Hirntschechern: LeserInnen debattierenArtistin

Anfang dieses Jahres besuchte der Musiker, Kabarettist und Schimpfwörtersammler Richard Weihs die AUGUSTIN-Schreibwerkstatt. Er stellte sein Schimpfwörterlexikon „Wiener Wut “ vor und bat sein Publikum um zusätzliche Anregungen, die er in die kommende zweite Auflage einarbeiten würde. Der Begriff „Hirntschecherant “ wurde genannt. Wir berichteten. Einen Deutungsversuch lieferte Architekt Maczek-Mateovic in der Ausgabe Nr. 69 nach: Hirntschechern beschreibe die schlimmste Form des Alkoholismus, nämlich die Unsitte der gefallensten Sandler, puren Alkohol zu sich zu nehmen. Diese Interpretation provozierte weitere Leser. Einig sind sie sich – gegen Maczek-Mateovic – darin, dass Hirntschechern nichts mit Saufen zu tun hat.

Es gibt soviele kluge Köpfe (Ernst Maczek-Mateovics), dass ich auch einmal einer werden will! Im Bayrischen gibt es ein Wort für schwere Arbeit: Tschoch (Originalschreibweise: a mit Ringerl oben). Ethymologisch habe ich keine Hinweise gefunden. Es könnte Mittelhochdeutsch sein. Das wienerische Tschechern könnte von Cech (Tschech) kommen, die ja früher unsere Bau- und Ziegelarbeiter waren. Ein Tschecherl könnte möglicherweise ein kleines Lokal von Tschechen gewesen sein. Wo wahrscheinlich wie überall sonst gsoffen worden ist. Noch in den 70er Jahren habe ich in Strafhäusern von alten Haflingern den Ausdruck „Hirntschechern “ gehört, womit permanente Grübelei, Sorgenschieben von Introvertierten bezeichnet wurde. Denken selbst ist ja bei durchschnittlichen Haflingern auch „Schwerarbeit „. Wenn „Tschoch „, resp. „tschechern “ (was ursprünglich schwer arbeiten bedeutete) nicht von Tschech (Cech) kommt, gebe es noch eine Möglichkeit: Tschaiken, das waren noch in der Monarchie ungarische Ruderschiffe, die ihnen von den Türken überkommen waren und von einfachen Soldaten gerudert wurden, was ja auch eine Schweinearbeit war (die Donau war ja damals noch nicht begradigt). Die Sandlerversion vom puren Alkohol halte ich für eine Interpretation vom Zeigefinger des Herrn Gutbürger, da der Sandler wohl selbst der letzte ist, der sich bewertet, oder Hierarchien aufbaut. Erst zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts hat sich (speziell im Heurigenmilieu) das „Tschechern “ für „Saufen “ eingebürgert. Was wohl auf das Tschecherl hinweist, jedoch nicht auf den Tschoch…. Wen könnten wir fragen?

Walter, E-Mail

Liebe, bewundernswerte Leute, es ist vielleicht nicht so wichtig, und vielleicht habt ihr schon längst vor meiner eine Reaktion zur Frage nach dem Hirntschecheranten erhalten. Ein Hirntschecherant ist ein Mensch, der sich zumeist mit Gedanken über sein unglückliches Leben und Schicksal abquält – Meistvorkommnis: Häftlinge in Einzelhaft. Wie der euch schreibende Architekt zu seiner Definition kam, wäre klärungsbedürftig, aber schlussendlich wuascht.

Wilhelm Schreiber, Wien 19

Eine Gegendarstellung zum Leserbrief des Herrn Ing. Ernst Maczek-Mateovics! Sehr geehrter Herr Ingenieur! Das Wort „hirntschechern “ kommt eigentlich aus den Gefängnissen und bedeutet „gedankenwälzen „. Da ich wegen Eigentumsdelikten etwas mehr als zehn Jahre in Gefängnissen (Stein, Suben etc.) verbracht habe, ist mir dieser Begriff schon an die 20 Jahre geläufig. Wenn jemand in seiner Zelle nur so daliegt und in die Luft, auf einen nicht vorhandenen Punkt, starrt, schaut er ins Narrenkastl, oder er tut eben hirntschechern. Was Sie meinen, Herr Ingenieur, ist ein ganz gewöhnlicher Tschecherant, ein Trinker. Tschecherant stammt aus dem Rotwelsch bzw. aus der Gaunersprache. Ich würde Ihnen das Buch von Wehle empfehlen, ich glaube es heißt „Die Wiener Gaunersprache “ oder so ähnlich.

Werner Steinermann, obdachlos

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