Die Abenteuer des Herrn Hüseyin (139)
Herr Hüseyin dokumentiert an diesen kalten Novembertagen die «Literatur im Herbst» im Wiener Odeon. Das Thema ist dieses Jahr «Der utopische Raum». Es sind viele vortragende Literat_innen, Wissenschaftler_innen. Es gibt auch eine Podiumsdiskussion mit Politiker_innen von verschiedenen Parteien. Sie erzählen über ihre Utopien in der Stadt, für die sie als Politiker_innen fungieren. Herr Hüseyin schaut durch die Linse und versucht, wenn sie ihre Köpfe zeigen und ins Publikum schauen, zu knipsen. Oft verdecken Mikrofone die Gesichter. Auf den richtigen Moment warten und auf den Auslöser der Apparatur zu drücken. Meistens sind die Lichter ganz oben angebracht. Dadurch fällt auf die Augen der Abgebildeten der Schatten der Augenbrauen. Dann hat man zwar die richtige Belichtung, aber schwarze Augen.
Es ist ein komisches Gefühl für den Hüseyin. Es wird sehr viel über Utopien gesprochen. Dass ein Deutscher mit seinem deutschen Pass 154 Länder bereisen darf. Ein Österreicher in mehr Länder als ein Deutscher ohne Visum einreisen darf. Herr Hüseyin als Kurde gehört einem Volk an, das 40 Millionen zählt, und hat nicht einmal ein Land. Außerdem ist ihr ursprüngliches Siedlungsgebiet in vier geteilt. In keinem dieser Länder haben sie kulturelle Rechte. In der Türkei werden sie alle als potenzielle Terrorist_innen gesehen. Im Iran werden sie öfters erhängt. In Syrien werden sie verraten. Im Irak versuchen sie trotz vieler Schwierigkeiten eine autonome Region aufrechtzuhalten.
Hüseyin wünscht sich ein freies selbstständiges Kurdistan. Aber das wird er selbst gar nicht erleben. Das wird seine Utopie bleiben. Solange der Westen mit seinem Kapitalismus Waffen produziert und in diese Regionen verkauft, wird es kein Kurdistan geben. Solange die Nato solche Länder wie die Türkei als Mitglied hat, wird es kein Kurdistan geben.
Es wird wieder Frühling werden und die Zugvögel werden zu uns kommen.
Ihr Hüseyin