«Ich muss das machen»vorstadt

Lokalmatadorin

Fiona Rukschcio setzt beim
«Frühstück im Park» auf ihre Sensibilität – als Künstlerin.

TEXT: UWE MAUCH
FOTO: MARIO LANG

Vor acht Uhr in der Früh kommen sie in den Esterhazypark in Mariahilf: Der Herbert und der Helmut bewegen zwei der neun voll beladenen Handwagen. Sie sind hier Freunde geworden. Der Stefan packt auch an.
Schnell bauen sie mit weiteren freiwiligen Helfer_innen Tische auf. Darauf stellen sie große Kaffeekannen, Gebäckkörbe, Becher, Besteck, Jogurt, Obst sowie die Kochtöpfe mit der warmen Suppe.
«Frühstück im Park» (FiP): Jeden Mittwoch wiederholt sich dieses Schauspiel im Herzen des sechsten Bezirks. Und das seit zwei Jahren! Ins Leben gerufen hat diese soziale Einrichtung eine Anrainerin. Sie trägt heute ein gelbes T-Shirt mit dem Logo der Initiative.
Fiona Rukschcio übernimmt auch an diesem Mittwoch den Empfang ihrer Gäste, erklärt ihnen, was heute kulinarisch geboten wird, hat für jeden und jede ein offenes Ohr.

Kunststück.

«Ich war immer schon eine Außenseiterin, und das verbindet mich mit meinen Gästen», gibt Rukschcio bei Kaffee und Kuchen von sich preis. Und sie sagt das nicht aus Koketterie.
Als Tochter einer intellektuell reichen, hart arbeitenden, aber materiell karg lebenden Familie (ohne Fernsehen, ohne Urlaub) konnte und wollte sie mit den anderen Kindern eines Wiener Nobelbezirks nie mithalten. Als Studentin an der Universität Wien und an der Kunstakademie empfand sie das Ausgeliefertsein der jungen Frauen ein Vierteljahrhundert vor #MeToo als extrem unwürdig. Als Filmemacherin lernte sie früh, mit geringen finanziellen Mitteln zwischen den üblichen Genres zu improvisieren. Jetzt, als Streetwork-Quereinsteigerin im Esterhazypark, hat sie nicht nur mit den Problemen ihrer prekär lebenden Gäste zu kämpfen.
«Ich muss das machen», verlangt die FiP-Initiatorin von sich, während sie dem achtzigsten Gast gegen neun Uhr Kaffee und Kipferl serviert. Und um die Dringlichkeit ihres Projekts zu beweisen, fügt sie hinzu: «Die Leute, die um diese Uhrzeit zu uns kommen, haben wirklich Hunger.»
Hunger hat sie selbst nicht, Hungerkünstlerin ist Fiona Rukschcio sehr wohl: «Es gab schon Monate, da musste ich mir von einer Freundin Geld ausborgen, um die Miete meiner Wohnung zu bezahlen.»
Ihr Projekt im Park nimmt sie nicht nur am Mittwochvormittag in Anspruch, es fordert sie auch an den anderen Tagen der Woche: Lebensmittel müssen organisiert und gelagert werden, unterschiedliche Personen in dieser Stadt wollen informiert werden. Was schon hilft: «Fünf Mal ist es uns schon gelungen, Gäste weg von der Straße zu holen.»

Kunstwerk.

Auffallend viele Menschen aus der Nachbarschaft packen jeden Mittwoch an. «Ich bin jedes Mal begeistert», freut sich die Frau am Empfang, «wenn ich sehe, wie sie mit einem Lächeln zu uns in den Park kommen und am Ende mit einem noch besseren Gefühl wieder gehen.»
Schön ist es auch, wenn andere ihren Spirit erfassen: «Ich mag es, wenn die Leute ‹Wir› sagen.» Oder wenn jemand für sich und andere in Anspruch nimmt: «Wir helfen hier, weil uns das wichtig ist.»
Von den Helmuts, Herberts und Stefans bekommt sie auch viel Vertrauen und Wertschätzung retour. Mit dem Letztgenannten in der Hauptrolle dreht Fiona Rukschcio derzeit einen neuen Film.
Nach einem Studium der Politikwissenschaft in Wien und einer Ausbildung für Visuelle Kommunikation in Belfast möchte Fiona Rukschcio in ihren Werken bestehende Klischees hinterfragen. Dass ältere Männer in ihrem Parkprojekt wichtige Funktionen der Achtsamkeit übernommen haben, wertet sie zum Beispiel «als ein Auflösen längst überkommener Zuschreibungen».

Kunstgriff.

Gegen zehn Uhr geht FiP, von der Polizei im Bezirk übrigens mit Wohlwollen beobachtet, langsam zu Ende. Die Reste vom Feste werden sorgfältig verpackt, die Tische weggeräumt, mit den Wagerln geht es zurück in den Keller eines nahe liegenden Gemeindebaus.
Fiona Rukschcio ist froh, dass sie diesen Rückzugsraum hat. Doch schnell wird klar, dass es hier an allen Ecken und Enden fehlt. Es gibt kein Gas, zu wenig Kochflächen, Kühlmöglichkeiten, Stauräume. Auch fehlt es an professioneller Unterstützung durch Sozialarbeit und Supervision.
Mittwochs empfinde sie dennoch immer viel vom Glück: «Weil wir hier noch immer die Leute erreichen, von denen in dieser Stadt gesagt wird, dass es sie gar nicht gibt.»
Mehr über FiP und alle Aktivitäten in den Wintermonaten: fruehstueckimpark.at

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