Hirsch Fisch am frühen MorgenArtistin

Musikarbeiter unterwegs … Colonel Parker, Joseph Roth, tiefes Österreich und altes Flex

Hirsch Fisch heißt das Debüt des gleichnamigen Duos, erschienen bei Early Morning Melody. Feines Album, feines Label. Von Rainer Krispel (Text) und Mario Lang (Foto).

I geh obi an die Donau/Bind ma an Stan umman Hois/Hupf in des koite Wossa/Im Winta is koit.» So die erste Strophe des ersten Liedes des Ende 2017 erschienenen Albums von Hirsch Fisch. Das sind Norbert Trummer und der schwimmer aka Klaus Tschabitzer. Die beiden spielten bei der legendären 1991 gegründeten Band Scheffenbichler, blieben nach deren Auflösung in freundschaftlichem Kontakt und kooperierten immer wieder künstlerisch. ­­«I bin von meim Hauptgeschäft her bildender Künstler, mache Zeichnungen, Malerei und Trickfilme, Klaus hat als schwimmer immer wieder diese Trickfilme vertont», erzählt Norbert. Dessen Songs und (meist) Dialekt-Texte sind das Hirsch-Fisch-Grundmaterial, Tschabitzer sieht seinen Johnny Schwimmer als klassischen Sideman und Erfüllungsgehilfen, der (etwa am Banjo) in Form und Erscheinungsbild wirkt. Mit songorientiertem Selbstverständnis, das er mit einer Anekdote über Lester Young (US-Saxophonist, Anm.) illustriert. Dieser habe sinngemäß einem übereifrigen Kollegen ausgerichtet, dass er keine Tonleitern, sondern die Texte der Stücke lerne, weil er zu diesen etwas erzählen wolle. Erzählen tun Hirsch Fisch viel. Winken uns bei Des eiskoite Wossa am Weg zum Grund gerade noch die Fische zu, sind wir beim nächsten Lied Paddelboot in selbigem bis Hainburg unterwegs, sehen Fischahittn, Schotterbänke, Biber und zuletzt, in der Schnellbahn: «Da Himmel vull mit bunte Forbn/Orange, rot, gelb, türkis/Lauter rosarote Wolken». Das alles mit und zu einer wunderbaren, «einfachen», reichen Meta-Country-Musik mit Hit-Refrains wie

«Insekten, Insekten».

Lotterieträumer statt tanzender Hühner.

Die beiden Hirsch Fische teilen die Herkunft Steiermark, die von Norbert angerissenen Animositäten zwischen Ober- und Untersteiermark wollen wir aber nicht näher erörtern. In Wien lernen sie sich in den 1980ern kennen, im Freundeskreis um den 2016 verstorbenen Maler und Musiker Dieter Preisl (Drummer von Scheffenbichler und schwimmer) spielte sich einiges ab zwischen Kunst und Musik. In letztere steigt Trummer aktiv ein (mit Velvet Underground, Kevin Coyne und Residents sozialisiert), als ihm Freunde in Italien ein Kinderakkordeon schenken. Auf diesem, später einem «großen», klimpert er und kommt so auf Texte, Melodien, Refrains. Die Gründung von Scheffenbichler erfolgte auf dem Rückweg aus Italien. «In Mondsee essen wir, Klaus schaut in die Speisekarte und sagt – Wow, Apfelstrudel Helmut Scheffenbichler, ein super Bandname!» Beim neuen Duo lieferte Klaus Listen mit möglichen Namen, unter anderem inspiriert von Colonel Parkers tanzenden Hühnern (ein Projekt vor Elvis), was Norbert aber too much erschien für ein Duo. Mit Hirsch Fisch, dem Lotterieträumer aus Joseph Roths Roman Hotel Savoy, fühlten sich beide wohl. Ganz ohne Lotterietraum von Gewinnzahlen haben seither immer mehr Menschen ein Glück mit ihrer Musik, Hirsch Fisch und wir alle jenes, dass mit Early Morning Melody ein Label da ist, dass ihre im Proberaum realisierte Musik veröffentlichte, so wie die 2010 der Band nachgeschickte

Scheffenbichler 7-inch, Staub.

Recording Friends Since 1999.

Mit Hannes Surtmann, ebenfalls in der Steiermark (Judenburg) verwurzeltem Wahlwiener, lässt es sich wunderbar über Musik und Label­(-Arbeit) reden. Early Morning Melody betreibt der bekennende Vinylsammler gemeinsam mit Anna Steiden und Gernot Döttelmayer. Hannes ist einer dieser Menschen, deren Leben und soziales Umfeld von Musik durchwirkt sind, so stoßen wir als Zeitgenossen auf gemeinsam im alten Flex Arndstraße erlebte Gigs (Lungfish!). Begeisterungsfähigkeit und Kenntnisreichtum führten zu Labelarbeit, konkret angestoßen von Villalog, deren Qualitäten und Potenziale prompt Vertriebsbegehrlichkeiten auf den Plan riefen. Hannes spricht diskret von frühem «Lehrgeld» und einem Sinn für Realitäten, der heute manchmal «Hirngespinste» vertreibt. Gleichzeitig bleibt der biographisch vielseitige derzeitige Elementarpädagoge in Ausbildung unbeirrbar dabei, dass es Musik gibt, «die einfach dokumentiert werden muss». Der Katalog ist entsprechend gespickt mit klingenden Preziosen, ich sage jetzt nur der schwimmer, Spring & The Land oder verweise auf die großartige Single der alten Wiener Neustädter Band Westblock. Stilistische Scheuklappen sind kein Thema, schon mäandert das Gespräch zu Dub und anderen Abenteuermusiken. Der musikalische Enthusiasmus gebiert Sorgfalt, die Releases schauen gut aus und klingen gut. Mit einem essenziellen Verständnis von «Friendship» ergibt sich ein vermeintlich simples Handlungsprinzip von Early Morning Melody: «Im Rahmen unserer Möglichkeiten versuchen wir das Optimum rauszuholen, was könnte man tun für die Band, in dem Moment.»

 

Hirsch Fisch: Same

(CD, Early Morning Melody)

www.schwimmer.at

www.earlymorningmelody.com