«Ich wäre gerne nur witzig»Artistin

Der Cartoonist und AUGUSTIN-Grafiker Karl Berger über sein Buch und Unterstellungen

Nach dem Abdanken der türkis-blauen Regierung veröffentlichte Karl Berger jene Cartoons in Buchform, die er während der Kurz’schen Regentschaft angefertigt hatte. Betitelt ist diese Sammlung von 97 Cartoons bezeichnenderweise mit Kurzschluss. Ein Gespräch unter AUGUSTIN-Kollegen.

Ursprünglich wäre an dieser Stelle eine Bewerbung des Buches «Kurzschluss» unseres Grafikers Karl Berger geplant gewesen. Doch von einer redaktionell gut getarnten Werbeeinschaltung sind wir dann etwas abgerückt, denn unser Kollege fand seinen Namen in Presseaussendungen und in Zeitungsartikeln wieder, die er nicht selber lanciert hatte. Ein Cartoon, den er am 4. Juli auf seiner Facebook-Seite veröffentlichte, stieß in zweierlei Hinsicht auf Resonanz: Einerseits verdächtigte die ÖVP die SPÖ mittels dieser Zeichnung von Karl Berger eines gezielten Dirty Campaignings, andererseits wurde er in die Karikatur-Debatte zu Sommerbeginn mithineingezogen. Hintergrund: Die New York Times druckte eine Karikatur aus der portugiesischen Wochenzeitung «Expresso» nach. Zu sehen ist Donald Trump, wie er den als Dackel dargestellten israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu an der Leine führt. Die nicht gerade leichtgewichtige Zeitung beugte sich auf sehr konstruktive Art und Weise dem Aufschrei, nämlich mit Selbstzensur: Sie wird künftig überhaupt keine Karikaturen mehr veröffentlichen.
Die Darstellung einer Politikerin als Hündin führte auch hierzulande zu Diskussionen, denn Othmar Wicke zeichnete Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger als Dackeldame, die nach einer Knackwurst lechzt, die ihr Hans Peter Haselsteiner vor die Nase hält. Zum Drüberstreuen tauchte dann auch noch Sebastian Kurz in Naziuniform auf. Das Setting des Cartoons bildet eine aus dem Film Schindlers Liste nachempfundene Szene, Urheber der Zeichnung: Karl Berger

Wie fühlt man sich, bis vor Kurzem noch der KPÖ zugerechnet worden zu sein und jetzt als SPÖ-nah zu gelten?

Für mich als politischen Zeichner ist es schlecht, wenn ich einer Partei zugerechnet werde, zu der ich tatsächlich kein Nahverhältnis habe. Kontrast.at (Medieninhaber ist der SPÖ-Parlamentsklub, Anm. d. Red.) ist ein Kunde, der meine Zeichnungen kaufen kann, aber ich bin kein SPÖ-Zeichner, ich mache auch keinen Wahlkampf für die SPÖ. Ich bin auch noch überall der Kommunist, obwohl ich 1990 aus der KPÖ ausgetreten bin. Jahrelang habe ich für den Kinder-Kurier einen Comic gezeichnet. Bin ich deswegen Raiffeisen-nah? Und als Kind bin ich Pfadfinder gewesen, das erwähnt aber niemand.
Es ist für mich ruf­schädigend, als SPÖ-naher Zeichner dargestellt oder als SPÖ-Cartoonist abgestempelt zu werden. Dabei bin ich nur eine Nebenfigur, der ÖVP geht es darum, der SPÖ einen schmutzigen Wahlkampf unterzuschieben. Nie im Leben hätte ich mir gedacht, dass Karl Nehammer, der Generalsekretär der ÖVP, von der Vorsitzenden der SPÖ verlangt, sich wegen einer meiner Zeichnungen, mit der sie nicht das Geringste zu tun hat, zu entschuldigen.

Heißt das, diese Zeichnung ist nicht einmal auf kontrast.at erschienen?

Genau, und ich habe sie ihnen nicht einmal vorgeschlagen, weil ich das für eine Seite von SPÖ-Parlamentsmitarbeitern nicht passend gefunden habe. Ich habe die Geschwindigkeit unterschätzt, wie schnell und verkürzt dargestellt ‹Kurz in Naziuniform – das ist ungeheuerlich› gekommen ist, obwohl es in Karikaturen ein übliches Mittel ist, jemand in Naziuniform oder als Hitler zu zeichnen, um Nähe zu autoritärem Gedankengut zu zeigen. Durch diese verkürzte Kritik wird übertüncht, was Kurz vorher eigentlich gesagt hat.

Und die Metaebene in diesem Cartoon wird unterschlagen, denn du hast bestimmt nicht zufällig zum Film «Schindlers Liste» Bezug genommen.

Ganz genau, denn Kurz ist weniger Nazi als ein ideologiefreier zynischer Populist, der immer das sagt, was ihm Vorteile bringt. Er schlüpft immer in Rollen: Als Integrationsstaatssekretär hat er mehr Willkommenskultur gefordert. Als es später vorteilhaft war, mit Ausländerfeindlichkeit Stimmen zu fangen, hat er das sehr perfekt von Strache übernommen. Daher habe ich ihn absichtlich in eine Rolle gesteckt, um zu zeigen, dass das von ihm propagierte Gedankengut kompatibler mit dem Gedankengut der Nazis wäre als mit einer liberalen, demokratischen Rechtsordnung. Kurz blendet etwa das Seenotrecht völlig aus und bezieht sich nur auf die faschistischen Gesetze von Salvini.

Hast du das Ende der türkis-blauen Regierung als Anlass für deine Buchveröffentlichung genommen?

Ich hatte schon länger eine Buchveröffentlichung geplant, nämlich einen Rückblick auf zwei Jahre Türkis-Blau. Dieses Buch hätte zu Weihnachten erscheinen sollen. Mit dem Ende von Türkis-Blau musste ich mir schnell einen Verlag suchen, und Promedia ist eingestiegen.

Der ÖVP-Generalsekretär hat mit seinen beiden Aussendungen indirekt Werbung für dich gemacht, oder Michael Freund, der im Standard vom 20. Juli ebenfalls deine Kurz-in-Naziuniform-Zeichnung kritisiert hat.

Das ist nicht die Werbung, über die man sich freut. Mehr gefreut habe ich mich, als sich Strache auf seiner Facebook-Seite über meine Zeichnungen aufgeregt hat. Da ist von seiner Seite vier Mal ‹widerlich› und ‹widerwärtig› gekommen, das hat mich sehr gefreut.

Als eine Art Vorwort ist in deinem Buch ein Facebookeintrag von dir vom 11. Mai 2017 veröffentlicht, der mit «Eine Art Kaffeesudleserei» betitelt ist. Anlass war der Rücktritt Mitterlehners einen Tag zuvor. In diesem Eintrag sagst du voraus, dass es rasch zu Neuwahlen kommen und wie sie Kurz gewinnen wird, aber auch dass es für Strache eng werden könnte und es für die Grünen nichts zu holen geben wird. Bist du von dir selbst überrascht gewesen, dass deine Prognose zugetroffen hat?

Ich bin davon überzeugt gewesen, muss aber dazusagen, nicht damit gerechnet zu haben, dass die Grünen aus dem Parlament fliegen. Kern habe ich damals auch mehr zugetraut, weil er für mich ein guter Wahlkämpfer gewesen ist, aber ich konnte die Silberstein-Affäre nicht erahnen. Mehrmals habe ich auf Facebook Voraussagen über Kurz getroffen, die wirklich eingetreten sind, wie die kommende Neuwahl im Herbst.

Ich kenne keine Zeichnungen von dir, die die Oppositionsparteien zum Thema hätten, dabei würden sich doch Quereinsteiger_innen wie Sarah Wiener, Sybille Hamann oder Martin Balluch anbieten.

Hauptanliegen eines Satirikers muss es sein, die Mächtigen, beziehungsweise ihre politischen Handlanger zu bearbeiten. Ich bemerkte aber auch, dass Zeichnungen, die die Regierung betreffen, zehnmal mehr gelikt und geteilt werden als andere. Und Anfragen von Medien sind dann auch noch gekommen.

Du machst nicht nur politische Arbeiten, du illustrierst zum Beispiel für den AUGUSTIN kurze Erzählungen, (etwa in dieser Ausgabe auf S. 37, Anm. d. Red). Du haust somit nicht nur auf die letzte Regierung hin.

Ich haue gerne auf die letzte Regierung hin, weil ich sie für asozial halte, das ist aber nicht mein einziges Anliegen, ich zeichne einfach gerne und wäre auch gerne nur witzig. Ich warte darauf, dass mir irgendjemand einen für mich geeigneten Text für ein kleines Kinderbuch zum Illustrieren anbietet.
Für den AUGUSTIN illustriere ich wirklich gern, obwohl ich mir, wenn ich den Text erhalte, zuerst immer denke, diese Geschichte zu illustrieren ist unmöglich. Ich lass dann den Text über Nacht ruhen und am nächsten Morgen geht es plötzlich.

Ich ersuche dich abschließend um eine Kaffeesudleserei hinsichtlich der Neuwahlen Ende September.

Ich denke, dass den meisten am liebsten wäre, die Regierung Bierlein würde weitermachen. Es gibt auf einmal einen lebendigen Parlamentarismus. Die Lieblingsvariante der Industriellenvereinigung wäre eindeutig Türkis mit den Neos, was sich hoffentlich nicht ausgehen wird. Das würde eine sehr asoziale Regierung werden, zum Beispiel mit Rentenkürzungen. Alle anderen möglichen Konstellationen werden sehr lange Verhandlungen brauchen. Was am Ende herausschauen wird, traue ich mich nicht vorauszusagen. Ich traue weder den Grünen noch der SPÖ ein Nein zu, sollten ihnen genügend Posten angeboten werden. Die FPÖ würde wieder wollen, müsste es aber recht billig machen. Aber wir sollten uns generell nicht allzu viel von der einen oder anderen Regierungskonstellation erwarten, solange in Österreich mehrheitlich eine konservativ-reaktionäre Stimmungslage herrscht, gestützt von einer katastrophalen Medienlandschaft.

Das Gespräch führte Reinhold Schachner.

Kurzschluss
Cartoons von Karl Berger
Promedia 2019
88 Seiten, 14,90 Euro 

Das Buch ist auch bei AUGUSTIN-
Kolporteur_innen für 15 Euro erhältlich, die Hälfte davon bleibt der Verkäuferin bzw. dem Verkäufer.
www.zeichenware.at