Hinter Schloss und RiegelArtistin

Philippe van Leeuws Film über den Alltag im Krieg

Es ist früh am Morgen, Vogelgezwitscher ist zu hören, dann Hubschrauber- und Geschützlärm. Die Sicht fällt auf ein Hintergässchen in einer offensichtlich von schweren Kämpfen betroffenen Stadt, ein Menschengrüppchen stiebt auseinander, als ein Heckenschütze das Feuer eröffnet.

Foto: Filmladen Filmverleih

Ein alter Mann beobachtet die Szene aus dem Fenster einer Wohnung, der Kamerablick schweift durch den Raum, ein ganz durchschnittliches bürgerliches Wohnzimmer mit vollbestückter Bücherwand. Der Schwenk endet an der Eingangtür mit mehreren Schlössern und massiven Riegeln. So beginnt der Film «Innen Leben» des belgischen Regisseurs Philippe van Leeuw, der einen Tag lang das Leben einer Gruppe von Menschen zeigt, die sich inmitten eines Kriegsgebiets in einer Wohnung verbarrikadiert haben.

Der Originaltitel des Films lautet «InSyriated», und insofern ist der Ort der Handlung durchaus eindeutig bestimmt, dennoch geht es van Leeuw nicht nur darum, auf die leidvollen Erfahrungen der Zivilbevölkerung in einem konkreten vom Krieg betroffenen Land aufmerksam zu machen. Dadurch dass auf politische, historische oder auf persönliche Hintergründe des Geschehens gar nicht eingegangen wird und alle Szenen innerhalb einer Wohnung und ihrer unmittelbarsten Umgebung spielen, könnte «Innen Leben» genauso gut an einem anderen Ort oder in einer anderen Zeit situiert sein. Es geht also weder um Faktenvermittlung noch ums Aufzeigen von Ursachen, großen Zusammenhängen oder Lösungen, sondern um das Sichtbarmachen des Existierens «normaler» Leute in einer Lage, in der eine Extremsituation bereits Alltag geworden ist. Die Sicherheit innerhalb der vier Wände ist nur eine relative, der Handlungsspielraum der Protagonist_innen äußerst gering. Der Film trifft Zuseher_innen zunächst auf der emotionalen Ebene, Beklemmung stellt sich ein. Hoffnung lässt der Film zu, Antworten verweigert er, im Gegenteil «Innen Leben» ist ein filmisches «Buch der Fragen».



Ab 23. Juni im Kino

www.innenleben-film.de

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