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Seit den 1870er-Jahren diente das Anwesen in der Jagdschlossgasse 25 der Gesundheitsversorgung Wiens. 2013 wurde es privatisiert. Jetzt sind René Benko und die Signa Holding am Zug.
Text: Christian Bunke, Illustration: Much
Jagdschlossgasse 25, das klingt nach einer mondänen Adresse und ist es auch. Das in Lainz gelegene 1,5 Hektar große Anwesen liegt Luftlinie zwischen dem Schlosspark Schönbrunn und dem Lainzer Tiergarten. Die Gebäude haben laut Werbetext der derzeitigen Eigentümerin BAI eine «schlossähnliche Fassade», und die «Großzügigkeit des Parkcharakters spiegelt sich in den Wohnungsgrundrissen räumlich und optisch wieder [sic]».
Von der Schule zum Privatvergnügen.
Ursprünglich diente das Anwesen der Allgemeinheit. 1872 wurde hier eine Heilanstalt für «Nervenkranke» errichtet. 1913 wurden die Anlagen an die Stadt Wien verkauft und seitdem zur Ausbildung von Pflegekräften benutzt. In den letzten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wurde immer wieder saniert und erweitert – es entstanden neue Unterrichts- und Wohnräume, Hörsäle und Prüfungsräume.
2013 war damit Schluss. Die Schule für allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege machte ihre Pforten dicht. Der ÖVP-regierte Bezirk setzte sich dafür ein, die schulische Nutzung des Anwesens aufrechtzuerhalten. «Das wäre dringend nötig gewesen», sagt Bezirksvorsteherin Silke Kobald dem AUGUSTIN. Das zeige sich jetzt daran, dass eine nahegelegene Schule ihren Grünraum für eine Erweiterung verbauen müsse. Stattdessen hätte man die Jagdschlossgasse dafür nutzen können. Doch die Stadt Wien sei «wirtschaftlichen Interessen» gefolgt. «Das ist wirklich traurig», sagt Kobald, um dann noch hinzuzufügen: «Das jetzige Bauvorhaben ist ein gutes Projekt, es wurde eine gute Lösung gefunden.» So bleibe «der Park im vorderen Bereich erhalten». Wird dieser Park für die Öffentlichkeit zugänglich sein? Kobald verneint.
Wer enteignet die Enteigner_innen?
Die Öffentlichkeit hat schon im Jahr 2014 ihre Zugangsberechtigung verloren. Sie wurde enteignet, als die Stadt Wien das Grundstück an die Bauträger Austria Immobilien GmbH (BAI) verkaufte. Diese stand damals noch im Besitz der Bank Austria. 2017 wurde die BAI an die Signa Holding verscherbelt. Dazwischen gab es für einige Tage eine Haus-, oder besser: Schloss-Besetzung. Nach dem Anmarsch der Polizei war dieses Projekt gesellschaftlicher Wiederaneignung schnell beendet. Der Versuch, die Enteigner_innen zu enteignen, löste sich leider wie so oft in geplatzte Seifenblasen auf.
Reden wir über die BAI und deren Mutterkonzern, die Signa Holding. Letztere ist ein regelmäßiger Gast dieser Kolumne. Präziser formuliert wollen wir über die Signa Development Selection (SDS) sprechen. Mit dem Erwerb der BAI ist diese laut eigener Darstellung «zum mit Abstand größten Projektentwickler Wiens» geworden. «Als Teil des langfristigen Geschäftsmodells von SIGNA investiert die SIGNA Development Selection AG in Immobilienentwicklungsprojekte in guten Lagen, abseits von Premium-Innenstadtlagen», heißt es darin weiter. Für die Innenstadt ist ein anderer Signa-Flügel verantwortlich, die SDS betreut Luxusprojekte in Außenbezirken.
Über das Luxusprojekt Jagdschlossgasse 25 gibt es bislang nur dürre Daten. Geplant sind 57 frei finanzierte Eigentumswohnungen mit 79 PKW-Stellplätzen. Vormerkungen sind noch nicht möglich. Auf Anfrage nach weiteren Details gibt man sich im Dezember 2020 bei der BAI bedeckt und vertröstet auf später. Im Verlauf des Jahres 2021 könne man mehr verraten.
Schlossherren Benko, Haselsteiner, Gusenbauer. Jetzt schon kann man einiges über die hinter SIGNA/BAI stehenden Akteure verraten. Signa-Gründer ist der Multimilliardär René Benko, der sich durch eine große politische Nähe zur ÖVP, eine ausufernde internationale Tätigkeit im Immobiliengewerbe sowie eine Teileigentümerschaft bei den Tageszeitungen Kurier und Krone auszeichnet. 25 Prozent an der SDS und somit eine qualifizierte Minderheitsbeteiligung hält laut Firmenangaben der Industrielle und STRABAG-Gründer Hans-Peter Haselsteiner. Außerdem ist auf der SDS-Homepage zu lesen: «Zum Aktionärskreis zählt ebenso die RAG-Stiftung. Diese trägt die Verantwortung für die Finanzierung der Ewigkeitsaufgaben aus dem deutschen Steinkohlebergbau.» Übersetzt handelt es sich bei der RAG-Stiftung um einen Finanzkonzern, der mit dem Kapital der stillgelegten deutschen Tagebau-Industrie international spekuliert. Über die SIGNA-Beteiligung tut er das auch in Wien. Mit der R+V Versicherung (im Eigentum der Volksbanken Raiffeisenbanken) ist außerdem ein deutscher Versicherungskonzern dabei. Damit es nicht ganz so konservativ wird, ist mit dem ehemaligen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer ein echter Sozialdemokrat Aufsichtsratsvorsitzender der SDS. Ihm wird ja gerne nachgesagt, sich mit Korruption auszukennen. Es gilt die Unschuldsvermutung. Als Sozialdemokrat kennt er sich auch mit der Enteignung, vulgo Privatisierung, von Gemeineigentum aus. Dieses Talent ist bei der Jagdschlossgasse 25 sicher nützlich.