Hinter hohen Mauerntun & lassen

Krieg und Gewalt sind ein einträgliches Geschäft

Der Export von Waffen und Munition aus österreichischer Produktion ist nicht zu unterschätzen. Der Einfluss der Waffen-Lobby ebenso wenig. Christof Mackinger hat sich einen Überblick verschafft.

Foto: Still Weapon of Choice, Polyfilm

Nimmt man den Zug von Wien in Richtung Gänserndorf, so passiert man zwangsläufig den Ort Deutsch-Wagram. Hier, linkerhand des Gleiskörpers erstreckt sich eine lange, weiße Mauer. Keine Aufschrift, ja, nicht einmal ein Graffiti, durchbricht die Sterilität der drei Meter hohen Umfassung. Letzteres dürfte den Überwachungskameras geschuldet sein, die, in der niederösterreichischen Tristesse, die Mauer, und insbesondere das, was sich dahinter verbirgt, bewachen. Hier wird produziert, worauf sich sowohl die US-amerikanische Polizei als auch der rechtsextreme Attentäter Anders Breivik verlassen können: Qualität made in Austria – Handfeuerwaffen der Marke Glock.

Keine Statistik des Todes.

Dabei ist Glock zwar das erfolgreichste, aber nicht das einzige österreichische Unternehmen, das seine lebensgefährlichen Produkte in die ganze Welt exportiert. Krieg und Gewalt sind ein einträgliches Geschäft, und die österreichische Wirtschaft arbeitet stetig daran, ihren Anteil auszubauen.

Der Statistik Austria zufolge haben die Waffenexporte Österreichs letztes Jahr 458 Millionen Euro eingebracht. 2016 wurden exakt 672 Lizenzen zum Verkauf von Waffen über die Staatsgrenzen hinweg vergeben. Wie viele Menschen jährlich durch Waffen aus österreichischer Produktion zu Tode kommen, wird jedoch nirgends festgehalten.

Exportschlager.

Marktführer und bekanntester Exporteur ist das Unternehmen Glock, das 2015 rund 128 Millionen Euro Gewinn einfuhr. Jede Woche verlassen 30.000 Waffen die Produktionsstätten. Der Filmemacherin Eva Hausberger zufolge sind die USA größter Abnehmer der Faustfeuerwaffen. Hausberger hat gemeinsam mit Fritz Ofner für den Film Weapon of Choice (Siehe dazu auch die Kritik von Frank Jödicke auf Seite 9) jahrelang recherchiert. «Den Vereinigten Staaten verdankt Glock seinen Erfolg», so die Co-Regisseurin. In den USA tragen, neben hunderttausenden Zivilist_innen, auch Gangster und Amokläufer, Polizei- und Justizwachebeamt_innen, die Waffen aus Österreich täglich mit sich herum.

Der zweite Exportschlager österreichischen Fabrikats ist das sogenannte Armee-Universal-Gewehr der Steyr-Mannlicher GmbH. Das «Steyr AUG» ist heute eines der bekanntesten Gewehre der Welt und stattet Militärs und Spezialeinheiten in dutzenden Ländern aus. Wiederholt landete es auch bei Diktatoren oder terroristischen Organisationen, wie dem Islamischen Staat. Immerhin gehen 95 Prozent der Produktion von Steyr-Mannlicher ins Ausland.

Gun control.

Die Exportgenehmigungen für derlei Güter vergeben die zuständigen Ministerien. «Normale Waffenexporte, also Jagd-, Sammler-, Sport-, oder Faustfeuerwaffen», erklärt Wolfgang Schneider, Sprecher des Wirtschaftsministeriums, «fallen in unsere Zuständigkeit.» Fallen Waffen unter das Kriegsmaterialgesetz, «das sind dann Panzer und vollautomatische Waffen, militärisches Gut also», so Schneider, sei das Innenministerium für Ausfuhrgenehmigungen verantwortlich. In dieselbe Zuständigkeit fallen Exporte sogenannter «Dual-use-Güter» – Geräte und Instrumente, die sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich eingesetzt werden können. Bekanntestes Beispiel ist die Drohne «Camcopter C-100» der Wiener Neustädter Firma Schiebel, die für wissenschaftliche Zwecke mit Kameras oder Sensoren ausgestattet werden kann. Das unbemannte Flugzeug kann aber auch als Trägersystem für Boden-Luft-Raketen, und damit militärisch, genutzt werden.

Ausfuhrgenehmigungsverfahren sollen sicherstellen, dass keine österreichischen Waffen an Staaten geliefert werden, in denen «ein bewaffneter Konflikt herrscht, ein solcher auszubrechen droht» oder «die Gefahr besteht, dass das gelieferte Kriegsmaterial zur Unterdrückung von Menschenrechten verwendet wird», so das Gesetz im Wortlaut. Zudem ist die Weitergabe der Waffen durch die Käufer_innen untersagt.

Out of control.

Tatsächlich aber wurden österreichische Waffen und Munition in praktisch jedem Krisengebiet der jüngsten Vergangenheit dokumentiert, zum Beispiel in Libyen, Syrien, der Ukraine, in Mali, Afghanistan und dem Irak.

Darüber hinaus stehen selbst offiziell genehmigte Waffenexporte wiederholt in der Kritik: 2015 wurde der Rheinmetall Waffen Munition Arges GmbH aus Oberösterreich der Export von 150.000 Splittergranaten nach Abu Dhabi genehmigt. Dabei führten schon damals die Vereinigten Arabischen Emirate, denen Abu Dhabi angehört, in Koalition mit andere Staaten Krieg im Jemen. Auf Intervention der Grünen wurde damals der besagte Export abgebrochen. Im selben Jahr wurde im Jemen auch der Einsatz einer genehmigungspflichtigen Drohne des Unternehmens Schiebel gegen Houthi-Rebellen bekannt. Noch im Jahr 2013 wurden Waffen und Munition für Saudi-Arabien, Jordanien, Tadschikistan und Mali genehmigt – ebenso von Instabilität, Gewalt und Kriegen gezeichnete Regionen.

Gun control light?

Strengere Exportkontrollen dürften aber auf Widerstand von Seiten der österreichischen Waffenindustrie stoßen. Als 2007 der Firma Glock der Export von Pistolen in den Irak untersagt wurde, drohte das Unternehmen, seine Produktion in die USA zu verlagern – schon war die Genehmigung erteilt.

Von Seiten der österreichischen Bundesregierung droht nun eine Aufweichung des Genehmigungsverfahrens, schenkt man der SPÖ Glauben. Im Regierungsprogramm hat die ÖVP-FPÖ-Koalition «die Schaffung einer Behörde für die Anwendung des Kriegsmaterialausfuhrgesetzes und Außenwirtschaftsgesetzes» angekündigt, kurz: die Neuorganisation des Exportgenehmigungsverfahrens von Waffen und Munition. Was konkret geplant ist, wird bislang nicht bekanntgegeben. Aus dem Innenministerium, heißt es auf AUGUSTIN-Anfrage nur, dass es «derzeit noch keine Pläne zur konkreten Ausgestaltung der Reform» gäbe. Manchen Unternehmen soll, glaubt man Medienberichten, das derzeit mehrwöchige Genehmigungsverfahren zu lange dauern. Die in Österreich ansässigen rund 100 Unternehmen, die mit Waffen- und Munitionsproduktion in Summe 1.5 Milliarden Euro erwirtschaften sind ein Faktor, den die aktuelle Regierung vermutlich nicht ignorieren würde.

Wanted: Abrüstung.

Anderes hingegen, wird konsequent ignoriert: «Statistiken zeigen, dass dort, wo weniger Waffen in einer Gesellschaft verfügbar sind, es auch weniger Tote durch Waffengewalt gibt», erklärt die Filmemacherin Eva Hausberger. Weniger Waffen zu produzieren dürfte aber nicht gerade im Interesse der österreichischen Waffenunternehmen sein.

«Es ist natürlich auch eine politische Entscheidung: Wenn das Schüren von Ängsten eine Strategie ist, dann fügen sich Waffen gut ein», meint Hausberger. «In einer solidarischen Gesellschaft, die auf ein respektvolles Miteinander aus ist, würde man weniger Umsatz machen.»

Bis es so weit ist wird hinter der weißen Mauer in Deutsch-Wagram auch weiterhin emsig produziert werden.

 

Pop, Drop, Cock, Glock

Gewitterdonner über Bagdad. Wie muss sich dieses Naturschauspiel in einer vom Krieg gebeutelten Stadt anfühlen, bei der jeder Donnerschlag ebenso eine Granate sein könnte? So beginnt Fritz Ofners sorgfältig produzierter Film Weapon of Choice, der einer Frage nachgeht, die viel zu selten gestellt wird: Wer produziert all die Tötungswerkzeuge, die Tausenden von Menschen in den Krisengebieten dieser Welt das Leben kosten? Eine Antwort lautet: Österreich.

In einer der besten Szenen des Films sieht man das Werksgelände der Firma Glock in Deutsch-Wagram. Natürlich nur von außen. Das Unternehmen hat in den letzten Jahren kräftig expandiert, und so kam es, dass bei seiner Ausweitung des Betriebsgeländes ein jüdischer Friedhof umflossen wurde. Gerüchteweise soll sich die Firma zur Pflege der Begräbnisstätte verpflichtet haben. Im Film sieht man, dass das Gelände zwischen den Betonmauern zerfallen und verwahrlost ist. Ein besseres und reicheres Bild für Verdrängungsprozesse in Österreich lässt sich kaum finden.

Der riesige Erfolg der Glock-Waffenproduktion ist nicht ohne die Rezeption der Glock-Pistole in der Populärkultur zu erklären. Die legendenumwobene Waffe erschien in den Händen von Bösewichten in Hollywoodfilmen, und sie ist das wohl am meisten besungene Tötungswerkzeug im Hip-Hop, vielleicht weil sich Glock im Amerikanischen so gut reimen lässt, auf «pop, drop, cock». Beim Nachspüren der kulturindustriellen Spuren der Glock hat der Film wohl leichte Schwächen, da er sich trotz hohem Reflexionsniveau nicht völlig frei machen kann von einer gewissen Ambivalenz. Soll die Waffe und die Bedeutungszuschreibungen ihrer Nutzer_innen gezeigt werden, dann wirkt das Objekt zuweilen auch überhöht und «cool». Ein Widerspruch, dem kaum zu entgehen war.

Wie kann dieses Geschäftsmodell, das aus immer größerem Elend immer größere Gewinne macht, toleriert werden? Gaston Glock lebt in Kärnten wie ein russischer Oligarch und darf, wohl weil er Arbeitsplätze schafft, weitgehend unbehelligt exportieren. Glock betreibt ein weltweit agierendes Firmennetzwerk, dem immer wieder Verstrickungen zu Kreisen der Halbwelt vorgeworfen wird. Weapon of Choice geht diesen Affären nach, muss aber letztlich in dem Dickicht ungeklärter Kriminalfälle steckenbleiben. Es gilt natürlich die Unschuldsvermutung. Vielleicht hatte Gaston Glock einfach ein bisschen viel Pech mit seinen Geschäftsfreunden. Sein märchenhaftes Vermögen wird ihm sicherlich ein Trost sein.

Frank Jödicke

Weapon of Choice

Ab 28. September im Kino

www.weaponofchoice.at

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