«Ich bin’s, die Präsidentin!»tun & lassen

Seit zwei Jahren ist Johanna Ortmayr Präsidentin von Down-Syndrom Österreich. Dass diese Funktion mehr als nur repräsentativ ist, ist für sie klar. Interview: Lisa Bolyos, Foto: Carolina Frank

Schule ist für Kinder mit Down-Syndrom ein großes Thema: Es geht um die Frage, ob Regelschule oder nicht, um Unterstützungsbedarf und wie der gewärleistet werden kann. Wie haben Sie das in Ihrer Schulzeit gelöst?
Ich war immer schon ein kreatives Kind und bin sehr gern in Kindergarten und Schule gegangen. Die Schule, in die ich ging, war schon ein bisschen speziell – eine inklusive Schule mit gemischten Klassen. Neben mir war da noch ein weiteres Kind mit Down-Syndrom.

Was wünschen Sie sich von der Bildungspolitik?
Lernen zu können fördert die Selbstständigkeit. Darum wünsche ich mir, dass Menschen, die das brauchen, Hilfsangebote bekommen. Dass etwa blinde Kinder genauso zur Schule gehen können wie Kinder, die in leichter Sprache lernen wollen. Ich hatte das Glück, dass mich meine Mutter sehr unterstützt hat und mir zusätzlich zur Schule das Schreiben in Schreibschrift und das Lesen beigebracht hat.

Sie sind seit zwei Jahren Präsidentin von Down-Syndrom Österreich. Wie kamen Sie zu diesem Amt?
Ich wurde 2018 bei der Down-Syndrom-Tagung in Salzburg gewählt. Die Leute wussten, dass ich viel reden kann, motiviert und zielstrebig bin. So wurde ich Präsidentin! Das war ein Glücksmoment.

Was sind Ihre Aufgaben als Präsidentin?
Ich setze mich für Leute mit Down-Syndrom ein, kümmere mich darum, dass ihre Arbeit besser bezahlt wird, es mehr Urlaubstage gibt, dass es uns erlaubt ist, die Liebe zu leben. Ich gehe zu Treffen und Tagungen, auch zu Pressekonferenzen, und erarbeite mit anderen Menschen mit Down-Syndrom die Inhalte, die uns wichtig sind.

Welche Schwierigkeiten gibt es im Bereich der Arbeit?
In der sogenannten betreuten Tagesstruktur, dem Bereich, in dem viele von uns arbeiten, gibt es keine Teilzeitanstellungen. Es ist schwierig, nebenher noch aktiv zu sein, wie ich zum Beispiel mit dem Tanzen. Um bei allen Aufführungen und Proben mitzumachen, müsste ich mir sehr viele Urlaubstage nehmen.

Sie tanzen in der Kompanie Ich bin O. K., das ist mehr als ein Hobby.
Ich trainiere zweimal die Woche. Ich habe als Kind zu tanzen begonnen und nicht mehr damit aufgehört. Heute habe ich die Dance-Assist-Ausbildung, gebe Workshops und habe als erfahrene Tänzerin viele Auftritte hinter mir – nervös bin ich nicht mehr.
Die Liebe zu leben – ist auch das eine Frage der Autonomie?
Es ist wichtig, dass wir Liebespartner haben können, Liebesbeziehungen eingehen können oder auch nicht, wie wir eben wollen. Sich verlieben heißt auch, selbstständigkeit zu sein, eigene Entscheidungen zu treffen unabhängig von der Herkunftsfamilie.

Leben Sie in einer Partnerschaft?
Ja, ich habe einen Freund, auch er ist Tänzer.

Wie gestaltet sich das Wohnen für Sie?
Ich wohne seit einiger Zeit mit einer zweiten Frau in einer Wohngemeinschaft. Auch das heißt Loslassen für die Familie; es ist natürlich schön, wenn man gut unterstützt wird, aber man muss die Sachen auch alleine schaffen.

Wenn mein Kind Down-Syndrom hat, was ist aus Ihrer Sicht das Wichtigste, das ich ihm zur Stärkung mitgeben kann?
Gut zuhören. Sich Zeit nehmen. Und dafür sorgen, dass das Kind eine Gruppe hat, zu der es gehören kann.

Ist es für Sie auch wichtig, andere Menschen mit Down-Syndrom zu kennen?
Ja, das ist es. Übers Tanzen habe ich andere Freund_innen gefunden, die auch Down-Syndrom haben.

Hatten Sie auch schon mit Vorurteilen oder Beleidigungen zu kämpfen?
Ich habe zum Beispiel schon erlebt, dass ein Mensch Sachen gesagt hat, die nicht schön waren – Schimpfwörter über Menschen mit Down-Syndrom. Das war sehr unangenehm. Damals habe ich mich nicht getraut zu reagieren und bin stattdessen einfach weitergegangen. Wenn ich das heute hören würde, würde ich sagen: Halten Sie den Mund, lassen Sie uns zufrieden und gehen Sie weg. Aber sich zu wehren muss man erst lernen.

Am 21. 3. ist Welt-Down-Syndrom-Tag. Was wird da passieren?
Ich selbst trete in Graz bei einer Gala auf. In Wien wird es von der Tanzkompanie Ich bin O. K. aus auf der Straße Tanz-Flashmobs geben. So zeigen wir den Leuten, was wir können: Ah schau, Menschen mit Down-Syndrom können tanzen und Spaß haben!

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