«Fisch Krieg» und Luftkrieg. Eine Salzburger GeschichteDichter Innenteil

Schiffsreisen sind nie ohne Gefahr [Foto] (c) Mario Lang

Herr Groll auf Reisen, 375. Folge

Herr Groll und der Dozent saßen im Garten des traditionsreichen Fischrestaurants «Fisch Krieg» an der Salzach. Sie warteten auf die Abfahrt des Panorama-Speedboots Amadeus Salzburg. Dieses Boot ermöglicht laut Prospekt auf seiner Fahrt entlang der Salzach zum Schloss Hellbrunn außergewöhnliche Blicke auf Stadt und Umgebung. Er freue sich auf die Salzburger Wasserspiele, sagte Herr Groll; das Schiff sei neuerdings über eine wunderschöne Rampe auch für Rollstuhlfahrer erreichbar. Seine Freude halte sich in Grenzen, erwiderte der Dozent. Das Ausflugsschiff sei vor einigen Jahren während eines Gewitters gesunken, Gott sei Dank seien keine Passagiere an Bord gewesen. In Budapest sei genau vor einem Jahr ein Schiff dieser Größe bei einer Kollision unter der Kettenbrücke gesunken, da aber seien 21 Passagiere, vorwiegend südkoreanische Touristen, ums Leben gekommen.

Der Dozent verzehrte eine gebratene Forelle aus österreichischer Fischzucht. Er glaube eher daran, dass die Heimat des Fisches in einer Massenfarm in der Türkei liege, erwiderte Groll. Die Türkei sei, was die Forellenzucht anlange, die Nummer eins in Europa, und obwohl die Türken selber wenig Fisch zu sich nähmen, deckten sie den wachsenden Fischhunger der mitteleuropäischen Konsumenten nach Forellen, Zandern und anderen Zuchtfischen.

«Wie dem auch sei», sagte der Dozent. «Jedenfalls ist der Fisch vorzüglich.»

Das freue ihn und stütze die türkische Zahlungsbilanz, sagte Groll und fügte hinzu, dass der Zwang immer und überall regionale und biologisch hochwertige Lebensmittel verzehren zu müssen, am Fischsterben ebenso schuld sei wie die Massenzucht-Oligarchen. Der reichste Mann Norwegens komme nicht aus der Ölbranche, sondern aus der Lachszucht mit den bekannt katastrophalen Folgen für die Tiere und die Fjorde, in denen Millionen Lachse unter Einsatz von Antibiotika und jeder Menge Chemie gezüchtet würden, dennoch alle von Seeläusen und anderen Parasiten verseucht seien. Lachse seien schwimmende Giftcocktails. In der Lachszucht werde den Fischen der Krieg erklärt.

«Ist das der Grund, warum Sie keinen Fisch, nur eine doppelte Portion Erdäpfelsalat verzehren?», wollte der Dozent wissen.

«Es ist der Erdäpfelsalat und nicht der Fisch, der hier für Furore sorgt, verehrter Freund. Bei den Premierenfeiern des Jedermann werden Dutzende Kilo Erdäpfelsalat vom ‹Fisch Krieg› verzehrt. Ein ganzes Dorf im hintersten Pongau ist mit dem Schälen der Grundbirnen beschäftigt.»

«Woran man wieder einmal sieht, dass die Kultur bis in den letzten Winkel eines Gebirgslandes belebend sich auswirkt», stellte der Dozent fest.

«Adorno hätte es nicht schöner sagen können», sagte Groll und griff nach seinem Viertel Weißwein.

Der Dozent griff nach einer Gratiszeitung auf dem Tisch und berichtete.

«Eine unglaubliche Geschichte: Am Höhepunkt des Lockdowns, als selbst Regenwürmer in Quarantäne mussten, landete ein großer Privatjet auf dem Salzburger Flughafen. Es war die Maschine eines russischen Oligarchen, der eine Ausnahmegenehmigung nutzte. Zwei Leute aus der Maschine holten aus einem Zweitsitz-Luxusquartier einen Koffer ab, dann flog die Maschine des Putin-Vertrauten Igor Schuwalow nach Moskau zurück. Der nämliche verfügt über einen feudalen Wohnsitz in der Villa Campeau in Burgau am Attersee. Schuwalow und seine Familie sind zudem für den kostspieligen Einsatz von Flugzeugen bekannt: Olga Schuwalowa, die Gattin des damaligen russischen Vizepremiers, lässt ihre preisgekrönten Corgi-Rassehunde in Privatjets zu internationalen Hundewettbewerben nach Paris und London fliegen.»

«Ja, sollen denn die armen Viecherln den weiten Weg laufen?», erwiderte Groll. «Das wäre schlecht fürs Fell.»

«Ein Flug von Moskau nach Salzburg wird mit 72.000 Euro veranschlagt. Es soll aber Bedarfsflugunternehmen geben, die machen es um die Hälfte. Sie haben erst einen kleinen Schluck genommen. Wie ist denn der Wein?»

«Eigenartig. Es muss sich um eine autochthone Sorte aus dem Hochkönigmassiv handeln. Die Nase erinnert an den Kupferbergbau von Mühlbach, im Geschmack mischen sich junge Tannenzapfen, verblühtes Edelweiß und Reste von verschmorten Gummireifen.»

«Bemerkenswert. Im übrigen ist Edelweiß giftig.»

«Dieser Wein auch.» Groll schob das Glas angewidert von sich.

«Hier steht, dass Ralph Schumacher, der Bruder des armen Weltmeisters, die Salzburger Nobelgastronomie mit seinen Weinen beliefert. Er lässt sie in seinem Auftrag in einer slowenischen Genossenschaft fertigen, in Dobrowo, einem Dorf in den Colli.» Er schob die Zeitung von sich.

»Wenn wir von der Schiffahrt zurück sind, dürfen Sie mich in einem Hauben-Restaurant auf eine Flasche Schumacher einladen», sagte Groll.

«Falls wir je zurückkehren …», setzte der Dozent hinzu.

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