Heiliger Ort mit proletarischem Flairvorstadt

Wiens Fußballplätze (21): Das Gerhard-Hanappi-Stadion

Bald werden die Bagger anrücken und dann wird das Gerhard-Hanappi-Stadion Geschichte sein. Wir statteten der Heimstatt von Rapid Wien einen letzten Besuch ab. Dabei erhielten wir Zutritt auch zu ihren Innenräumen.

Foto: Lea Sonderegger  

Erst waren sie im Rapid-Fanshop und hatten dort ordentlich eingekauft. Dann wechselten die drei Jugendlichen mit ihren vollgepackten Sackerln die Straßenseite und schauten in «ihrem» Stadion vorbei, dem Gerhard-Hanappi-Stadion. Hinein kamen sie, weil die Amateur-Mannschaft von Rapid gerade Training hatte und daher die Tore offen standen.

Noch einmal eine Runde durch die einzelnen Sektoren machen. Erinnerungsfotos knipsen. Die Aura dieses Orts einsaugen. Sichtlich ein bewegender Moment für die jungen Menschen. Sie lassen sich auf der Spielerbank am Spielfeldrand nieder, dort, wo normalerweise ihre Idole sitzen. Ein Strahlen ist in ihren Gesichtern, ein Funkeln in ihren Augen. Darein mischt sich aber auch eine gute Portion Wehmut. Denn schon bald werden die Bagger anrücken und dann wird das Gerhard-Hanappi-Stadion Geschichte sein.

Noch ist es nicht so weit. Noch zieht Erich Rössmann, Platzwart seit 1998, auf dem Grün seine Linien. Seit die Profis schon vor längerer Zeit ins Ernst-Happel-Stadion umgezogen sind, ihre Heimstatt für die nächsten zwei Jahre, dürfen Rapids Nachwuchskicker an diesem Ort vorübergehend ihre Spiele austragen, auf dem Boden, der, zumindest ein bisschen, europäische Fußballgeschichte mitgeschrieben hat, in dem Oval, das angeblich heilig ist.

Der Rasen ist tiptop. Auch das Stadion macht nicht gerade einen baufälligen Eindruck, jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Auf den zweiten und genaueren ist allerdings zu erkennen, dass die Sitzplatz-Verankerungen im Beton durchweg rostig sind. Und den größten Schaden, sagt Rössmann, würde man von außen gar nicht sehen. Defekte Elektroleitungen und Wasserschäden in den Katakomben des Stadions.

Auch wenn nun demnächst an dieser Stelle das neue Stadion errichtet wird, das «Allianz Stadion», wird der Platzwart keine Pause haben. Seine Arbeit geht weiter, auf den Nachbarplätzen rund um die künftige Baustelle, den traditionellen Trainingsplätzen des Nachwuchses. Was die Zukunft bringt? Schauen wir mal. Rössmann ist vorsichtig zuversichtlich.

Günther Bitschnau von der Rapid-Pressestelle ist so freundlich und schließt uns die Türen zum Inneren des Stadions auf. Auch zu den Räumen, die den gemeinen Zuschauer_innen normalerweise verschlossen bleiben. Zur Spielerkabine etwa. Beim Eintritt die erste Überraschung. Die Kabine besitzt einen Vorraum, mit Tisch und Eckbank und Stühlen. Eine Art Wirtsstube in Kleinausführung. Dann der Umkleideraum: in der Mitte ein großer Tisch, umlaufend an den Wänden ein Fach neben dem anderen. Jedes mit einer bestimmten Nummer gekennzeichnet – korrespondierend zur Rückennummer des Spielers.

Hier zeigt sich ein Unterschied zwischen Profi- und Amateurlager, zwischen Rapid Wien und der Fußballtruppe dieser Zeitung, dem Schwarz-weiß Augustin. Der Profi hat sein eigenes Umkleidefach, der Augustin-Spieler muss sich mit einem Haken zufrieden geben, einem zudem, der schon beim nächsten Training von einem anderen Spieler in Beschlag genommen sein kann.

Zur Dusche kommen in der Rapid-Umkleide Massageraum, Whirlpool und Sauna dazu. Nirgends allerdings ein Fenster. Keine Öffnung zur Außenwelt. Der Architekt wollte jeglichen gegnerischen Versuch zur Spionage schon im Ansatz unterbinden, auch um den Preis, dass solcherart dem baulichen Verfall Vorschub geleistet wurde, wie an der rostigen Heizung zu sehen ist.

Die Trainerkabine: Auch dieser Raum ohne Fenster. Ganz spartanisch mit (natürlich grünen) Spinden eingerichtet. Wir sind ein Klub mit proletarischen Wurzeln, sollte das heißen. Außerdem wollte man jegliche Ablenkung so gering wie möglich halten. Volle Konzentration auf das Spiel!

Und schließlich der Besprechungsraum, mit Fernseher und Flipchart: Hier fanden die Videoanalysen statt. In der Ecke eine lederne Sitzgruppe, ein Entgegenkommen in Sachen Bequemlichkeit, eine Einladung zur Entspannung. Auch zur Unkonzentriertheit? Das ist nicht auszuschließen, denn wer es schön bequem hat, dem gehen des Trainers Instruktionen betreffs seiner Laufwege bei dem einen Ohr hinein und bei dem anderen wieder hinaus.

Das neue Stadion wird moderner sein. Mit separatem VIP-Bereich. So viel ist heute schon bekannt. Doch werden die Umkleidekabinen auch künftig abhörsicher sein? Und hat man aus Fehlern gelernt, kommen in den Besprechungsraum also nur harte Sessel? Oder Laufbänder? Sieg oder Niederlage, Euroleague oder ÖFB-Cup – das weitere Schicksal von Rapid wird nicht zuletzt von solchen vermeintlichen Details abhängen.