Herzschmerztun & lassen

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Harlem, der Stadtteil New Yorks mit größter Armut, weist Sterberaten auf, die so hoch sind wie jene von Bangladesh. Der Hauptgrund für die hohen Sterberaten in Harlem ist nicht die Gewalt, auch nicht die Drogen, sondern Herzerkrankungen. Sprung nach London: 17.000 Beschäftigte in Ministerien werden auf Unterschiede in der Sterberate bei Herzerkrankungen untersucht. Die niederen Dienstränge hatten eine bis zu viermal höhere Sterberate bei Herzerkrankungen als die oberen Dienstränge. Nimmt man ihnen Blut ab, finden sich in den unteren Rängen weit höhere Werte des Stresshormons Kortisol als bei den Top-Diensträngen.Dauerhafter Stress geht unter die Haut. An sich ist Stress nichts Schlechtes, er gehört sogar zum täglichen Leben. Stress ist nichts weiter als der Versuch des Körpers, sich in anstrengenden Zeiten an die Situation anzupassen. Wenn aber Entspannung über einen längeren Zeitraum hinweg ausbleibt, wird es gesundheitlich belastend. Dauerhafter Stress kann zu hohem Blutdruck, Gefäßerkrankungen, Infarktrisiko und generell zu einer Schwächung des Immunsystems führen.

Je ungleicher Gesellschaften sind, desto schlechter sind die psychosozialen Ressourcen. Es gibt weniger Inklusion, das heißt häufiger das Gefühl, ausgeschlossen zu sein. Es gibt weniger Partizipation, also häufiger das Gefühl, nicht eingreifen zu können. Es gibt weniger Reziprozität, also häufiger das Gefühl, sich nicht auf Gegenseitigkeit verlassen zu können. Armutsbetroffene finden sich öfter in Situationen wieder, in denen weniger Anerkennung, weniger Freundschaften und weniger Selbstwirksamkeit erfahren wird; dafür wesentlich mehr Beschämung, mehr Isolation und mehr Ohnmacht.

Wo man sich anstrengt und verausgabt, dafür aber nichts Positives zurückbekommt, dort wird es gesundheitsschädlich. Das gemeinsame Auftreten von hoher Verausgabung und niedriger Belohnung macht krank. Der belastende Alltag am finanziellen Limit bringt keine Belohnungen wie besseres Einkommen, Anerkennung, Unterstützung oder sozialen Aufstieg. Dieser schlechte Stress, der in einer solchen Gratifikationskrise entsteht, wirkt besonders bei Menschen in unteren Rängen, die arm trotz Erwerbsarbeit sind, die in den Randbelegschaften und in prekären Billigjobs arbeiten. Die Folge: besonders hohe Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Kein Geld zu haben, macht ja nicht krank. Sondern die Alltagssituationen, die mit dem sozialen Status und mit allen damit entstehenden Vergleichsprozessen verbunden sind. Die Bedrohung des eigenen Ansehens, Demütigung, Stigmatisierung, die Verweigerung von Anerkennung, soziale Disqualifikation all das ist mit verstelltem Aufstieg oder erzwungenem Abstieg verquickt. Höhere Ungleichheit heißt auch weniger Aufstiegschancen nach oben. Und auch höheres Risiko des Absturzes nach ganz unten.

Deshalb ist es nicht egal, ob die Kosten des Finanzdesasters fair oder einseitig aufgeteilt werden. Es ist nicht egal, ob soziale Konflikte bearbeitet oder mit Sündenböcken zugepflastert werden. Die soziale Schere geht unter die Haut. Und sie geht zu Herzen.

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