Orwell im Volkstheater
Eine Durchsage bittet das Publikum, die Handys eingeschaltet zu lassen, damit der Datenfluss weitergeleitet werden könne. George Orwells «1984» auf der Bühne des Volkstheaters versammelt Kim-Jong-un-Klone in beigen Uniformen, die Trumps «alternative Fakten» verinnerlicht haben.
Foto: Martina Nowak
m-Höhle oberhalb der Bühne finden Bilder permanenter Überwachung einen Rahmen. Winston Smith, der Hauptakteur des dystopischen Romans aus dem Jahr 1949, der von einem totalitären Überwachungsstaat erzählt, fällt mit seinem analogen Tagebuch naturgemäß aus der Zeit. Verstecken ist zwecklos, jede seiner Bewegungen wird auf einen der sechs Screens übertragen, wenn der unverbesserliche Nostalgiker seine Erinnerungen in das Büchlein kritzelt. Währenddessen löschen Kim-Jong-un-Beamte eifrig in den Video-Archiven ganze Familien aus dem kollektiven Gedächtnis. Einzig Winston, in Rainer Galkes Gestalt, leistet störrischen Widerstand. Die geforderte Sprachverknappung, das Umerziehungs- und sportliche Ertüchtigungsprogramm prallt an seinem Körper ab. Dem Denken und der Erinnerung abzuschwören ist er – noch – nicht bereit.
Es sind gar manche Lektionen zu lernen, die auf der Bühne mit aktuellem Anschauungsmaterial aus der Trickkiste politischer Weltführer untermauert werden. Der mächtige Mann mit der orangen Haupthaar-Welle erweist sich als Fundus, der ausgiebig geschöpft wird. Etwa bei «Doppelsprech» – an einander Widersprechendes glauben und Lügen erzählen, die man selbst glaubt. In Orwells Zukunftsvision findet auch die Liebe einen Platz. Zu den stärksten Momenten der Inszenierung gehören die Momente zwischen Galkes Winston und Katharina Klars Julia. «Sie können mich zwingen, alles zu sagen, aber nicht es zu glauben» allerdings erweist sich als Utopie. Am Ende landen die beiden im «Ministerium für Liebe», wo ihre Gehirne, mit Kulinarik gefoltert, zu Gemüse werden. «Gehen sie shoppen», lädt Winston das Publikum ein und verweist damit auf die längst freiwillig vollzogene Aufgabe an einen überwachten Konsum.
3., 9., 13., 14., 23., 26. und 30. Jänner, jeweils 19.30 Uhr
Volkstheater
7., Arthur-Schnitzler-Platz 1
www.volkstheater.at