oder als Regulativ, wollen Bülent Öztoplu und Aslı Kıslal nicht kommentieren – dazu seien sie zu weit weg. Aber wenn man ein bisschen nachbohrt, nennt Bülent die meiste Jugendarbeit doch bissig «Opferanimation». «Es fehlt an Plattformen für junge Leute, von denen aus sie hochkommen, sich ein Selbstwertgefühl erarbeiten können.»

Das Selbstwertgefühl der Echot_innen wurde der Stadt irgendwann zu viel, der Geldhahn wurde zugedreht. «Dabei bräuchte man gerade, wenn man von Deradikalisierung redet, Projekte wie das ‹Echo›.», meint Bülent. Die Politik, denkt er, hatte Angst vor so viel Kraft. «Das Argument war damals, Echo sei undankbar. Man beißt nicht die Hand… und so weiter.»

Aus den echotischen Handbeißer_innen ist jedenfalls eine Generation erwachsen, die für sich selbst sprechen kann. Filmemacher, Fernsehmoderatorinnen, Musiker, Theaterproduzentinnen, Schauspieler, aber auch Immobilienmakler, Kleinunternehmerinnen wurden die Jugendlichen. Wenn Bülent sie auf der Straße trifft «und sie mit Freude von der damaligen Zeit erzählen», dann ist er stolz.

Seit kurzem treffen sich ein Haufen Echot_innen – alte und solche, die es gewesen sein hätten können – wieder im Amerlinghaus, um gemeinsam nachzudenken. Etwas Neues muss her, mein Bülent, Sprachrohr, Plattform, Lobby – die Unerhörten müssen wieder hörbar werden. Eine Plattform, eine gemeinsame starke Stimme, fände auch Aslı Kıslal nicht schlecht: «Wo seid Ihr, Jugendliche?», lacht sie: «Verbündet Euch, los!» Das Haus in der Gumpendorferstraße könnte ein bisschen Belebung jedenfalls brauchen.

Info:

Zur Jugendarbeit in Wien: siehe Sachbuch-Rezension Augustin Nr. 391, S. 12

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