Philip Masembe musste aufgrund seiner Verbindungen zur LGBTIQA+-Community aus Uganda fliehen. Dass er sich in Wien mittlerweile zu Hause fühlt, verdankt er der Organisation Afro Rainbow Austria.
2020 kam Philip Masembe nach Wien. Über Ungarn, das als eines der wenigen Länder während der COVID-Pandemie noch Visa ausstellte. Damals lief in Uganda die Kampagne für die Präsident:innenschaftswahlen. Einer der Kandidat:innen, Bobi Wine, war zuvor als Musiker auf einem Festival aufgetreten, das Philip mitorganisiert hatte. «Der Staat vermutete, dass seine Wahlkampagne von der LGBTIQA+-Community gesponsert wird. Sie dachten wohl, als Verantwortlicher für die Öffentlichkeitsarbeit hätte ich am ehesten Informationen darüber. Deshalb wurde ich entführt. Ich möchte es nicht verhaftet nennen, weil es in keinem Sinne rechtens war. Meine Wohnung wurde geplündert und sie ließen mich irgendwo liegen, in dem Glauben ich sei tot», erinnert sich der 30-Jährige. Er entschied sich, den Staat in diesem Glauben zu lassen und das Land zu verlassen.
«Die ugandische Regierung und die Gesetze geben der Bevölkerung die Macht, hart gegen LGBTIQA+-Menschen vorzugehen», fährt Philip fort. «Man kann einfach so verhaftet werden und darf nicht in bestimmten Positionen arbeiten.» Lange ist seine Flucht nicht her, die Wunden sind noch frisch, weshalb er noch keinen Kontakt nach Uganda hat, und auch kein Social Media benutzt.
Unterstützung
Afro Rainbow Austria (ARA), eine Organisation von und für LGBTIQA+-Migrant:innen aus afrikanischen Ländern in Österreich hilft ihm dabei, das Geschehene zu verarbeiten und sich in Wien zurechtzufinden. ARA leistet bildungspolitische Arbeit in den Bereichen Rassismus und Intersektionalität, bietet Unterstützung bei rechtlichen Belangen und Asylfragen, hilft bei der Wohnungssuche und bietet psychosoziale Hilfestellung.
«ARA verkörpert alle Teile meiner Identität», so Henrie Dennis, Gründerin von ARA. Sie arbeitet unter anderem für den Augustin und hat sonst mit ihren beiden Kindern und ihrem Doktorat reichlich zu tun. Mit ARA möchte sie die Situation für LGBTIQA+-Migrant:innen aus afrikanischen Ländern hierzulande verbessern, auch für die Menschen, die noch ankommen werden. Sie sollen Orte vorfinden, an denen sie leben können, ohne bestimmten Erwartungen entsprechen zu müssen. Denn «Existieren allein ist bereits schwer», findet Henrie. «Menschen benutzen das Wort Intersektionalität inflationär. Wir wissen, was das wirklich bedeutet. Wir leben das jeden Tag. Es fühlt sich an wie eine Endlosschleife. Gerade denkt man, es würde besser werden, und dann wird es wieder schlechter. Aber mit Resilienz und kollektivem Tun finden wir immer einen Weg, um nachhaltige Veränderungen zu schaffen.»
Als sie nach Österreich kam, fiel es ihr schwer, sich mit der queeren Community zu identifizieren, da People of Color auf deren Events kaum vertreten waren. Das brachte sie auf die Idee, ARA zu gründen und im September 2018 offiziell als Verein zu registrieren. Die Aktivitäten begannen schon viel früher, mit Partys, die bald die Kapazitäten der Räumlichkeiten überstiegen. Es werden inzwischen regelmäßige Treffen, Filmscreenings, Podiumsdiskussionen, Workshops und Seminare organisiert, die sich auf den Support der Community fokussieren. ARA unterstützt Migrant:innen, die von Diskriminierung, Gewalt, Verfolgung, Traumatisierung und Stigma betroffen sind. Über 500 Menschen sind inzwischen in ARA organisiert. Die monatlichen Treffen finden im Planet 10 statt, ein Kulturverein und partizipatives Hausprojekt im 10. Wiener Gemeindebezirk.
Startpaket
«Schon im Asylcamp in Traiskirchen war ich die einzige Schwarze Person, und später sah ich auch in Wien nur sehr wenige. Ich dachte, das wäre in ganz Österreich der Fall, bis ich von ARA erfahren habe», so Philip. ARA wurde zu seinem «persönlichen Starter-Pack für Österreich».
Bei ARA kommen Menschen aus zahlreichen Ländern mit ganz unterschiedlichen Metiers zusammen: Buchhalter aus Uganda, Anwältinnen aus Nigeria und Künstlerinnen aus Marokko. Philip selbst schloss ein Studium in Massenkommunikation und Journalismus in Uganda ab.
Ein regelmäßiges Event von ARA ist die wöchentliche Community-Kitchen Stop-and-Chop, wo sich alle mit Gerichten aus anderen afrikanischen Ländern vertraut machen und wo Philip den nigerianischen Joloffreis zu lieben gelernt hat. «Ich lerne durch ARA ständig neue Menschen kennen. Das kreiert Synergien.»
In Uganda hatte er mit dem Queer Kampala Film Festival das erste LGBTIQA+-Filmfestival veranstaltet – heimlich. «In Uganda mussten wir alles im Geheimen halten, während die Pride in Wien mir wie eine der größten Feiern des Jahres vorkommt. Ich habe das Gefühl, LGBTIQA+-Rechte werden respektiert. Ich spreche nur für mich selbst, aber ich komme mir in Österreich nicht vor, als wäre ich Teil einer marginalisierten Gruppe. Ich fühle mich gut und angekommen», meint er.
Seine neuen Hobbys: Fahrrad fahren, Klettern und Wandern. Wenn er Zeit für sich braucht, fährt er allein in die grünen Außenbezirke Wiens. Zuletzt bestieg er mit ein paar Freund:innen die Rax. «Das wirkt auch therapeutisch, weil ich schlechte Energie so umwandeln kann.»
Hin und wieder schreibt er an seinem Manuskript, das eines Tages zu einem Buch vollendet werden soll. Er möchte der Welt zeigen, was der ugandische Staat mit LGBTIQA+-Menschen im Land macht und was er selbst durchgemacht hat.
Während der diesjährigen Pride Parade war ARAs Wagen mit Musik aus aller Welt vertreten. Philip hat selbst einige ugandische Lieder beigetragen. ARA gibt ihm in Österreich ein Gefühl von Zugehörigkeit und Heimat, sagt er. «Die queere Community um ARA hat ein Bild für mich gemalt und so gezeigt, wie mein Leben in Österreich aussehen kann. Und das ist es, was du brauchst, wenn du herkommst: Perspektiven.»