Ich bin gekommen, um zu arbeitentun & lassen

AUGUSTIN-Verkäuferin Slavica

Ich würde es noch einmal genauso machen: in den Bus setzen, nach Wien fahren und bleiben. Das Geld für das Rückfahrticket hätte mir sowieso gefehlt. In Wien habe ich Verwandte, wo mein Sohn und seine Frau, die mitgekommen sind, und ich fürs Erste bleiben konnten. Vom Hörensagen kannten wir bereits den AUGUSTIN und fragten bald nach unser Ankunft nach, ob wir die Straßenzeitung verkaufen dürften. Wir wurden aufgenommen.

Foto: Lisbeth Kovacic

Der AUGUSTIN ermöglicht mir eine Lebensgrundlage. Ich habe jetzt zum ersten Mal in meinem Leben so etwas wie ein regelmäßiges Einkommen. Damit finanziere ich mir Essen und ein Dach über dem Kopf. Wir leben zu dritt – meine Schwiegertochter, mein Sohn und ich – in einer Zweizimmerwohnung in Simmering. Das ist für uns Luxus, im Gegensatz zu früher in Serbien, wo ich mit meiner Familie immer ums Überleben kämpfen musste. Mit Gelegenheitsarbeiten konnten wir uns mehr schlecht als recht über Wasser halten, aber meine Eltern hatten keine Pensionsversicherung, und staatliche Unterstützung gab es für meine Familie auch nicht. Seit 21 Jahren bin ich verwitwet, und als vor zehn Jahren mein Vater gestorben ist, sind wir aus der Umgebung von Belgrad, wo ich 59 Jahre meines Lebens immer am selben Ort verbracht hatte, Richtung Wien aufgebrochen.

Seit Beginn an verkaufe ich in der Neubaugasse vor einem Supermarkt an sechs Tagen in der Woche, im Grunde zu den Öffnungszeiten des Supermarkts. Für mich ist es aber nicht sehr anstrengend, ich habe ja auch einen Hocker dabei, auf den ich mich setzen kann. Wenn mir die Zeitungen ausgehen, schicke ich meinen Sohn um Nachschub, denn ich bleibe den ganzen Tag über dort. Ich bin ja gekommen, um zu arbeiten, um mir ein besseres Leben aufzubauen. Entspannen kann ich mich dann zu Hause.

In der Neubaugasse respektieren mich die Menschen, ich fühle mich dort gut aufgehoben. Daher habe ich auch noch nie daran gedacht, den Platz zu wechseln. Ich sehe, wie die Kinder meiner Stammkunden groß werden. Manche von ihnen rufen mich Oma (der guten Ordnung halber sei erwähnt, dass Slavica wirklich Großmutter ist, und zwar sechsfache und darüber hinaus auch noch elffache Urgroßmutter, Anm.). Alles ist sehr familiär. Einige Geschäftsleute aus der Umgebung bringen mir regelmäßig Kaffee vorbei, ich erlebe die Menschen großzügig und sozial.

Ich habe jetzt alles, was ich brauche, und wünsche mir daher für die Zukunft nur eines: Gesundheit.


Übersetzung: Vanja Pilipović

Protokoll: Reinhold Schachner