Himmel & HellArtistin

Bibliotick

In unsteten Zeiten wendet man sich am besten zweierlei immateriellen Versicherungsträgern zu: dem Horoskop mit seiner unzerrüttbaren Zuversicht und den Heiligen mit ihrem immerwährenden Trost. Letzteren widmet der Schriftsteller und Älpler Bodo Hell einen lexikalischen Essayband, erschienen beim Grazer Literaturverlag Droschl. Sowohl der Glaube als auch sein volkstümliches Geschwisterchen, der Aberglaube, kommen in diesem Bändchen zu ihrem Recht. An irgendwelchen alltagstauglichen Weis- und Wahrheiten mussten die posthum Heiliggesprochenen sich im irdischen Dasein schließlich auch festhalten.
Wir beginnen den Rundgang im Apostelchor der Domkirche St. Stephan zu Wien, wo wir die Grabplatte des «Devisen- und Schlafmützenkaisers» Friedrich III. inspizieren, und schon geht der Strudel los, das AEIOU löst sich aus den Fängen des 15. Jahrhunderts und rast durch die Geschichte, zu Meret Oppenheim, zu Meina Schellander, zur Auftragsvergabe der Salzburg Foundation. Obwohl autonom im Zusammenfügen der Fakten und dadaistisch in der Begriffsfindung für längst verstanden Geglaubtes, bleibt Hell dem historischen Wissen über die Heiligen, ihre Stätten und Artefakte treu – und belegt dabei, wie immens sein eigenes ist. Ist es das Wissen eines autodidaktischen Religionsphilosophen? Oder eines in die strenge Lehre gegangenen Admonter Klosterschülers?
Zwischen Rosalia aus Palermo, dem Byzantinischen Christentum nach Hugo Ball und einer Collage über den schlichten Volksglauben will der titelgebende Eintrag Himmel & Fahrt in einer mehrseitigen «Wortbildungslehre» die «Auffahrt» («Pilgerfahrt Irrfahrt Lustfahrt») in den Himmel nachvollziehen. Was mit dem Wohlklang des Auszählreims – «Ahndl Dirndl Birndl Gestirndl» – loslegt, endet mit der an eine Lokalversion von Qualtingers Bundesbahnblues erinnernden Haltestellenaufzählung vom «Murtal zur Gleinalpe», man kommt durch Zitoll, durch Guggenbach-Pulverwerksiedlung und durch «Guggenbach (ohne nix)», bis man halt aussteigen will, «an allen Sitzen übrigens Haltewunschtasten». Danke, dass Sie mit uns gereist sind, und (so Hells San Ignacio): «KEINE SORGE: ES GIBT GOTT, also schönen Tag.»

Bodo Hell: Auffahrt
Droschl 2019, 176 Seiten, 18 Euro

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