Über Waffengeschäfte, die die Republik erschüttern hätten müssen
Über die Hypo Alpe Adria (HAA) wird derzeit viel geschrieben, ein Kapitel wird jedoch stiefmütterlich behandelt, obwohl es möglicherweise den Schlüssel dazu liefert, warum die Bank am Balkan einen derart kometenhaften Aufstieg erlebte, warum zugleich so viele der von ihr finanzierten Projekte mafiotisch verglühten und warum die Politik so lange eine schützende Hand darüber gehalten hat.
Die Rede ist von der Involvierung der Bank in die Finanzierung des kroatischen Sezessionskrieges 1991-1995. Wobei das Wort «Involvierung» deutlich zu tief gestapelt sein dürfte. Damir Kajin, kroatischer Ex-Präsidentschaftskandidat, meint etwa, die Kärntner Hypo sei «nur durch kroatisches Geld, das in den frühen 90er Jahren für Waffenkäufe bestimmt war, groß geworden» («Kleine Zeitung», 27. 8. 2010). Tatsächlich gibt es viele Indizien dafür, dass die HAA eine, wenn nicht sogar die entscheidende Bank war, über die die Finanzierung der Waffenlieferungen für den zunächst von Berlin und Wien bzw. bald darauf von Brüssel und Washington angeheizten kroatischen Sezessionskrieg (1991-1995) abgewickelt wurde. Das war in jeder Hinsicht illegal, immerhin gab es ein UNO-Waffenembargo, und die österreichische Neutralität untersagt jeden Waffenexport in Kriegsgebiete.
Eine Schlüsselrolle spielte dabei Vladimir Zagorec, Exgeneral und kroatischer Vizeverteidigungsminister (1994-2000). Er ist jener Mann, «ohne den es in den Neunzigern wohl keine kroatische Armee gegeben hätte und somit auch keinen Staat Kroatien» («Die Presse», 14. 3. 2007), da er dafür sorgte, dass die Waffen am UNO-Embargo vorbei auf die Schlachtfelder des Balkans geschleust wurden. Die Waffengeschäfte von Zagorec liefen über die Hypo Alpe Adria. Der Journalist Richard Schneider, der in seinem Buch «Tatort Hypo Alpe Adria» die Hintergründe des Bankenskandals ausleuchtet, kommt zur Einschätzung: «Die Entwicklung des Hypo-Skandals geht parallel mit der Entstehung Kroatiens. Zagorec ist eine Schlüsselfigur; er hat mehr Waffen eingekauft, als Kroatien jemals gebraucht hat. … Die staatliche Agentur – General Zagorec war deren Chef – hat Waffen besorgt; diese Agentur hat Konten in Kärnten gehabt, in Klagenfurt und Villach. So sind diese Leute zum Geld gekommen, es wurde über die Hypo irgendwie verteilt.»
Zagorec hatte nicht nur seine Konten bei der Kärntner Landesbank, er betrieb schließlich auch gemeinsame Immobiliengeschäfte mit dem Ex-Leiter der Hypo-Filiale in Wien, Peter Illetschko. Die Hypo zahlt das Lösegeld für den entführten Sohn von Zagorec. Ohne sonderlichen Wert auf Sicherstellungen zu legen, half die Hypo Zagorec mit Krediten, die von der kroatischen Steuerfahndung auf 260 Millionen Euro geschätzt werden, ein windiges Immobilienimperium in Istrien und Dalmatien aufzubauen. Dass Zagorec im Zuge seiner Waffenschiebereien Edelsteine im Wert von fünf Millionen Euro in der eigenen Tasche verschwinden ließ, wurde ihm schließlich zum Verhängnis. Als deshalb der Boden in Kroatien für den früheren «Kriegshelden» in der Nach-Tu?man-Ära zu heiß wurde, machte sich der Hypo-Vorstand für die Einbürgerung von Zagorec stark, um ihn der Verfolgung durch die kroatischen Behörden zu entziehen. «Herr Zagorec ist uns seit 1993 bekannt … und unterstützte die Bemühungen zur Gründung der Hypo Alpe Adria Bank Kroatien auf sehr professionelle Weise», heißt es in einem Empfehlungsschreiben des damaligen Hypo-Vorstandes Günter Striedinger. Die Bank wäre froh, «falls wir mit unserer positiven Erfahrung dazu beitragen könnten, dass Herr Zagorec die österreichische Staatsbürgerschaft erlangt» («Die Zeit online», 23/2011).
«Denkmäler für Mock und Vranitzky»
Als dann für Zagorec doch die Handschellen klickten, verriet der frühere General Details über die sinistren Waffengeschäfte, die eigentlich die Republik erschüttern hätten müssen. Denn über Österreichs Hypo lief offensichtlich nicht nur die finanzielle Abwicklung der Aufrüstung der kroatischen Armee. Österreichische Betriebe selbst lieferten maßgeblich die Waffen – mit höchster politischer Rückendeckung. Zagorec: «Die kroatische Armee verwendete etwa das Scharfschützengewehr SSG 69 der Firma Steyr mit Munition von Hirtenberger aus österreichischer Produktion. … Bei seinem Ausscheiden aus der Politik im Jahr 2000 habe er eine Dokumentation über die Waffenkäufe an zuständige kroatische Behörden übergeben, eine Kopie sei aber auch bei seinem Anwalt hinterlegt.» Zagorec weiter: «Wir können gerne alles rekonstruieren. Waffen, Zahlungsflüsse, Seriennummern und so weiter. Die Frage ist nur, ob Kroatien und die involvierten Länder das auch wollen.» Warum die österreichische Politik das auf keinen Fall wollte, lässt sich rasch erahnen. Zagorec: «Ich versichere Ihnen, dass man keine Waffen ausführen kann, ohne die Genehmigung der Politik zu haben. Auch nicht aus Österreich.» Die Antwort auf die brennende Frage, welche politischen Ebenen da ihre Finger im Spiel gehabt haben, erschließt sich problemlos aus den weiteren Äußerungen von Zagorec: «Kroatien solle Außenminister Mock ein wirklich großes Denkmal widmen. Auch Ex-Kanzler Franz Vranitzky stehe eines zu. Aber ich meine, dass Mock das größere kroatische Denkmal verdient hat» («News», 14. 11. 2007)
Halten wir für einen Moment inne, um das zu verdauen: Eine Kärntner Landesbank mausert sich durch illegale Waffengeschäfte zum Big Player am Balkan, das Kriegsgerät selbst stammt nicht zuletzt aus österreichischen Waffenschmieden. Bundeskanzler und Außenminister (für die selbstverständlich die Unschuldsvermutung gilt) stehen im dringenden Verdacht, diese kriminellen, neutralitätswidrigen, völkerrechtswidrigen Machenschaften in einem Ausmaß unterstützt zu haben, dass ihnen die übelsten Waffenschieber «Denkmäler» dafür errichten wollen.
Eigentlich wäre das ein klassischer Fall für den § 278a, den berühmt-berüchtigten «Anti-Mafia-Paragrafen». Da es sich aber nicht um Tierrechtsaktivist_innen oder anderweitig engagierte Basisaktivist_innen handelt, sondern um die oberste Staatsführung, interessiert sich niemand dafür. Nicht die Staatsanwaltschaft und nicht die Führungen der Oppositionsparteien: FP-Chef Haider war ohnehin mit von der Partie. 1999 steigt er als neuer/alter Kärntner Landeshauptmann voll in das mafiotische Geflecht der Hypo-Alpe-Adria am Balkan ein, das er bereits zu Beginn der 90er Jahre, gemeinsam mit rechten Burschenschafterkreisen, einzufädeln geholfen hatte. Auch die grüne Parteispitze hat wenig Interesse, diesbezüglich in die Tiefe zu bohren, immerhin gehörte sie – zusammen mit Alois Mock – von Anfang an zu den ideologischen Einpeitschern des kroatischen Sezessionskrieges. Und schon gar nicht interessiert sich die «westliche Staatengemeinschaft» dafür, dass hier Völkerrecht mit Füßen getreten wurde. Man darf getrost vermuten, dass Vranitzky, Mock, Haider & Co ihrerseits mit oberster europäischer Rückendeckung agiert haben. Die Balkankriege zu Beginn der 90er Jahre firmieren in politwissenschaftlichen Kreisen immerhin als «Genscher’s War», da die deutsche Außenpolitik zu den maßgeblichen Brandstiftern am Balkan zählt. Die multiethnische, blockunabhängige Bundesrepublik Jugoslawien galt den Berliner Machthabern als «gänzlich uneuropäische Macht» («FAZ»), deren Destabilisierung nach Kräften gefördert wurde. Die NATO-Bombardierung Jugoslawiens ließ der deutsche Kanzler Schröder als «europäischen Gründungsakt» hochleben.
«Größter Kriminalfall Europas seit dem 2. Weltkrieg»
Aus Mafiafilmen wissen wir: Nichts schweißt Gauner mehr zusammen als gemeinsam begangene Verbrechen. Das könnte auch einige der weiteren Entwicklungen der Kärntner Skandalbank erklären. Die Kriegsgewinnlerbank war offensichtlich durch diese illegalen Kriegsgeschäfte engstens mit der neuen kroatischen Staatsführung um den Autokraten Franjo Tu?man und seine Partei HDZ liiert. Diese bediente sich nun der Hypo, nicht nur um ihre Wahlkämpfe zu finanzieren, sondern um öffentlichen Reichtum im großen Maßstab in die eigenen Taschen zu privatisieren. Zu diesem Ergebnis kommt ein Report des kroatischen Inlandsgeheimdienstes SOA: Tu?man habe Mitte der 90er-Jahre gemeinsam mit seinem Vertrauten Ivi? Pašali?, dem Generalsekretär der nationalistischen Regierungspartei HDZ, den Plan gefasst, «200 Familien die Verfügungsgewalt über das kroatische Staatseigentum» zukommen zu lassen. Pašali? sei deshalb in Verhandlungen mit der Hypo Alpe Adria getreten. «Die politische Führung wählte die Hypo Alpe Adria deshalb aus», heißt es in dem Dossier, «weil sie über diese Bank mehr als eine Milliarde ausgesaugten kroatischen Geldes in Umlauf gebracht hatte, das mithilfe von Parainvestmentfonds, die von der Hypo Alpe Adria erdacht worden waren, kontinuierlich nach Italien, Liechtenstein, die Schweiz und wieder zurück nach Kroatien floss» («Die Zeit», 20/2010). Laut diesem Geheimdienstbericht ist der kroatischen Teil der Hypo Alpe Adria «von Anfang an als Dienstleistungsbetrieb der politischen, medialen und wirtschaftlichen Oligarchie» konzipiert worden: «Sie alle bekamen von der Hypo Kredite und halfen im Gegenzug bei der Realisierung von Projekten, die der eigenen Geldwäsche dienten.»
Diese auf Kriegstage zurückgehenden kriminellen Seilschaften, die sich oberster politischer Rückendeckung erfreuten, liefern die Erklärung dafür, warum bei der Hypo so irrwitzig viele Kredite «faul» wurden. Möglicherweise sind hier auch Antworten auf viele andere Fragen rund um diesen Skandal zu suchen: Warum etwa die Notenbank beim Verkauf an die Bayern LB beide Augen zudrückte und sich auch sonst die Behörden auffällig desinteressiert an den dubiosen Geschäften der Bank zeigten, oder auch warum sich die österreichische Regierung in einer Nacht- und Nebelaktion die Ramschbank per «Notverstaatlichung» auf Druck von Berlin und Brüssel wieder um den Hals hängen ließ.
Der Fall der Hypo Alpe Adria ist nach den Worten des internen Ermittlers Christian Böhler «der größte Kriminalfall Europas nach dem Zweiten Weltkrieg». In der Tat. Es geht nicht bloß um gierige Banker, die sich verzockt haben, es geht um die illegale Finanzierung von Krieg mit Wollen und Wissen höchster Staatseliten, um am Balkan einen Staat zu zerstören, der den EU-Expansionsinteressen an der Peripherie im Weg stand. Dass sich daran auch die kollaborierende neue kroatische Oberschicht und größenwahnsinnige Provinzpolitiker bereichern durften, war offensichtlich die milliardenschwere Bestechungsprämie, deren Begleichung man nun den Steuerzahlern umhängt. Die mittlerweile gängige Bezeichnung der Hypo Alpe Adria als «Hausbank der Balkan-Mafia» wirkt vor diesem Hintergrund fast verniedlichend. Denn gegenüber den wirklichen Paten in Berlin, Brüssel und Wien nehmen sich die Herren in Zagreb und am Wörthersee eher als kleine Vorstadtganoven aus.
Gerald Oberansmayr
Der Artikel erschien in der Zeitung «Solidar-Werkstatt»
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