Ein Lebensbericht.
Wo kommen Sie her? Und ursprünglich? Diese zwei Fragen begleiten mich mein ganzes Leben und mit meinen einundsechzig Jahren kann ich sie nicht mehr hören. Ich beantworte sie nur karg: Heidelberg! Mein Leben, das ist ein Weg voller Tretminen, die ich immer wieder, ohne es richtig zu wissen, berühre.Unversehens kam ich als Besatzungskind in Heidelberg auf die Welt. Meine Mutter zeugte mich mit einem schwarzen Amerikaner. Mein Vater wurde kurz danach aus Deutschland abgezogen. Ich habe ihn nie gekannt. Es gab allerdings auch amerikanischen Soldaten, die nach dem geregelten Abzug zurück zur ihren deutschen Frauen und Kindern kamen. Meine Großeltern und Urgroßeltern, das muss ich zugeben, haben mich trotz meiner dunkleren Haut voll akzeptiert und geliebt, nur leider sind sie zu früh verstorben. Als ich ca. vier Jahre alt war, heiratete meine Mutter einen Mann, der achtzehn Jahre älter war als sie. Seine Eltern waren Besitzer eines großen Bauernhofs, nur leider hatten sie dreizehn Kinder, mein Stiefvater war der jüngste, und als er dann heiratete, war da für seine Familie kein Platz mehr.
So wohnten wir dann in einer Zweizimmerwohnung, wo ich nach und nach fünf Geschwister bekam. Mein Stiefvater war ein Sportler und Säufer; wenn er trank, war er sehr gewalttätig, schlug die Mutti und ich war das Hurenkind. Von meinem Stiefvater bekam ich nie ein Geschenk, nichts. Doch, als Andenken blieb mir eine Pandorabüchse, die ich vielleicht nie ganz öffnen werde. Ich war elf Jahre alt, ich hatte Angst etwas zu sagen, er drohte mir auch, dass so einer wie mir sowieso keiner glauben würde, also hielt ich lieber meinen Mund. Gottseindank, heute glaubt man den betroffenen Kindern und es freut mich, immer wieder zu lesen, dass solche Armleuchter hinter Gitter landen. Nach der Schule habe ich dann eine Bürokauffraulehre abgeschlossen. Mein Stiefvater wurde immer kränker und als ich dann meinen ersten Mann heiratete, starb er, besser gesagt, er ging elend zu Grunde.
Mein erster Mann war damals, als ich ihn kennen lernte, ein lieber Mann, der fleißig gearbeitet hat. Bald nach der Hochzeit stellte sich heraus, dass er ein Alkoholiker ist und mit der Arbeit plötzlich auch nicht viel am Hut hatte. Statt ein Kind hatte ich bald einen Ehemann, der in die Frühpension geschickt würde. Was blieb mir übrig als weiter fleißig arbeiten zu gehen. Hier muss ich nebenbei trotz allem bemerken, dass er nie rabiat oder frech zu mir war. Aber mit einem Säufer schämt man sich trotzdem, irgendwo hin zu gehen. Seine Familie war sehr nett zu mir. Siebzehn Jahre war ich mit ihm verheiratet, ich wäre es bestimmt bis heute noch, wenn ich nicht meinen zweiten Mann getroffen hätte. Unser Hab und Gut haben wir nach der Scheidung ehrlich geteilt, jeder bekam ca. 70.000 DM damals. In Deutschland ist man ohne Schuldspruch geschieden, aber weil mein Mann eine kleine Frühpension bekam, muss ich ihm einen so genannten Versorgungsausgleich zahlen. Monatlich sind das 200 Euro.
Warum ich Österreicherin wurde
Mein zweiter Mann ist mein Cousin, seine und meine Mutter sind Schwestern. Man hörte im Familienkreis nichts Gutes über ihn. Jeder wusste, dass er launisch, gewalttätig sei, nicht zu seinem Wort stehe und seine Frau schlage etc. Wie kam es dazu, dass ich diesen Mann heiratete? Oh Gott, es ist schon fast fünfundzwanzig Jahre her. Mit meinem ersten Mann verbrachten ich den Urlaub am Neusiedlersee, also machten wir einen kleinen Besuch bei meiner Tante in Wien. Mein Cousin, er war damals auch noch verheiratet, war anwesend und seitdem ist er mir hartnäckig nachgestiegen. Er rief ein paar Mal täglich an und als einer von unseren Onkeln starb, kam er, was früher nie der Fall war, nach Deutschland zum Begräbnis. Es wurde bekannt, dass seine Frau mittlerweile vor ihm abgehauen ist, und als er mal nicht zu Hause war, räumte sie die gemeinsame Wohnung komplett aus. Damals dachte ich anderes, heute sage ich: Clever! Seitdem hat er mich sukzessiv bearbeitet, dass ich mich auch scheiden lassen und zu ihm nach Wien kommen möge. Das tat ich, und mit meinen 70.000 DM kam ich nach Wien.
Er hatte eine kleine Genossenschaftswohnung, die leer war, weil – wie ich erwähnte – seine erste Frau sie komplett ausgeräumt hatte. Von dem galanten verliebten Mann blieb sehr bald nichts über. Obwohl er mich schlug und beschimpfte, heiratete ich ihn nach drei Jahren in der Hoffnung, dass er sich, wie er es immer wieder versprach, ändern wurde. Seine Eltern schenkten uns die Hälfte vom Grundstück, wo ihr Haus steht, und wir bauten uns da auch ein Haus. Damit wir eine Wohnbauförderung bekommen, nahm ich die österreichische Staatsbürgerschaft an. Das war ein Vorteil für mich insofern, als ich problemlos arbeiten konnte. In einem Jahr war das Haus fertig. Sehr schnell bekam ich mit, dass sein Vater auch gegenüber seiner Frau gewalttätig war. Zu mir war er eigentlich sehr lieb, meine Schwiegermutter, die auch meine Tante ist, spielte in unserer Beziehung eine große Rolle, leider negativ. Sie hat alles kontrolliert, z.B. hat der Postler, statt meine Post in unseren Postkasten zu werfen, diese zu ihr gebracht, sie öffnete alles und las alles.
Ordinärste Beschimpfungen und Schläge, das war in unserer Ehe normal, und auch das Ritual, dass mein Mann von seiner Arbeit zu seinen Eltern ging und erst dann nach Hause. Ich zeigte ihn bei der Polizei nie an, so deppert war ich. Finanziell ging es uns nicht schlecht, wir machten schöne große Reisen.
Mein Mann als Entwicklungshelfer
Die erste größere Disharmonie in unserer Ehe kam bei der Thailandreise. Auf der Straße sprach uns eine Prostituierte an, ich sagte zu meinem Mann, ohne Hintergedanken, dass sie die schönste da sei. Jeden Tag danach blieb er für ein paar Stunden verschwunden, durch Zufall kam ich drauf, dass er bei ihr war. Als ich ihn darauf ansprach, meinte er, dass das Mädchen sehr arm sei, und sie habe ihn gebeten, sie nach Österreich mit zu nehmen. Ob ich etwas dagegen hätte? Ja, ich hatte was dagegen! Seit dem sah er alle meine Schönheitsfehler, plötzlich hatte ich Falten da und da … Ich vermute, dass er das Mädchen später doch nach Wien geholt hat, beweisen kann ich es nicht.
Als mein Schwiegervater plötzlich starb, hetzte die Schwiegermutter meinen Mann ganz offensichtlich gegen mich auf. Er lässt sich von ihr leiten. Er schlug mich auch vor seiner Mutter und der Streit eskalierte so, dass ich psychologische Hilfe suchte. Als er von dieser Beratung erfahren hat, hielt er sich mit dem Schlagen eine Weile zurück. Bei den Stößen gegen mich passte er auf, dass ich nicht blau wurde. Als ich eines Tages von der Arbeit nach Hause kam, sah ich in der Küche an allen Lebensmitteln und auch an der Kaffeemaschine seinen Namen geschrieben. Es blieb mir nichts anderes übrig, ich musste mir die Lebensmittel selber kaufen. Wir hatten zwei Autos, ich einen Mercedes, er ein Polo. Egal wohin ich fuhr, es ist mir immer jemand hinter her, ich kenne die Leute nicht und verrückt bin ich auch nicht. Woher nimmt mein Mann diese Leute her?
Beim Bügeln bekam ich einem Stromschlag, ob es Zufall oder Absicht war, kann ich nicht beweisen. In der Nacht roch ich im Haus Gas, damit haben auch meine asthmatischen Anfälle angefangen. Als ich meinen Mann zur Rede stellte, meinte er, dass ich nicht mehr ganz dicht sei. Mein Fehler war: Ich zeigte ihn bei der Polizei nie an. Stattdessen rief er neuerdings ständig die Polizei an, dass ich ihn bedrohe. Als er sich bei der Gartenarbeit an der Ferse verletzte, zeigte er mich bei der Polizei an. Ich hätte mit dem Messer auf ihn eingestochen, weil ich ihn ermorden wollte; er behauptete auch, dass er aus Angst bei seiner Mama wohne. Zum Arzt ist er aber nicht gegangen. Als ich einmal zufällig im Keller war, sind mir Videokassetten mit Sado-Maso-Szenen, wo ich eindeutig meinen Mann als Darsteller erkannte, in die Hände gefallen.
Ich wurde als psychisch krank dargestellt. Der Gasgeruch war immer wieder da und die Polizei teilte mir mit, wenn ich noch einmal deswegen anrufe, lande ich tatsächlich auf der Psychiatrie. An einem Tag war der Gasgeruch so stark, dass ich die Polizei wieder deswegen rief, sie erwähnten die Psychiatrie und legten auf. Dann rief ich die Frauenberatung an, dass ich ins Frauenhaus gehen möchte, weil ich Angst um mein Leben hätte. Es war im Moment nichts frei, ich solle ins Obdachlosenheim gehen oder die Polizei anrufen. Das tat ich, die Polizei kam und sie brachten mich direkt in die Psychiatrie. Mein Mann und seine Mutter beobachteten alles. In der Psychiatrie sagte ich der Ärztin, dass mein Mann und seine Mutter mich um die Ecke bringen wollen. Sie machte einen Alkoholtest und dann konnte ich wieder gehen. Nein, nicht nach Hause, ich ging in ein kleines Hotel, wo ich schlafen wollte. Da rief mich meine Schwester an, mein Mann habe die ganze Familie in Deutschland informiert, dass ich endlich da gelandet sei, wo ich schon längst hingehöre und zwar in der Psychiatrie! In der Früh ging ich dann nach Hause, mein Mann und seine Mutter waren anwesend. Ich rief die Polizei an, teilte ihr mit, dass ich für sechs Wochen nach Deutschland zu meiner Familie fahre und ungestört meine Reisetasche packen wolle. Die Beamten kamen gleich.
Als ich dann nach sechs Wochen nach Hause kam, sah ich, dass in meiner Abwesenheit eine Frau eingezogen war. Und ich erfuhr, dass mein Mann mich wegen böswilligen Verlassens angezeigt hatte. Trotz Beschimpfungen blieb ich noch ein paar Monate im Haus. Es war schwer, ich wurde ständig beobachtet. Als ich einmal bemerkte, wie die Vögel die Wäsche beschmutzten, die im Garten zum Trocknen aufgehängt war, schrie ich verärgert auf: Jetzt kann ich das schon wieder waschen! Mein Mann und die Mutter hörten das: Jetzt macht sie Selbstgespräche, meldeten sie der Polizei. Die Polizei kam gleich und fragte mich, ob ich bereit sei, mit dem Amtsarzt zu sprechen.
Endlich eine Anzeige wegen Misshandlung
Auf den Arzt warteten wir dann vier Stunden. In dieser Zeit hat die Polizei auf mich eingeredet, dass ich mich scheiden lassen sollte, mir stehe sowieso die Hälfte zu. Ich möchte, dass sich mein Mann scheiden lässt, antwortete ich. Als der Arzt dann endlich kam, meinte er, er kenne mich schon, obwohl ich ihn bis dahin noch nie gesehen hatte. Dann fragte er mich, ob ich mich verfolgt fühle und ob ich Stimmen höre. Verfolgt fühle ich mich schon, Stimmen höre ich keine. Danach holte er meinen Mann und empfahl uns die Scheidung. Mein Mann versuchte allen, klar zu machen, dass das Grundstück nur ihm gehöre, ich bekäme sowieso nichts und die Scheidung werde lange dauern, auch wenn die Anwälte alles verschlängen. Außerdem wüssten alle, dass ich verrückt sei.
Ein Monat danach war die erste Verhandlung, mein Mann kam mit einem Anwalt, ich hatte keinen. Er zeigte dem Richter gleich das Grundbuch, wo ich nicht eingetragen bin. Der Richter belehrte ihn, mir würde rechtlich die Hälfte zustehen. Das machte meinen Mann fix und fertig, warum hatte er den Anwalt mit, der hätte das wissen müssen! Dieser Tag endete dann fürchterlich, mein Mann schlug mich und drohte, er werde dafür sorgen, dass ich meinen Führerschein los werde, weil beide Autos ihm gehören. Die ganze Nacht hatte ich keine Ruhe, in der Früh rief ich die Hotline an, durch Zufall war ein Platz im Frauenhaus frei. Mit den notwendigsten Sachen bin ich da gelandet. Es kam dann zur zweiten Scheidungsverhandlung, ich merkte, dass ich ohne Anwalt keine Chance habe. Mit einer Anwältin vereinbarte ich eine Ratenzahlung.
Nach drei Monaten Aufenthalt im Frauenhaus bot man mir Wohnungen an, die ich mir nicht leisten konnte. Ich sollte arbeiten gehen, dass ich mir zu meiner Pension noch etwas dazu zu verdiene. Oder ich sollte in ein Obdachlosenheim gehen. Aus dem Frauenhaus entlassen, kehrte ich aus Not nach Hause zurück, wo ich von den Nachbarn erfuhr, dass ich in psychiatrischer Behandlung war, gefährlich sei, und dass ich mich in der Nacht auf der Straße rumtreibe etc. Meine Rechtsanwältin war ein Reinfall. Ich nahm meine Scheidungsklage zurück, weil die Rechtsvertretung nur teuer war und nichts gegen meinen Mann ausrichtete.
Ich übertreibe kaum, wenn ich sage, dass das beinahe mein Todesurteil war. Nach zahlreichen Horrorgeschichten, die schwer zu glauben sind, flüchtete ich zum dritten Mal ins Frauenhaus. Als ich da in Sicherheit war, zeigte ich endlich meinen Mann wegen Misshandlung und gefährlicher Drohung an. Die Polizei reagierte komisch. Ich sei schon sattsam bekannt.
In der letzten Zeit wohnte ich bei verschiedenen Bekannten. Mit voller Überzeugung, dass ich es diesmal durchstehe, habe ich inzwischen die Scheidung zum zweiten Mal eingereicht.