«Herzlich willkommen»vorstadt

Lokalmatador Arthur Fürnhammer

Arthur Fürnhammer würdigt eine Ur-Wiener Einrichtung – mit seinem Tschocherl-Report. Von Uwe Mauch (Text) und Mario Lang (Foto)Der Fremde bestellt ein großes «Sodazitron» und einen kleinen Espresso. Der Wirt nickt, freundlich. Und die Stammgäste im «Café Blackout» in der Margartenstraße binden ihn sofort in ihr Gespräch ein. Willkommenskultur auf gut Wienerisch.

Drei ältere Männer und eine Frau beim ersten Achterl an diesem Freitagvormittag. Sie deuten auf die roten Lackschuhe des Lokalbesitzers und die Fotos von den Rolling Stones an den Wänden. Die Stones und die roten Pock, die sind halt «Seines». Wegen seiner Pock nennen sie ihn auch «Kardinal».

Der Schmäh rennt die ganze Zeit, und die Zeit verrinnt Richtung Mittag. Das «Blackout» ist noch ein Tschocherl vom alten Schlag. Mit seinen nie verstummenden Stammgästen und den Aschenbechern auf den Tischen. Rauchen ist hier noch ausdrücklich erlaubt.

Die grüne Holzvertäfelung, die gut abgesessenen Polsterbänke, das grün-weiße Mosaik an der Schank mit dem Schriftzug «Rapid Wien»: Gibt’s alles nicht im IKEA-Katalog.

Arthur Fürnhammer nippt an seinem «Sodazitron». Der groß gewachsene nun nicht mehr Fremde mit den rotblonden Haaren mag das alles. Er hat in den vergangenen sechs Jahren 44 Original-Wiener Einrichtungen wie das «Blackout» besucht und beschrieben. Mit gutem Auge, nie von oben herab. Seine Porträt­serie startete übrigens im «Augustin» und mündete soeben in einem zweiten Buch: Tschocherl-Report 2 (Löcker-Verlag).

«Für mich war das am Anfang eine Überwindung», gesteht Fürnhammer im ruhigeren, weniger verrauchten Hinterzimmer, wo man nicht gepolstert, dafür auf echtem Holz von Schulsesseln sitzt. «Mich hat interessiert, was das für Typen sind, die am helllichten Tag dort reingehen und im Dunklen drinnen sitzen.»

Er hat seine persönliche Mutprobe bestanden. Schon damals, als er zum ersten Mal das «Café Florida» bei ihm ums Eck in Ottakring betrat, fiel ihm dieser Widerspruch in sich auf: «So wenig einladend die Tschocherln nach außen hin wirken, so herzlich willkommen wird man drinnen geheißen.»

Die nach innen gekehrte Weltoffenheit hat jedoch Grenzen, wie der feinfühlige Autor des Tschocherl-Reports ebenso schnell erfahren musste. Die Grenzen beginnen dort, wo die Vorstellungskraft des Bürgermeisters und seiner Stadträt_innen endet. Das Stammpublikum liest, wenn es liest, in erster Linie die von der Stadt Wien willfährig geförderten Krawallzeitungen.

Und dennoch ist das Tschocherl einer der letzten Begegnungszonen der Stadt, in der die Menschen miteinander reden und füreinander da sind. Bleibt ein Stammgast zwei Tage lang unentschuldigt fern, rufen entweder der Kardinal, die Kellner_innen oder andere Gäste bei ihm an, um sich zu erkundigen, ob Hilfe benötigt wird. Verlässt eine_r «übererfrischt», also wollen wir es nicht beschönigen, sagen wir, wie es ist, verlässt er «b’soffen» bzw. mit einem Blackout das Lokal, ist ihm ebenso Anteilnahme (Geleitschutz) sicher.

Es ist kein Zufall, dass Arthur Fürnhammer diese nicht einfache Gratwanderung zwischen politisch korrekt und menschlich verständlich unternimmt. Der 44-jährige Jurist, Journalist, Musiker und Vater einer Tochter stammt aus einer gut-bürgerlichen Linzer Familie. Doch der vorgezeichnete Weg war für einen, der seine Diplomarbeit über die Wahrheitskommission in Südafrika verfasst hat, nie eine erstrebenswerte Option.

Nicht unbedingt zur Freude seiner Mutter wollte er nicht Anwalt in der Lodenträger-Stadt Salzburg werden; und auch die Mitarbeit in der Rechtsabteilung in einem in Wien ansässigen Pharmakonzern war nichts für ihn: «Sie trug mir ein veritables Bore-out ein, also ein Burn-out aufgrund von zu wenig bzw. zu wenig als sinnvoll wahrgenommener Arbeit.»

Drei Jahre und drei Monate lebte «Art from Austria» auch in New York, spielte Saxofon, studierte Musik am City College in Harlem, verdiente sich Miete und Studium als Fahrer der damals ersten Rad-Rikschas in der westlichen Hemisphäre, plauderte mit Bono von U2 in einer Bar, und vermisste am Ende, ja, er vermisste Österreich. Zurück in seiner Heimat, verdingte er sich eine Zeitlang als Statist im Theater in der Josefstadt. Und über eine Urlaubsreise nach Albanien schrieb er nach dem Vorbild der modernen Reiseschriftsteller sein erstes Buch.

Das «Blackout» ist so gesehen eine weitere Station auf der Reise eines Suchenden und gelegentlich auch an sich Zweifelnden.

Die Stammgäste in dem kleinen Tschocherl im 5. Bezirk sorgen sich indes um die Zukunft ihres dislozierten Wohnzimmers. Der Herr mit den roten Schuhen, sagen sie, hat nicht mehr lange bis zur Pension. Und was wird dann? Aus ihnen? Der Kardinal hört die Sorgen seiner Leute. Er hört alles, bemüht sich daher zu beruhigen: «Solange meine Leber noch mitspielt, bleibe ich euch erhalten.»

Arthur Fürnhammer, der auch Kindersachbücher schreibt (zuletzt erschienen Titel über die Donau und die Alpen), trinkt sein «Sodazitron» aus. Dann erzählt er, was er in anderen Tschocherln erlebt hat: dass Kollegen vom Kardinal in ihrer Pension weiter arbeiten. «Auch, weil sie ihre Gäste nicht vor die Tür setzen wollen.» Habe die Ehre! Der Autor zollt ihnen mit seinem Report ehrlichen Respekt.

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