Hameseder: «Hin und wieder rufe ich den Herrn Chefredakteur an»tun & lassen

«News»-Geschäftsführung verräumt Interview

Mit der Veröffentlichung des «Schwarzbuch Raiffeisen» im Mandelbaum Verlag, das in wesentlichen Teilen auf dieser «Augustin»-Serie beruht, wollten wir auch unsere These überprüfen, dass die Raiffeisen Gruppe als Eigentümer, Kreditgeber und Großinserent der etablierten Medien mit vorauseilendem Gehorsam der diversen Verlagsgeschäftsführungen und Chefredaktionen rechnen darf. «Jetzt hupft der Aff ins Wasser», sagt man in Wien, wenn ein Test Wahrheiten zu Tage fördern soll. Der Affe ist gesprungen – und hat unsere Vermutungen bestätigt. Da der Konzern keine Presse als beste Presse zu betrachten scheint, rechneten wir mit geringem Medienecho auf unsere Ende April erschienene Publikation. Ein kleiner Betriebsunfall in der Chefetage des «News»-Verlags machte einen Strich durch unsere Kalkulation.Zunächst lief alles wie erwartet: Neben wenigen Online-Portalen war «Der Standard» die einzige Zeitung, die sich (27. Mai 2013 auf der Seite «Kommentar der Anderen») zu einer Besprechung des Buches aus der Feder von Thomas Neuhold unter dem Titel «Raiffeisen vor dem Vorhang» hinreißen ließ. Ansonsten herrschte Schweigen im Medienwalde, obwohl laut Mandelbaum Verlag eine ganze Reihe von Redaktionen (darunter Ö1) Besprechungsexemplare angefordert hatten.

Am 14. Mai hat ein Redakteur von «news.at» angefragt, ob wir zu einem Interview bereit wären. Das Gespräch wurde am 17. Mai geführt. Am 19. Juni informierte uns der «News»-Redakteur, dass er das Interview in einer Druckausgabe von «News» nicht unterbringen konnte, aber eine Veröffentlichung auf «news.at» bevorstehe.

Kaum online und schon wieder weg

Am Morgen des 24. Juni war es mit der Publikation so weit, das Interview war online. Wenige Stunden später jedoch war das ausführliche Interview laut Medienportal kobuk.at von der Website des «News»-Verlags wieder verschwunden. Unter dem Titel «News beugt sich dem Machtfaktor Raiffeisen» wurde berichtet: «News.at hat am Montag einen bemerkenswert kritischen Artikel über Raiffeisen veröffentlicht. Wenige Stunden später war dieser aber nicht mehr auffindbar. Der Autor bestätigte uns gegenüber nur, dass der Artikel online war, wollte jedoch keine weitere Stellungnahme abgeben. Laut einem Verlagsinsider, der ungenannt bleiben möchte, wurde der Artikel nach einer Intervention der News Verlagsleitung bei der Chefredaktion entfernt. Der News Verlag steht zu 25,3 % im Eigentum von Raiffeisen/Kurier.»

Da Fälle von Zensur in der heimischen Presse immer noch nicht als «Lercherlschaß» betrachtet werden, löste die Aktion der «News»-Geschäftsführung vor allem im Internet (derstandard.at, diepresse.at usw.) ein ziemlich starkes Mediengewitter aus. Die Raiffeisenholding Niederösterreich-Wien (als Eigentümerverteterin der «Kurier»/«News»-Beteiligung) sah sich schließlich gezwungen, den Text des Interviews – garniert mit einem Hinweis auf die Toleranz des Unternehmens – auf der hauseigenen Website zu veröffentlichen. Wie Raiffeisen-Mitarbeiter berichteten, wurden Interview und Postings im Web intern fleißig hin- und hergeschickt – zynische bis hämische Kommentare inklusive.

Interesse gestiegen

Dieser Entlastungsversuch wurde in weiteren Medien, an denen Raiffeisen beteiligt ist, kolportiert. Auf «noen.at» war etwa unter dem Titel «Raiffeisen zieht PR-Notbremse» zu lesen: «Nach der Aufregung um einen Raiffeisen-kritischen Artikel, der auf der Internet-Seite der Verlagsgruppe News zu lesen und kurz darauf wieder verschwunden war, hat Raiffeisen nun die kommunikationstechnische Notbremse gezogen.» Was «noen.at» nicht berichtete: Wenige Tage zuvor fand in Purkersdorf auf Einladung der Liste Baum eine Präsentation des Buches mit anschließender Diskussion statt. Ein NÖN-Redakteur war anwesend und wollte über die Veranstaltung berichten. Erschienen ist in der NÖN nichts. Wieder ist der Affe ins Wasser gesprungen. Übrigens ist nach der Internet-Aktion das Interesse am Buch sprunghaft gestiegen: Amazon meldete ein spürbares Ansteigen der Bestellungen.

Laut APA argumentierte «News»-Geschäftsführer Axel Bogocz, der für die Sistierung des Interviews verantwortlich zeichnet, untergriffig. Er soll von unprofessionellem Vorgehen gesprochen und wörtlich gesagt haben: «Wenn man den Autoren von ‹Schwarzbuch Raiffeisen› soviel Platz für ihre Thesen zum Unternehmen Raiffeisen einräumt, gebietet es die journalistische Fairness, auch einmal die Standpunkte der Raiffeisen dazu zu hören.« Für Bogocz von Interesse ist der Lehrplan für die 5. Klasse AHS. In ihm ist festgehalten, dass ein Interview ein journalistisches Genre ist, in dem der Leserin, dem Leser eine Position zu einem Thema angeboten wird – in der Annahme, dass sie/er sich selbst eine eigene Meinung bilden kann. Was hat übrigens Bogocz daran gehindert, die Positionen von Raiffeisen ausreichend darzustellen zu lassen?

In der Branchenzeitung «medianet» wurde darauf verwiesen, dass Raiffeisen als Miteigentümer Ordnungsrufe auszustoßen pflegt, wenn in der Berichterstattung aus der Sicht des Konzerns etwas schiefläuft. Wörtlich hieß es: «Hameseder (Obmann der Raiffeisenholding NÖ-Wien) in einem Interview mit dem Magazin ‹Datum› über gelegentliche Kontaktaufnahme mit dem ‹Kurier›, an dem Raiffeisen zu 50 Prozent beteiligt ist: ‹Hin und wieder rufe ich in der Früh den Herrn Chefredakteur an, um zu fragen, was hinter manchen Artikeln steckt und wie das zu verstehen ist. Wenn man glaubt, dass sich jemand in der Redaktion im Ton vergriffen hat, das sind dann schon Themen, wo ich zum Telefon greife.›» Hameseder erklärt in «Datum» weiter: «Ein Eingreifen direkt bei den Redakteuren gibt es bei mir nicht, das hat auch Christian Konrad nicht gemacht. Ich spreche mit den Führungspersonen, also Herausgebern und Chefredakteuren. Die gehen dann damit um.»

Vorläufig sieht es so aus, dass derjenige oder diejenigen, der oder die das Interview von der «News»-Homepage genommen hat oder haben, tatsächlich einen positiven Beitrag für die Verbreitung des «Schwarzbuch Raiffeisen» geleistet hat oder haben. Letzen Endes wurde durch das versuchte Verräumen des «News»-Interviews für mehr Leser_innen gesorgt. Danke! Und: In einem Aufwaschen wurde mit dieser Aktion gezeigt, welchen Einfluss Raiffeisen auf die österreichische Medienszene hat.

erhältlich im guten Buchhandel und beim Augustin:

«Schwarzbuch Raiffeisen»

Mandelbaum Verlag 2013

Euro 16,90

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