«Ich biete mich nicht an»vorstadt

Lokalmatador

Robert La Roche sah viel von der Welt durch seine Brillen – er verdient unser Augenmerk.
Text: Uwe Mauch, Foto: Mario Lang

Sein Lebenswerk hat er in Bananenschachteln eingeordnet. Diese mit der Hand beschrifteten Schatztruhen aus Karton verbergen sich in einer Hinterhofgarage der Josefstadt. Außergewöhnliche Wiener_innen wie er lassen sich selten auf den ersten Blick ausmachen, verlangen nach genauerem Hinsehen.
Robert La Roche, ein Wiener Schicksal! Sein Name ist in der Modewelt seit einem halben Jahrhundert präsent. In der Stadt, in der er geboren wurde, ist der Brillendesigner vergleichsweise unsichtbar. Dabei hat er Essenzielles zu sagen. Über Wien und die Welt. Gut möglich, dass man auch deshalb über ihn hinwegsieht.

Josefstadt.

Menschen, die das Besondere, nicht das millionenfach Gefertigte und seelenlos Beworbene suchen, wissen, wo man ihn findet. «Darunter sind auch einige Schauspieler_innen», erzählt der 82-Jährige. Auch Stylist_innen läuten bei ihm an, um eine seiner zeitlos schönen Fassungen kurz auszuborgen.
«Ich biete mich nicht an», erklärt Robert La Roche mit einer Ruhe, die ihm das fortgeschrittene Alter schenkt. Im MAK Design Labor hat man im Jahr 2016 sein Schaffen gewürdigt: Er hat für Andy Warhol, Calvin Klein und etliche Hollywoodstars bunte, stilprägende Accessoires geschaffen. Zu einer Zeit, in der Wien noch im Grau-in-Grau der Post-Nazizeit erstarrte.
Zentral in der Ausstellung war die 209: Robert La Roche hat diese Brille bereits 1973 kreiert, lange bevor Stilberater_innen Vintage buchstabieren konnten. «Als Vorbild diente mir eine britische Krankenkassenbrille. Geholfen haben mir leidenschaftlich agierende Manufakturen. Gemeinsam haben wir der Fassung viel Leben eingehaucht, sodass sie bis heute mein Topmodell blieb.»
209! Schön mit der Hand geschrieben, ziert jene Zahl eine Bananenschachtel. Es gibt die 209 also auch noch bei ihm. Um sie zu erlangen, müssen sich Interessierte ein bisschen mehr Zeit nehmen, Amazon liefert sie ihnen nicht. Alle Fassungen hier in der Garage stammen im Übrigen aus seiner Schaffenszeit als einer der weltweit Angesagtesten in seinem Metier: «Das war von 1973 bis 1999.»

Tokio.

Robert La Roche kam 1938 als drittes Kind eines Josefstädter Facharztes für Frauenheilkunde und einer mehrsprachigen Altösterreicherin aus Capo d’Istria (Koper) zur Welt. Das soziale Netz einer bürgerlichen Familie habe ihm Sicherheit gegeben, gibt er zu. Er wollte sich jedoch nie von seinen Eltern abfedern lassen. Er wollte mehr auf die eigenen Stärken vertrauen. Die vielleicht größte: «Dass ich mich überall, wo ich hinkam, als Quereinsteiger behaupten konnte.»
Zum ersten Mal fiel er damit in der Volksschule der Piaristen auf. Er hatte die Kriegsjahre auf einem Bauernhof zwischen Tulln und
St. Andrä-Wördern bzw. zwischen Hendln und Kühen verbracht. Dort lernte er sensen und melken, lesen und schreiben in der achtklassigen dörflichen Volksschule eher nicht. «Doch es dauerte nur wenige Wochen, dann sahen mich die Patres gut integriert.»
Nach dem Studium an der Hochschule für Welthandel in Wien behauptet er sich als Werbestratege in Hamburg, Produktmanager in Tokio, Backpacker während einer neunmonatigen Auszeit in Asien und Afrika, Marketingprofi für den Wiener Unternehmer Willi Anger, der mit seinem Brillenmaterial und seiner Firma Optyl weltweit Akzente setzen konnte, und schließlich mit dem eigenen Ersparten als Robert La Roche.

Weltweit.

Die Werbesujets an der Garagenwand bezeugen: Er hat mit den Weltbesten der Kreativszene gearbeitet. Dass er Wien bald nach dem Zweiten Weltkrieg fast fluchtartig verlassen hat, erklärt er heute so: «Zum einen war mir die Stadt zu eng, zum anderen wollte ich nach dem Diplom meine Zeit nicht als Wehrdiener vertrödeln.»
Suspekt sind ihm weiterhin Menschen, die nur den eigenen Vorteil im Auge haben. Er selbst kündigte als Gutverdiener in einer Werbeagentur, «weil ich nicht ständig heiße Luft verkaufen wollte».
Jungen Menschen rät er, sich von ihren Leidenschaften in ihrer Garage nicht abbringen zu lassen. Aus eigener Erfahrung fügt er jedoch hinzu: «Erfolgreich sein beruht nicht nur auf guten Ideen, Fleiß, Engagement, sondern auch auf ein wenig Glück. Du musst zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein.»
Einiges konnte er heute in seinem privaten Museum ordnen. Ohne grobe Beschwerden geht er nun durch den Lichthof in das gepflegte Gründerzeithaus, und dort hinauf in seine Wohnung. Hier verbrachte er viel Zeit seines Lebens, hier hat er seine Firma gegründet. «Hier würde ich auch gerne bis zu meinem Abgang bleiben.»