Helfen heißt herrschentun & lassen

Illustration: Thomas Kriebaum

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Helfen ist keine leichte Sache. Die einen verweigern die Hilfe prinzipiell für bestimmte Gruppen der Gesellschaft, weil diese die «falsche» Herkunft haben, sie die «falsche» Hautfarbe auszeichnet oder zur «falschen» Klasse gehören. Die anderen fluten sich mit Hilfe, indem sie sich schamlos am Elend der «Anderen» weiden und in ihrem Mitleid selig werden.
Helfen braucht Herz und Hirn. Das Herz braucht es, damit Begegnung überhaupt möglich wird, dass ich mich berühren lassen kann. Den Verstand, um Hilfe zu strukturieren und nicht darin persönlich zu zerfließen. Hilfe nur mit Hirn wird leicht zynisch und kalt, Hilfe nur mit Herz erschöpft sich schnell und ist nicht nachhaltig. Da hilft ein reflektiertes Herz, ein lebendiger Verstand.
«Jede:r kann gewinnen, wenn sie:er nur will.» Das ist eine der ­Parolen der vermeintlich unverwundbaren Superheld:innen. Das hilft dabei, nicht zu helfen. In den letzten Jahren haben sich zwei ideologische Stränge miteinander verwoben. Die Sündenbockgeschichte mit ihrer Kernaussage «Wenn die nicht wären, wäre alles besser», und die Ideologie der Gewinner:innen: «The winner takes it all.» Zum Gewinner blickt man nach oben, beim Sündenbock blickt man nach unten. Mit der Gewinnerin ist man eins, den Sündenbock schmeißt man raus. Daran schließt die Ideologie der Gewinner:innen unmittelbar an. «Selber schuld, wer es nicht schafft!» Sie ist besonders wirkungsvoll, weil sie «Verlierer:innen» beschämt und «Gewinner:innen» bestätigt. Sie stützt die, die es geschafft haben, und hält die, die am Boden sind, still. Doch: Wir alle sind verletzlich. Die Phantasie der eigenen Unverwundbarkeit birgt die Gefahr der Gnadenlosigkeit in sich.
Klar ist aber auch: Solidarität ist etwas anderes als helfen. Solidarität wurde ursprünglich als direkte Alternative zur Wohltätigkeit entwickelt und von «den Schwachen» untereinander gegen «die Starken» praktiziert. Solidarität bedeutet immer auch Misstrauen gegenüber Wohltäter:innen von oben und außen. «Die Schwachen» brachen aus ihrer Situation der Angewiesenheit aus und verweigerten sich der Anerkennung durch «die Starken».
Helfen heißt herrschen. Die Beziehung zwischen Helfenden und Geholfenen ist nicht einfach. Meist ­besteht ein Machtgefälle. Diese ungleichen Verhältnisse können kultiviert oder bewusst in den Blick ­genommen werden. Um ihnen die Gewalt zu nehmen, versuchen eine ganze Reihe von helfenden Initiativen auf Augenhöhe zu gehen.
Stille Begleiter:innen engagieren sich mit Betroffenen beim Projekt mitgehn, die auf Ämtern und Behörden mit dabei sind. «Linkworker» setzen ein soziales Rezept um, das Patient:innen bei ­ihren Interessen unterstützt. Hier geht es um Begegnung, Begleiten, um Assistenz. In der Wiener Wärmestube Häferl gibt es keine Ausspeisung, keine Schlangen, kein Telleraufhalten. Im Häferl wird den Gästen zum Tisch serviert, die helfenden Hände bringen das dreigängige Menü wie im Wirtshaus. Die andere Möglichkeit ist, die Rollen zu verschieben, zumindest zweitweise zu wechseln. Straßenzeitungsverkäufer:innen schreiben Gedichte, spielen Theater. Die Flüchtlingsfamilie backt Kuchen und lädt zur Jause. Jeder und jede hat etwas zu geben. Das Geben ist nicht nur den Wohlhabenden und «Starken» vorbehalten.