Hedy Lamarr: Märchen und Alptraumtun & lassen

Wie gedenkt Wien seiner berühmten Tochter Hedy Lamarr zu gedenken? Wer war diese legendäre Frau eigentlich?

Hedy Lamarr ist dermaßen legen­där, dass es fast zweifelhaft erscheint, ob es diese Frau tatsächlich gab oder es sich um eine Sagenfigur handelt. Beinamen, die der Schauspielerin gegeben wurden und an ihr hafteten, waren etwa «schönste Frau der Welt», «Sexstar» oder «geniale Erfinderin». Zuschreibungen, die nicht (ganz) zutreffen, außer vielleicht die Schönste gewesen zu sein. Schönheit lässt sich ja nicht messen …
Geboren wurde Hedy Lamarr 1914 in Wien als Hedwig Kiesler. Sie war das einzige Kind wohlhabender jüdischer Eltern, die die Talente und Interessen ihrer Tochter förderten, sie aber auch sehr verwöhnten. 1937 verließ sie Wien aus privaten Gründen und machte letztlich in Hollywood Karriere. Wien blieb sie verbunden, besuchte die Stadt nach dem 2. Weltkrieg einige Male. Ihre Herkunftsstadt ehrte sie u. a. mit dem Hedy-Lamarr-Weg in Meidling und einem Wissenschaftspreis.

Nachlass

2019/2020 machte die Ausstellung Lady Bluetooth – Hedy Lamarr deren Besucher:innen mit der Erfinderin Lamarr bekannt. Ein geplantes Lamarr-Museum in Wien kam nicht zustande, obwohl das Jüdische Museum einen Teil ihres Nachlasses gekauft bzw. teilweise geschenkt bekommen hatte. Fehlendes Geld, fehlende Räumlichkeiten und wohl vor allem fehlender politischer Wille verhinderten das Projekt. Auf Wunsch der Familie Lamarrs wurden Kauf und Schenkung rückabgewickelt. Stücke aus dem Nachlass erwarb dann einer, der den Willen hatte, der berühmten Wienerin ein Denkmal zu setzen, und scheinbar auch die nötige Kohle dazu: René Benko respektive die Signa ­Holding. In einem Museumscafé im Luxus­kaufhaus Lamarr sollte die Schauspielerin gewürdigt werden. Als Kuratorin der Gedenkstätte sollte die ehemalige Direktorin des Jüdischen Museums Danielle ­Spera fungieren. Nach der Signa-Insolvenz ist die Umsetzung mehr als fragwürdig. Die Sammlung der Lamarr-Memorabilia ­wollte man im Rahmen der Versteigerung von Signa-Inventar veräußern, was dann aber ausgesetzt wurde. Und so ziert Hedy Lamarrs Konterfei nur die Bahnen, die Wiens bekannteste Ex-Baustelle verhüllen.
Immerhin gibt es auf dem Wiener Zentralfriedhof ein Ehrengrab der 2000 verstorbenen Schauspielerin, in dem ein Teil ihrer Asche ruht. Ihr Wunsch war, dass ihre Asche im Wienerwald verstreut werden sollte – dem sind ihre Kinder teilweise nachgekommen.

Comic-Bio

Buchbiografien gibt es ­mehrere, u. a. eine Autobiografie von 1966 und eine Biografie von ihrem Sohn Anthony Loder (2012). Regisseur und Autor William Roy und Szenarist Sylvain Dorange zeichnen in ihrem Comic Hedy Lamarr nun eine ehrende, aber auch kritische Biografie einer Frau, die sich durchzusetzen weiß, sich oft nimmt, was sie will, die ­Sexismus benennt, sich aber auch ­ihres Sex-Appeals bedient, um innerhalb patriarchaler Strukturen Karriere zu machen. Lamarrs Leben bewegte sich zwischen Märchen und Alptraum: verwöhnte und gebildete Tochter reicher Eltern, Erfolge auf Bühne und Leinwand in jungen Jahren, der Skandalfilm Ekstase. Aus ­ihrer ersten Ehe mit dem Waffenhändler Fritz Mandl, der ihr Berufstätigkeit verbietet und sie im goldenen Käfig gefangen hält, flieht sie und geht nach England und bald darauf nach Hollywood. Ihr Ruf als Skandaldarstellerin eilt ihr voraus, allerdings zieht sie mit ­ihrem Äußeren nicht nur die Aufmerksamkeit männlicher Zeitgenossen auf sich. Sie wird zu Stilikone und Styling­vorbild vieler Frauen.
Obwohl Hedy Lamarr eine begabte Schauspielerin war, bekam sie meist eher dümmliche Rollen in durchschnittlichen Filmen. 1958 drehte sie ihren letzten Film, trat danach noch gelegentlich in TV-Shows auf. Mit dem Altern hatte die «schönste Frau der Welt» Probleme und zog sich völlig aus der Öffentlichkeit zurück. 

William Roy &
Sylvain Dorange:
Hedy Lamarr. Wienerin,
Hollywoodstar, Erfinderin
Aus dem Französischen
von Yara Haidinger
bahoe books 2024
176 Seiten, 28 Euro