Hexenjagd und LiebesschwüreDichter Innenteil

In allen Bienenwaben bist du fortgeblieben wie ein quicklebendiger Stein auf Reisen. Tief gelegt und hoch geschaut. Haut verdickt mit Marzipan. Gebrüllt wie eine Schale aus Löwenzähnen in beschaulicher Montur.

Foto: Claudia Christine Magler

Mein Herz hat gepocht bei dem Gedanken an dich. Hure, Hexe und Jungfrau in einem. Wie der Kraft eines Fluches bin ich dir innerlich gefolgt und dann doch in meinem Quadrat aus Gras geblieben. Himmeljauchzen. Kreise ziehen. Alle Täler überfolgen mit zahnlosen Flügeln und heftigem Biss im Schnabel. Und dann – aus dem Off – kam der andere, der nicht verwunschen war – angeblich. Er drang bedrohlich unter meine Wunden mit sanften Gebärden und einem sehnsuchtsgeladenen Kuss. Lippenspuren auf meiner denkenden Stirnfalte. Wärmebehälter und alles jenes, das du damals versprachst, schien in ihm akut real zu sein. Ohne Kalkül, Butter und Schmalz. Heftiges Zerrinnen – aufgehitzte Schokolade. Mantel einer Umarmung. Keine Giftsporen, nur diese Begierde, die mich aufbrechen ließ mitten auf der Kreuzung mit Kreisverkehr. Aufbrechen zu einem Weg, der vielversprechend war. Er sprach: «In deinen Augen habe ich die Parallele zu mir gesehen, doch sind wir unendliche Geraden, die sich treffen.» Ich gab keine Antwort, aber der Gefühle Wahrheit. Keine Schluchten weit und breit, nur Mulden. Keine Berge, nur Hügeln. So lange, bis du manipulierter Stein zu mir zurückrolltest. Nicht als imaginäre Figur, sondern mit Leib und Seele. Du standest vor mir, als ob du jeglicher Prüfung standhalten konntest, nichts zu verbergen hättest. Du standest vor mir als mein Mann, der du gewesen bist, fuhrst mir durchs Haar. Meine Hexenjagd war nun doppelt zu Ende. Ich betrachtete dich lange – Minuten, Tage. Du hieltst stand. Meiner Durchdringung, Exploration, Hoffnungsschärfung und Entschärfung. Macht man auf einem Feld Stichproben über die Gesundheit und das Gedeihen, ging man davon aus, wenn drei Viertel des Feldes als gut befunden wurden, so sei es der Rest auch. So war ich bei dir geneigt, festzustellen, du hättest dich rehabilitiert. Aber mit einem Ruck sah ich sie dann: deine schwarze Seele. Sie präsentierte sich mit Hilfe einer Sprungfeder, als wollte sie sich mit Gewalt zeigen, als wäre sie meine insgeheime Vertraute gewesen. Sie war präsent wie ein heulender Wolf. Einsamer Wolf, der du bist. Ich drehte mich um und ging, flog auf den Boden der Realität, wie welke Blumen es tun. In mir war eine wirsche Klarheit. Sie forderte mich zum Duell. Sie war so deutlich, fast ein Sog ging von ihr aus. Ich ging lange und langsam, zeigte der gesamten Welt meinen Rücken – aus Enttäuschung und aus dem Bewusstsein, dass diese Sequenz in meinem Leben nun ein Ende hatte. Manche Enden sind kurz, man schluckt nur und andere bedürfen der längeren Verdauung. Ich befand mich in klarer Trance – über allem war es glasklar wie gebrannter Schnaps. Und doch bewegte ich mich im Souterrain. In der Retrospektive wusste ich nicht, was mit mit passierte. Das Ende der Endstation war nicht in Sicht. Tunnelblick. Schrittweise. Herkules der Angst. Der Atem flach wie ein Tischtennisball, der nicht übers Netz ging. Schenkelbrust und Benommenheit. Abgeschnittene Haare eines Indianers. Irgendwann nach dieser schieren Endlosigkeit zwinkerte mich eine Wolke an: schwarz und voller Blues. Wir kamen in Dialog, legte mich ins Gras und diese Wolke schien alles zu verkörpern, was hinter mir lag, bis sie verschwand. Zeichen. Gottes Sprache. Schnurstracks stand ich auf, startete meinen Körper und ging in die Arbeit, als ob nichts gewesen wäre. Danach ging ich heim, er rief an. Ich gab ihm mein Du und wir schlitterten in eine geheimnisvolle Melodie. Einmal Mozart, dann Beethoven und Rock ’n’ Roll. Unsere Hände berührten uns gerade, vielleicht waren es manchmal auch nur die Nägel. (a+b)² das waren wir. Ein herrliche Formel. Vorläufiges Ende gut, alles gut. Mit dem klaren Nebel, dem Sonntagsgewitter und einer Zugfahrt in alle Grätzeln dieses Kontinents. Entfärbte Blauäugigkeit.