«Ich liebe den ULF»vorstadt

Lokalmatador

Nino Hanjes war einst ein Gastarbeiter-Kind. Heute bestückt seine Firma auch Wiens Öffis. Von Uwe Mauch (Text) und Mario Lang (Foto).

Ein unspektakuläres Einfamilien-Haus in Siebenhirten, irgendwo zwischen der Triester Straße und der Endstation der U6. Das Haus verrät nicht, dass dahinter viele Einzelteile für hochmoderne Schienenfahrzeuge geplant werden. Doch es ist schon so: Wo auf U-Bahnen Siemens, auf Straßenbahnen ULF oder auf Eisenbahnen ICE bzw. Railjet draufsteht, ist unter anderem Hanjes drinnen.

«Ich wollte immer mein eigener Chef sein», erzählt Nino Hanjes, Inhaber des gleichnamigen Zulieferbetriebs, während er die Tür zum ehemaligen Hinterhof-Schupfen öffnet. Hier hat alles mit gebrauchten Werkzeugen begonnen, hier sind heute die Planungsbüros eingerichtet, in denen allerlei Bahn-Hightech entwickelt wird.

Aus heutiger Sicht klingt Hanjes Master-Plan plausibel, für einen Wiener Gastarbeiter-Buben war er jedoch einigermaßen kühn. Seine Eltern stammen aus der Gegend um Varaždin, einer Kleinstadt im Norden Kroatiens. Dort gab es in der Tito-Zeit Arbeit und Einkommen, aber nur wenig Entwicklung und Selbstbestimmung. «Vor allem nicht für Menschen, die frei denken und etwas schaffen wollten in ihrem Leben.»

Gut integriert. Auch der Süden von Wien erwies sich für seine Eltern nach deren Ankunft nicht als Paradies. «Ohne Übertreibung, wir waren am Anfang schon arm», sagt der Sohn eines gelernten Schlossers und einer Büroangestellten. «Meine ersten Fußballschuhe habe ich vom Fußballverein in Vösendorf geschenkt bekommen.»

Doch es ging langsam bergauf. Nino Hanjes vergisst an dieser Stelle nicht, sich zu bedanken: «Bei meinen Trainern, Lehrer_innen, Mitschüler_innen und nicht zuletzt beim Chef meines Vaters.» Sie alle hätten ihm eine faire Chance gegeben – und er hat sie eindrucksvoll genützt.

Heute beschäftigt die Firma Hanjes 200 gut ausgebildete Handwerker_innen und Techniker_innen in modernen Industriehallen am Stadtrand von Varaždin. Dazu kommt das elfköpfige Steuerungs-Team, das hier im Siebenhirter Hinterhof ungestört die Fäden zieht. Die Export-Quote für Österreich und Kroatien beziffert Hanjes mit 70 Prozent, und sein aktuell dringlichstes Problem beschreibt er so: «Wir kommen kaum noch mit dem Produzieren nach.»

In seinem Werk in Varaždin wird längst in zwei Schichten gearbeitet. Doch das Bahngeschäft brummt ohne Ende. Ständig werden neue Maschinen gekauft und neue Mitarbeiter_innen aufgenommen. «Außerdem werden wir jetzt ein zweites Werk in Serbien errichten.»

Ein Blick in den Katalog beweist, warum der Name Hanjes in der Branche als Premium-Lieferant gehandelt wird: hier technisch aufwändig und mit viel Fingerspitzengefühl hergestellte Edelstahl-Handläufe für eine Luxus-U-Bahn in einem Golf-Staat, dort die Wanne für eine Öko-Zug-Toilette, die sich während der Fahrt selbst reinigen kann.

Und auch in der Ultra-Hightech-Bim ULF sind 100 hochwertige Einzelteile aus Siebenhirten beziehungsweise Varaždin verbaut. Beim Anblick der Straßenbahn gerät Nino Hanjes ins Schwärmen: «Ich liebe den ULF. Mit ihm hat der Erfolg meiner Firma als Zulieferbetrieb für die Schienenfahrzeugindustrie begonnen.»

Doch auch der berufliche Werdegang des 51-jährigen Entrepreneurs ist bemerkenswert: Nach der Matura hat er an der Wiener Wirtschaftsuniversität drei Jahre lang BWL studiert, um für sich zu erkennen, dass er nicht über Wirtschaft reden, sondern Wirtschaft betreiben möchte.

«Den ersten Auftrag haben mein Vater und ich im Jahr 1992 erhalten, von der Firma, in der mein Vater angestellt war», erzählt der agile Gründer. «Weil ich garantiert habe, dass wir um zehn Prozent billiger produzieren werden.»

Damals schupften die beiden Hanjes ihre eigene Firma hier im Schupfen. Was für eine rasante Entwicklung! Der computergesteuerte Maschinenpark von Hanjes ist heute topmodern und dank der langjährigen Aufbauarbeit auch für Spezialaufträge gerüstet.

Im Jahr 2003 hatte sich Nino Hanjes dazu entschieden, die Produktion in die Heimat seiner Eltern zu verlegen. Aus nachvollziehbarem Kalkül: «In der Region rund um Varaždin bekomme ich leichter gut ausgebildete Mitarbeiter_innen als in Wien.» Kroatien habe auch das transparentere Steuersystem: «Je mehr dort investiert und je mehr Arbeitsplätze geschaffen werden, umso niedriger ist der Gewinn-Steuersatz.»

Natürlich ist der Mann, der für seine Firma brennt, stolz auf das bisher Geleistete. Doch wie Menschen im Spitzensport gibt er sich damit noch nicht zufrieden, möchte mit seiner Firma unbedingt auf der Überholspur bleiben. Privater Besitz scheint ihm weniger wichtig zu sein: «Lieber investiere ich in eine neue Klimaanlage, damit sich meine Mitarbeiter_innen wohl fühlen.»

Dass er natürlich auch Gewinne schreiben möchte, gibt er offen zu. Doch er sagt auch diesen Satz: «Ich bin sehr dankbar, dass ich mit so vielen tollen Menschen zusammenarbeiten darf.»

PS: Auf dem Weg von Siebenhirten zurück in die Stadt fahren wir auch ein Stück mit der Straßenbahn, siehe da: mit einem ULF. Bei jeder Einfahrt in die Kurven beginnen sich dessen Gelenke zwischen den Zugteilen geschmeidig zu drehen. Drei Mal dürfen wir raten, wo ihr Unterbau hergestellt wird.

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