Hier dürfte ein guter Boden sein …vorstadt

Auf den Spuren des Augustin-Kaffeetscherls

Das Augustin-Kaffeetscherl aus Kuba wird in der Sierra Maestra angebaut, auf den Hängen eines mit tropischen Wäldern bedeckten Gebirges im Osten der Insel. sole noir (Text und Bilder) hat sich das Anbaugebiet angesehen – historisch, biologisch, politisch und vom höchstmöglichen Punkt aus.

Unsere Augen baden im üppigen Grün der Bäume und Sträucher, während unsere Füße im rötlich braunen Matsch stecken. Der lehmige Boden eignet sich ausgezeichnet für den Kaffeeanbau, für Wander_innen allerdings stellt er eine Herausforderung dar. Um die Pfade in der Sierra Maestra begehbar zu machen, sind die teilweise recht steilen Anstiege mit Holzpflöcken befestigt worden. Tausende dieser unregelmäßigen Stufen steigen wir drei Tage lang hinauf und hinab. Einmal gehen wir vom Bergdorf Santo Domingo aus nach Osten auf den Pico Turquino, den höchsten Berg Kubas, einmal nach Westen zur Comandancia La Plata. Wir kehren von diesen beiden Wegen, die mitten im Kaffee-Anbaugebiet liegen, mit Geschichten von Guerriller@s, staatstragend niedrigen Gehältern, uralten Farnen und bunten Vögeln zurück.

Kaffee und Kuba ist eine alte Geschichte. Sie geht auf die Aufstände der Sklav_innen in Haiti von 1792 zurück. Viele französische Siedler_innen und Kolonisator_innen verließen die Insel und gingen nach Kuba. Dort ließen sie sich vorwiegend im Osten, in der Gegend von Santiago de Cuba nieder und begannen dort, den mitgebrachten Kaffee großflächig anbauen zu lassen. Kaffeeanbau bedeutete Sklavenarbeit, und diese machte Kuba zu einem der größten Kaffeeexporteure in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Neue Produktionsweisen, Brasiliens Aufstieg als wichtigster Kaffeeproduzent und die ersten Unabhängigkeitskriege von 1868 bis 78 gegen die Kolonialmacht Spanien brachten den kubanischen Kaffeeanbau immer mehr zum Erliegen, während gleichzeitig der Zuckerrohranbau forciert wurde. Manche der ehemaligen Kaffeeplantagen sind noch erhalten und können besichtigt werden. Zu sehen sind die alten Terrassen, die Herrschaftshäuser, die großen Mahlräder aus Stein, die im Kreis geschoben wurden, sowie die verschiedenen Hals- und Fußschellen mit Ketten als eiserne Monumente der Sklaverei. Seit 2000 stehen einige der alten Anbaugebiete als «einzigartige durch Kaffeeanbau geprägte Kulturlandschaften» auf der UNESCO-Weltkulturerbe-Liste. Heute produziert Kuba in kleineren Maßstäben, es kann seinen eigenen Kaffeebedarf nicht decken und muss, obwohl es Kaffee exportiert, große Mengen importieren. Über Jahrhunderte hinweg hat sich hier eine traditionelle Anbau- und Verarbeitungsweise der Kaffeebohnen erhalten, was der Produktionsmenge eher abträglich, der Qualität des Kaffees hingegen mitunter sehr zuträglich ist.

Auf dem Weg zum Pico Turquino.

Einer unserer Wege auf den Spuren der Serrano-Lavado-Bohne, aus der der Augustin-Kaffee gewonnen wird, führt uns auf den Pico Turquino. Dieser Berg ist mit 1974 Metern die höchste Erhebung Kubas und liegt nur wenige Kilometer vor der Karibikküste. Auf seinen schattigen Hängen, in Höhen ab 800 Metern, wächst diese Kaffeesorte. Wir sehen allerdings vor lauter Wald den Kaffee nicht, denn der Aufstieg führt durch zauberhafte tropische Wälder, die ihr Antlitz auf den über tausend Höhenmetern, die zurückgelegt werden müssen, immer wieder ändern. Die tiefgrünen Pflanzen, die sich mit ihren fleischigen Blättern um die Äste der Bäume winden, weichen allmählich hochgewachsenen Farnen mit dornigen Stämmen. In einem Waldabschnitt, der Bosque de Siguapa, Eulen-Wald, genannt wird, ist das Laubdach so dicht, dass wir unseren Weg in einem silbrig-grünen Dämmerlicht fortsetzen. In den kleinen Lichtoasen, auf den sonnengesprenkelten Blättern, tummeln sich Insekten, farbenprächtige Schmetterlinge und tiefblaue Wespen mit knallorangenen Fühlern. Ab einer Höhe von ca. 1000 Metern gesellen sich Pinien- und spezielle Tannenarten zu den Mango-, Avocado- und Fassbäumen, die entlang des gesamten Weges wachsen. Während des Aufstiegs hören wir auch immer wieder ein seltsam summendes Geräusch. Wie eine riesengroße Hummel klingen die schnellen Flügelschläge der Kolibris, die in den Wäldern der Sierra Maestra herumschwirren und Nektar aus Hibiskusblüten und anderen Pflanzen trinken. George, unser Guide, erklärt uns, dass es hier über 400 verschiedene Farnarten gebe, dass die länglichen Bohnen auf dem Boden die Exkremente von Baumratten seien und dass eine der Lieblingsblüten der Kolibris für Menschen äußerst giftig sei.

Die Sierra Maestra kann nur im Rahmen von geführten Touren durchwandert werden. Die Preise sind verhältnismäßig hoch, eine Zweitagestour kostet 85 Euro. Die Einnahmen teilen sich vier staatliche Agenturen, die inselweit Wander- und Bustouren anbieten. Als Guide verdiene er umgerechnet 15 Euro im Monat, erzählt George, leben könne er vor allem von den Trinkgeldern, die aufgrund der gestiegenen Preise aber weniger würden.

Auf 1300 Metern Seehöhe übernachten wir in einer Berghütte. Es wird früh dunkel auf Kuba, um halb sieben tauchen die ersten Sterne auf. Im Laufe des Abends breitet sich eine ganze Sternenlandschaft über unseren Köpfen aus. Am darauffolgenden Morgen machen wir uns kaffeegestärkt wieder auf den Weg hinauf zum Gipfel und genießen den Ausblick auf die weiten bewaldeten Berghänge ringsum, die tiefen Gräben mit ihren Bächen, die südlich ins karibische Meer fließen, das in der Ferne diesig blau schimmert.

Auf dem Weg zur Revolution.

Dem Pico Turquino gegenüber liegt die Comandancia La Plata, die in der letzten Phase des Guerillakampfes von Fidel, Che und den anderen Revolutionär_innen 1958 angelegt wurde. Es war die erste fixe Kommando- und Versorgungsstation. Von hier aus sendete das Radio Rebelde und wurden die anderen Kommandos mit Essen versorgt, hier hatte der Mediziner Che seine «Zahnpraxis» und empfing Fidel Journalist_innen. Seit 1956 befanden sich die Gueriller@s in den Wäldern der Sierra Maestra, nachdem sie mit der Yacht Granma, nach der auch die Provinz benannt wurde, recht unglücklich von Mexiko aus in diesem Teil Kubas landeten. Die meisten starben im Feuergefecht mit dem Militär, und der Rest flüchtete in die Wälder. Dort bauten die Handvoll Gueriller@s mit der Unterstützung der örtlichen Bevölkerung eine kleine respektable Armee auf. Und hier entschied sich die kubanische Revolution – zumindest dem Mythos nach. Tatsächlich gab es eine breite Basis, die sich gegen den verhassten Diktator Batista stellte: Student_innenorganisationen, Gewerkschaften, Bauernverbände und eben auch die Bewegung des 26. Juli des bereits bekannten Politikers Fidel Castro. Kuba war zu diesem Zeitpunkt zwar ein reiches und modernes Land, aber dies konzentrierte sich auf Teile der urbanen Bevölkerung in Havanna. Die Menschen am Land waren bitterarm, wohnten in primitiven Holzhütten und arbeiteten in sklavereiähnlichen Verhältnissen, meist für US-amerikanische Firmen auf deren Plantagen. Deswegen auch die große Unterstützung für die Gueriller@s im Wald.

Auf der Hälfte des Weges zur Comandancia machen wir bei einem kleinem Gehöft Halt. Ab hier kostet Fotografieren fünf Euro, meint unser Guide George. Er lässt uns im Schatten einer Terrasse rasten und erzählt die Geschichte von der Bauernfamilie, die hier einst wohnte. Trotz einer immensen Kopfgeldsumme verriet sie die Kämpfer_innen nicht, sondern unterstützte sie mit Lebensmitteln. Nach der Revolution revanchierte sich Castro großzügig. Auch hier auf der Terrasse des kleinen Anwesens sind Spuren des Kaffeeanbaus zu finden. Die nass verarbeiteten Kaffeebohnen liegen zum Trocknen ausgelegt in der Sonne. «Der Kaffee wird im Schatten der Bäume angebaut. Der Boden ist gut hier, lehmig, und der Kolibri verleiht ihm eine besondere Note», sagt George augenzwinkernd, als wir bereits wieder unterwegs zu den Hütten der Gueriller@s sind. «Y estar rebelde es buena por la terra», erwidern wir in holprigem Spanisch. Wir erinnern uns an die Worte unseres Unterkunftgebers. Er meinte, diese Provinz sei die rebellischste von Kuba, schließlich begann hier auch der Unabhängigkeitskrieg von 1868. Ja, hier dürfte ein guter Boden sein.