Haut den Pennytun & lassen

Ka faire Milch: Molkereigenossenschafen und Marketingaktionen

Aus aktuellem Anlass schreibt Gastautor Ernst Halbmayr (IG-Milch) zum Thema Raiffeisen, Milch und Vermarktung.

Auf der Suche nach Aufmerksamkeit und dem Wunsch, die eigene Klientel zu bedienen, ist dem Bauernbund der ÖVP eine Milch-Aktion des Discounters Penny in die Quere gekommen. Lautstark demonstrierten 35 Landwirt_innen, darunter viele Funktionär_innen von Raiffeisenorganisationen (Molkerei, Raiffeisenkasse, Lagerhaus, etc.), vor kurzem vor einer Penny-Filiale in Ruprechtshofen (NÖ). Anlass war der Verkauf von 2 Litern Milch zum Preis von einem Liter.

Angeführt wurde die Demo unter anderem vom Bürgermeister, Multifunktionär in mehreren Raiffeisenorganisationen und Geschäftsführer der Milchgenossenschaft Niederösterreich (MGN). Diese wiederum hat eine Minderheitsbeteiligung bei der NÖM AG, die als zweitgrößtes Molkereiunternehmen Österreichs die Milch von 3500 Betrieben im Osten Österreichs verarbeitet. 80 Prozent der NÖM AG hält die Raiffeisenholding NÖ-Wien.

Die guten Kontakte zwischen Bauernbund und Raiffeisen und die Nähe zur niederösterreichischen Medienlandschaft (ORF, NÖN, Kurier) brachten großes mediales Echo. Als vor Jahren die IG-Milch ähnliche Aktionen, bei mehreren Filialen gleichzeitig, mit hunderten von Bäuer_innen durchführte, wurde das von der eigenen Interessensvertretung verurteilt. Der damalige Bauernbundobmann Fritz Grillitsch erklärte: «Begebe mich nicht auf Gewerkschaftsniveau.» Das bringe sowieso nichts, es würden nur die Konsument_innen verärgert, Bauern und Bäuerinnen sollten die Energie für die Optimierung ihrer Betriebe verwenden etc. Als es der IG-Milch gelungen war, die aggressiven Milchmarketingaktionen einzudämmen und der Lebensmittelhandel auch Milchpreiserhöhungen durchführte, warteten wir gespannt auf bessere Auszahlungspreise der Molkereien. Als das nicht passierte und wir es einforderten, bekamen wir von fast allen Molkereien die Auskunft, dass der Anteil der abgefüllten Trinkmilch so gering sei, dass keine Preiserhöhung möglich sei. Viele ähnliche weitere Erfahrungen und eigene Aktionen der IG-Milch wie der Lieferboykott gemeinsam mit anderen europäischen Milcherzeugerverbänden, machten Verdecktes sichtbar und führten zur Initiative «A faire Milch» und in weiterer Folge zu ganz neuen Erkenntnissen in der Wertschöpfungskette Milch.

(Über)Natürliches Bauernsterben

Die Landwirtschaft allgemein und damit auch die Milchwirtschaft sind auf dem Weg in die Sackgasse. Der größte Trumpf der österreichischen Landwirtschaft ist die hohe Akzeptanz der Konsument_innen. Dies führt zu einem extrem starken «Konsumpatriotismus» und wäre die Basis für ein zukunftsträchtiges Bündnis, das zum einen eine nachhaltige landwirtschaftliche Produktion ermöglicht und zum anderen Akzeptanz für faire Preise schafft. Das ist jedoch nicht im Interesse des Industriekapitals, dem sich Raiffeisen verpflichtet fühlt, und es wird stattdessen eine Entwicklung in Gang gesetzt, die Landwirt_innen und Konsument_innen noch teuer zu stehen kommen wird.

Bei Ausgleichszahlungen, Förderungen, Abholmodalitäten werden kleine Betriebe signifikant benachteiligt und große Betriebe bevorzugt. Mit Mindestabholmengen vom Hof wurde den kleinen Betrieben von den Molkerei-Genossenschaften verdeutlicht, dass ihre Form der Produktion nicht erwünscht ist und keine Zukunft hat. Kritiker_innen dieser Vorgangsweise wird gesagt: Ihr habt keinen Mut zu wachsen, statt zu demonstrieren sollte man die Arbeit am Hof verrichten, das «Bauernsterben» (Strukturwandel) sei ein natürlicher Prozess, mit Wachstum und mehr Produktion könne man tiefe Preise ausgleichen.

Für den Erhalt von Förderungen ist eine landwirtschaftliche Ausbildung Bedingung. So werden die Schüler_innenzahlen der Landwirtschaftsschulen gesichert und Erfüllungsgehilfen des Großkapitals gezüchtet. Den wissbegierigen und aufnahmefähigen Jugendlichen wird als wichtigste Unternehmensstrategie Wachstum gelehrt – dann kommen sie aus der Schule mit dem Vorsatz: Ich will ein Großer sein. Ich muss mehr pro Quadratmeter Boden ernten, dabei helfen mir Kunstdünger und Pestizide und die neuesten Zuchtsorten, die Höchsterträge ermöglichen. Tiere müssen schneller wachsen, mehr Milch geben – und das in möglichst großen Stallungen. Um dies verwirklichen zu können, wird die Landschaft ausgeräumt, werden größere Maschinen gekauft. Finanziert wird per Raiffeisen und der Boden der entmutigten Nachbarin gepachtet. In der Schule kein Thema: eine Analyse der Wertschöpfungskette, Selbstorganisation, vernünftiges Marketing, gesellschaftliche Entwicklungen und Erwartungen sowie der Diskurs mit Konsument_innen.

Vor diesem Hintergrund verwundert es, wenn sich der neue Präsident der Landwirtschaftskammer, Hermann Schultes, beklagt: «Man zieht uns Gummistiefel an, nimmt uns Kompetenz.» Wenn wir Bauern und Bäuerinnen den jetzt eingeschlagenen Weg mitgehen, ziehen wir uns die Gummistiefel selber an.

Ernst Halbmayr ist Milchbauer, Mitgründer der Interessensgemeinschaft der Milchbauern und -bäuerinnen «IG Milch» und Projektleiter der Milchpreiskampagne «Faire Milch». «A Faire Milch» gibt es im gut sortierten Lebensmitteleinzelhandel zu kaufen.

Illustration: MUCH

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