Ihre Freiheit, unsere FreudeArtistin

Musikarbeiter unterwegs ... mit einer Band mit Extramöglichkeiten

Im Mai veröffentlichte das Quartett Madame Baheux seine erste CD. Jetzt im Herbst rufen sie diese – als Quintett – nachdrücklich in Erinnerung.

Foto: Mario Lang

Keine Frage, es kommt viel zusammen bei dieser Band, die seit 2012 – damals noch ohne Bandnamen – gemeinsam agiert. Ausbildungen in Jazz und Klassik, die Liebe zu Pop und Rock… «Mendelsohn & Pink Floyd», verknappt Bandmotor Jelena die eigene musikalische Sozialisation. So ist die CD «Madame Baheux» ein Debüt im besten Sinne, deren 14 Tracks einen neuen Sound in die Welt stellen und erstmals definieren, einen, der weite, raumgreifende Klammern aufmacht, in denen auch für die Zukunft noch viel Platz ist. «Es war einmal ein ?o?ek» eröffnet das Album mit der Madame-Baheux-Version einer Komposition des 2007 verstorbenen Romageigers Aleksandar Šiši?, «Dimitrijo, sine Mitre», ihre Interpretetation eines mazedonischen Volkslieds rundet nach 65 Minuten die so eindrucksvolle wie nachhaltige erste akustische Visitenkarte ab. Dazwischen schöpfen Ljubinka Joki? (Gitarre, Stimme), Lina Neuner (Kontrabass, Stimme), Maria Petrova (Schlagzeug, Stimme) und Jelena Popržan (Viola, Stimme) genüsslich und gekonnt aus dem Vollen. Wir hören ein Lied der englischen Folkikone Ewan MacColl, Eigenkompositionen von Joki?, Popržan und Neuner, ein Brecht/Weill-Stück – genau, die «Seeräuber Jenny», hier serbokroatisch gesungen und mit «Rockdrall» ausgelegt – und einen erschreckend aktuellen «altösterreichischen Rap» von Georg Kreisler («Meine Freiheit, deine Freiheit»). Weiters ein wunderbar anderes Heimatlied aus der Feder von Richard Schuberth («Das Schawapeanzara-Lied»), teils in allerschönstem imaginärem Experimentalwienerisch gesungen. Dazu noch mitunter recht freie – «ich lasse oft nur ein Motiv stehen oder rekonstruiere den Aufbau eines Stücks» (Jelena) – Aneignungen diverser Traditionals. Gejodelt/gedudelt wird noch dazu …

«Es war eine lange Schwangerschaft und eine schwere Geburt», sagen Madame Baheux beim Augustin-Gespräch über ihr Debüt-Album, das im Studio mit Robin Gillard eingespielt wurde. «Irgendwo muss Stopp sein», legt Ljubinka nach und Jelena ergänzt, um die Zufriedenheit der Band mit ihrem Werk zu unterstreichen: «Die muss noch lang genug jung bleiben.»

Das Undefinierbare definiert sich langsam

Trotz Termin am Sonntagnachmittag im Spätsommer sind Madame Baheux komplett zum Interview angetreten, oder besser angesessen. Mit dabei in Naschmarkt-Nähe Cellistin und Neo-Madame-Baheux deeLinde, die auf der CD noch als Gästin geführt wird und ihrerseits mit Netnakisum künstlerisch aktiv ist. «Sie hat alle Prüfungen geschafft, sie fährt Auto und sie mag keine Ausländer.» Der letzte Halbsatz deutet darauf hin, das Madame Baheux eine gehörige Portion Schalk im Nacken haben und wenig bis gar keine Lust, aus ihren persönlichen Backgrounds – hier finden sich Bosnien, Bulgarien, Steiermark, die Vojvodina und Klosterneuburg unter einem imaginären Bandhut zusammen – ihre künstlerische Identität oder ihr vorrangiges Alleinstellungsmerkmal zu basteln. So wie sich das Quintett erst gar nicht an Begriffen wie «Balkan» oder Worldmusic abarbeitet. Es geht ihnen um ihre Musik an sich. Den Umstand, dass sie als fünf Frauen gemeinsam diese Musik machen, sieht die Band als die Selbstverständlichkeit an, die das schon längst sein sollte. Allfällige geschlechterunverhältnismäßige Schieflagen in der eigenen «Branche» begegnen sie nicht zuletzt wegen und mit der jahr(zehnt)elangen eigenen Musikerinnen-Erfahrung recht gelassen. Maria Petrova, die seit über einem Jahrzehnt bei der Tschuschenkapelle den Drum-Beat angibt, sagt trocken: «Ich kenne jeden Tontechniker in Österreich, und ich habe mit keinem Probleme.»

«Ich sehe nicht, wo es bei uns zwischenmenschlich schief gehen könnte», stellt Jelena der bandinternen Chemie zufrieden die Höchstnote aus, das Leben wird bei Madame Baheux abzusehenderweise der Kunst nicht in die Quere kommen. Und diese Kunst hat Erstaunliches zu bieten. So sieht sich der Musikarbeiter entgegegen seiner songorientierten Hörgewohnheiten von «Ti momo» fasziniert, bei dem sich Madame Baheux – mit deeLinde – instrumental ordentlich und variantenreich austoben, ohne je ins selbstverliebte oder perspektivenlose Solieren zu verfallen – eine fast sechs-minütige wahre Klang-Wonne! Schon reden Madame Baheux über Zukünftiges, zwei neue Kompositionen Neuners – von der der Bandname stammt – gilt es auszuarbeiten, die fünf Singstimmen der Musikerinnen und deren Harmonie(n) sollen mehr zur Geltung kommen … Mit ihrem klaren Selbstverständnis – «Musik ist immer Unterhaltung» – bei gleichzeitiger «politisch-kritischer» Grundhaltung und der positiven Atmosphäre in der Band gibt es von Madame Baheux definitiv noch einiges zu erwarten. Nur kein Bahöö.

Madame Baheux: «Same» (Lotus)

Live: 24. 9., Theater am Spittelberg (Doppelkonzert der Band Sormeh, feat. Jelena Popržan)

www.madame-baheux.com

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