Musikarbeiter unterwegs … vorwärts und rückwärts zugleich
Parasol Caravan, eine Linzer Band, nützt eine massive, brodelnde 70er-Rock-Basis für psychedelische Ausflüge «into space» und anderes Unbewusstes.
Foto: Mario Lang
Wahrscheinlich habe ich die Suche nach einem lebensverändernden, lebenserklärenden Musikmoment, nach diesem speziellen Konzertmoment noch nicht wirklich aufgegeben. Jetzt, wo der bunte Vogel Liebe endlich mit mir lebt (und ich habe wirklich alles versucht, ihn zu vertreiben!), der alte Löwe Vaterschaft manchmal sanft, manchmal brüllend mein hauptsächlicher Begleiter ist und sich, mit dem Blick in sein weit aufgerissenes Maul, manchmal sogar eine gewisse Gelassenheit über die Beschränktheit und Endlichkeit unseres menschlichen Daseins an sich einstellt, betreibe ich nur diese Suche vielleicht nicht mehr so entschieden wie auch schon. Darum stelle ich wahrscheinlich bestuhlte Konzerte nicht mehr konsequent grundsätzlich in Frage. Wenn sich Suchen zunehmend in nicht-mehr-ganz Erwartung auflöst – es könnt schon passieren, wahrscheinlich aber eher nicht –, ist Sitzen vielleicht schlicht und einfach angenehmer. Es wird einen ohnehin nichts mehr umhauen. Habe ich daran, habe ich so etwas gedacht, als ich das Quartett Parasol Caravan erstmals hörte, im Dunklen, in einem Sitz im RadioKulturhaus? Eher nicht. Ich war ganz damit beschäftigt, in ihrem Sound zu schwimmen, wenigstens für einige entschlossene, endlose Takte (in Rocksprech: Die drücken ganz schön ab, diese vier Linzer!), lang und tief. Womöglich bringe ich etwas durcheinander, aber mit diesem Abend verbinde ich den Ausdruck «schädeln», für die bei härteren Rocksorten dringend angeratene Kulturtechnik des Headbangens, mit Parasol Caravan seither die Assoziation «schädeln in space», weiterwortgespielt «köpfeln im Weltraum». Hilft garantiert gegen Zäune, gegen alle.
Telefon nach Überall*
Beim fernmündlichen Gespräch mit Gitarrist Bertram Kolar – eine weitere Gitarre wird von Richard Reikersdorfer gespielt, Bass und Gesang liefert Alexander Kriechbaum, an den Drums sitzt Vincent Böhm – stellt sich Vertrautheit ein. Die ewig gleiche, immer wieder neue Geschichte von vier Menschen, die sich lange kennen und, in diesem Fall, seit 2009, in dieser Besetzung seit 2011 gemeinsam Musik machen. Mit einem Zugang, der Linzer Musik- und Handlungstraditionen von New Wave über Punk/Hardcore bis Hip-Hop nicht stilistisch abbildet, aber darin, wie mensch mit dieser Musik umgeht, unprätentiös, aber bestimmt. Tun wir, dann werden wir und andere sehen. Und hören. «Voi» sagt Bertram wiederholt, und einmal «attitude». Das beschreibt ganz gut, wie diese Band und ihr Debüt-Album «Para Solem» daherkommen – das ist etwas Ganzes. Mit dem das Quartett, um die 25, 26 Jahre alt, zwei Studenten, ein Koch, einer arbeitet in einem Musikgeschäft, etwas will. Der Gitarrist erzählt von einem kleinen Festival in Deutschland, dass die Band gespielt hat, genretechnisch mit Bands der Sparte «Stoner-Rock» (schlagen Sie den Begriff nach!) bestückt, aus diversen Ländern. «Das sollten wir auch schaffen», sagten sich Parasol Caravan, die zu ihrem Namen über Songtitel von Black Sabbath und Queens Of The Stone Age kamen. Tatsächlich wurde schon in Deutschland, der Schweiz, Belgien und Frankreich konzertiert, die Ambition «mit der Musik überall hinkommen» wird gelebt. Ihren Sound schöpfen Parasol Caravan aus Quellen wie Led Zeppelin, Deep Purple, klassischem Rock einerseits, Erweiterern und Abstrahierern wie Kyuss oder Tool andererseits, mit etwas Grunge for the flavour. Als 17-Jähriger hat Bertram die Lokalgrößen Porn To Hula live gesehen, damals für ihn «die geilste Band auf der ganzen Welt». In den 9 Songs von «Para Solem» dem Albumdebüt der Band – am Cover und im Artwork sind sie als Raumfahrer zu sehen – stecken gut zwei Jahre Arbeit. Arbeit, die sich nicht zuletzt durch den Input von Produzent Georg Gabler, gelohnt hat, dessen Inputs, oft zu Details, das Puzzle zum Bild werden ließen. Songs wie «Black Monolith», textlich inspiriert von Kubricks «2001» («strenth is hidden in the dark, evolution will embark») sind zugleich wuchtig und subtil, setzen die heftigen Riffs und psychedelischen Vorlieben der Band in einem dynamischen, fesselnden musikalischen Dialog um. «Space Rock», «Psychedelic Rock» oder «Stoner Rock» werden beim lauten Hören von Opener «Take Off» bis zum abschließenden «New Stone» («I enter the other side of curiosity») zu Worthülsen, die sich dem, was Parasol Caravan da machen, zwar annähern, aber es in seiner ganzen Pracht nicht zu fassen vermögen. 8 Beine auf der Erde und 4 Minds in den Sternen. Bertram meint gegen Ende unseres Gesprächs noch, dass er das Gefühl hat, dass Musik wie ihre derzeit wieder verstärkt ein Publikum findet, was ob der Qualität des Gebotenen zu hoffen steht. One, two, three, four … Absprung!
* Ein Lied der Linzer Band Willi Warma, inspiriert von Science-Fiction-Autor Philip K. Dick
Parasol Caravan: Para Solem (Panta R&E),
www.parasolcaravan.com