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Was ist rechte Kulturpolitik? An der Kunst- und Kulturförderung lässt sich ablesen, in welche Richtung die türkis-blaue Regierung gehen wollte. Was davon bleibt, wenn die Regierung weg ist, hat Ruth Weismann erkundet.

«Die Regierung ist weg, ihre Politik noch da» – postete wiederdonnerstag anlässlich der Demo am 30. Mai. Was die nun eingesetzte Interimsregierung und die Wahlen im Herbst bringen, ist offen. Positionen, die unter der türkis-blauen Regierung besetzt wurden, bestehen aber noch. Etwa Sitze in Kulturförderbeiräten, deren Bestellungen im April Beunruhigung in der Kulturszene hervorrief. Die Sitze in diesen Beiräten bestehen im Regelfall für drei, im Fall einer Verlängerung für sechs Jahre.

Hofers Lieblingsmaler. Die Aufgabe der Beiräte besteht darin, zu entscheiden, welche der eingereichten Kunst- und Kulturprojekte «förderungswürdig», also mit Geld zu bedenken sind. Die Bestellung von Norbert Hofers «Lieblingsmaler» Odin Wiesinger in den oberösterreichischen Landeskulturbeirat stieß auf harte Kritik, da seine Nähe zur extremen Rechten nicht nur in seiner eigenen Kunst zu sehen ist. Nach «Ibizagate» hat Wiesinger seinen Sitz nun doch nicht angenommen.
Wer immer noch da ist, sind die von Ex-Kulturminister Gernot Blümel eingesetzten Beiräte auf Bundesebene: jene des Filmbeirats im Bundeskanzleramts, zuständig für die Förderung «innovativer Projekte im Bereich des Spiel-, Dokumentar-, Animations- und Experimentalfilms», und jene des Festivalbeirats. Eine Petition gegen die Bestellung der Produzenten Oliver Auspitz und Alexander Glehr und des Schauspielers Hannes Fretzer wurde bis auf wenige Ausnahmen von allen relevanten Akteur_innen der österreichischen Filmbranche unterzeichnet. Tenor der Kritik: fehlende Qualifikation für den innovativen Film, der in Österreich lange Tradition hat und international hohes Ansehen genießt. «Viele der wichtigsten Namen der österreichischen Filmszene und deren größte Erfolge sind untrennbar mit der Filmförderung des Bundeskanzleramtes verbunden», so die Petition. Um die Qualität des österreichischen Films zu sichern, müsse der Beirat aus Personen bestehen, «die mit den Erfordernissen sowie dem internationalen Gewicht des innovativen österreichischen Filmschaffens aus persönlicher Erfahrung und Expertise vertraut sind.» Außerdem gehe Blümels Beirat «ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis» ab.
Regisseur Sebastian Brameshuber, Obmann des Verbands Filmregie Österreich und Mitbegründer der IG Filmkultur, die diese Petition aufgesetzt hat. Ein «extrem großer Teil der Branche» sei sehr beunruhigt, erzählt er im Telefongespräch mit dem AUGUSTIN. Den offenen Brief hat er mit genau dieser Ansage im Ministerium auf den Tisch gelegt, das Dokument sei «so dick wie ein mittleres Telefonbuch», so viele haben unterzeichnet. Die Reaktion von Seiten des Ministeriums: «Eine Null-Reaktion. Es wurde registriert, aber es wurde nur gesagt: Bitte messt uns an unseren Taten», erzählt Brameshuber. Auf seine Frage, wie die Personen für den Beirat ausgewählt worden seien, wurde ihm keine Auskunft erteilt.

Kein Gespräch. Das, so scheint es, war eines der Hauptmerkmale der Kulturpolitik unter Türkis-Blau: keine Gesprächsbereitschaft. Vor Blümel, so Brameshuber, schlug die Abteilungsleitung der Filmförderungsstelle jeweils in Rücksprache mit den Beiratsmitgliedern die Nachbesetzungen vor. «Es wurde eine Liste erstellt, und es war Usus, dass der Minister die Liste abnimmt, das war ein Formalakt, da die Leute, die jahrelang in den Ministerien beschäftig sind, auch den meisten Sachverstand haben. Der Bruch mit dieser Vorgehensweise hat alle überrascht. Ein Vorschlag lag monatelang am Schreibtisch vom Minister. Und dann wurden plötzlich andere Leute bestellt.»
Die fehlende Gesprächsbereitschaft bestätig auch Jannik Franzen, der für die IG Bildende Kunst im Kulturrat, einem Zusammenschluss der Interessensgemeinschaften aus Kultur und Medien, sitzt: «Wir haben mehrmals versucht, einen Gesprächstermin bei Minister Blümel zu bekommen. Es ging darum, die Studie zur sozialen Lage der Kulturschaffenden zu besprechen. Wir haben ihn auch zu einer Veranstaltung eingeladen, aber dem wurde nicht entsprochen.»
Es ist eine zentrale Aufgabe der amtierenden Minister_innen, die Akteur_innen im jeweiligen kulturellen Feld anzuhören. Dass dies nicht geschah, kann als schlichtes Desinteresse interpretiert werden. Aber die Lesart eines bewusst autoritären Regierungsstils liegt näher. Dafür spricht auch, dass in einem anderen Gremium, dem Festivalbeirat des Bundes, mit dem Schauspieler Serge Falk nicht nur eine für Festivals unqualifizierte Person eingesetzt wurde, sondern auch jemand, der Sebastian Kurz offen im Wahlkampf unterstützte.

Die Kunst aushungern. Dass einige von Blümel neu eingesetzte Beiratsmitglieder eher im TV-Bereich denn im innovativen Film Erfahrung haben, deutet auf ein zweites Merkmal des (neu)rechten Regierungsstils hin: die vielbeschworene «Wirtschaftlichkeit». Die findet sich auch im Regierungsprogramm wieder, in dem Kunst- und Kulturförderung als Sprungbrett für wirtschaftliche Unabhängigkeit beschrieben und die Ankurbelung privater Kunstförderung vorgesehen wird.
Wenn Kunst, die weder massentauglich ist, noch sich verkaufen lässt, «wirtschaftlich unabhängig» produziert werden soll, braucht man sie nicht mehr inhaltlich zu diskreditieren. Man kann sie einfach aushungern. Das Nachrichtenmagazin profil zitiert den ehemaligen FPÖ-Nationalratsabgeordneten Martin Graf zur Causa Odin Wiesinger (online, 18. 5. 2019): «Der linke Mob reitet wieder. Dieses Mal gegen einen ausgewiesenen hervorragenden Künstler, der es seit Jahrzehnten schafft, vom Verkauf seiner Kunst (Bilder und Skulpturen) zu leben, ohne von der öffentlichen Hand gekauft zu sein.» Ein wirtschaftlich unabhängiger Künstler, der Mitglied einer Burschenschaft ist, soll für einen Beirat der «öffentlichen Hand» der Richtige sein? Ein interessantes Detail an Wiesingers «wirtschaftlicher Unabhängigkeit»: Zwei seiner Bilder wurden auf Betreiben der FPÖ von der oberösterreichischen Landessammlung gekauft. Aus öffentlichen Geldern.
Wie auch immer eine zukünftige Regierung aussehen mag: Für Sebastian Brameshuber und Jannik Franzen steht fest, dass man sich nun darum bemühen muss, die Beiratsbesetzungen grundsätzlich anders zu gestalten. «Strukturell gibt es ein Problem, das sehen wir jetzt», sagt Brameshuber. Einen offenen Brief, der die Abschaffung fixer Sitze für Regierungsparteien in Kulturbeiräten fordert, hat der Kulturrat bereits formuliert.

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