Die Abenteuer des Herrn Hüseyin (109)
Nach zwei Jahren war es mit der Geduld Hüseyins zu Ende. Auf die Veränderungen in der Türkei hatte er umsonst gewartet. Die Entscheidung, in die Türkei zu fahren, war keine leichte.
Grafik: © Anton Blitzstein
Nachdem der Bruder ihn angerufen hatte, war es schon entschieden, dass Hüseyin trotz aller Gefahren diese lange Reise nach Hause mit dem Bruder auf sich nehmen würde. 24 Stunden im Auto zu sitzen ist genug Zeit, um sich auf viele geschwisterliche Auseinandersetzungen einzulassen. Der Bruder ist neun Jahre jünger als der Hüseyin. Er lebt seit langem in Berlin.
Die türkische Währung verliert andauernd an Wert gegenüber dem Euro. Zurzeit bewirkt das, dass Hüseyin in der Türkei ein kleiner Eurokönig ist. Nachdem Hüseyin mit seinem Bruder in İstanbul bei einem Freund die Nacht verbringt, möchten sie sich nach einigen Erledigungen wieder auf den Weg Richtung Elazığ zur Mama machen. Sie bekommen andauernd Anrufe von der Mama und einem anderen Bruder, wo sie sich gerade befinden. Als sie in der Früh aufwachen, wollen sie noch in einen anderen Bezirk fahren. Sie stellen ihr Auto in einer Garage ein, denn in Taksim einen Parkplatz zu finden ist sehr schwer. Als sie nach zwei Stunden das Auto mit Berliner Kennzeichnen abholen wollen, merken sie, dass die beiden Kennzeichen weg sind. Sie sind sich nicht sicher, ob die Kennzeichen in der Garage gestohlen wurden oder woanders. Sie wollen die Videoaufnahmen der Garage anschauen. Aber es gibt keine. Die Videokameras der Garage funktionieren nicht. Der Bruder ruft die Polizei an. Es heißt, die Polizeistreife würde demnächst kommen und das Ganze protokollieren. Nach einer Stunde ist immer noch keine Polizei da. Ein Anruf: Hüseyin und sein Bruder möchten zum Kommissariat kommen. Sie gehen hin. Ein Polizist mit Maschinenpistole in der Hand steht vor dem Kommissariat hinter den Metallbarrieren, mit bestimmendem Ton fragt er, wo sie denn hinwollen. Sie schildern die Situation. Es kommen andauernd Menschen (Touristen), denen alles gestohlen wurde. Über eine Stunde warten sie, bis sie dran sind. Dann werden sie in einen anderen Bezirk geschickt, dessen Kommissariat dafür zuständig ist. Als sie İstanbul verlassen, ist es schon gegen vier Uhr Nachmittag. Von İstanbul bis Ankara ist ziemlich viel Verkehr. Die LKWs überholen die PKWs. Die gelernten Verkehrsregeln treten hier außer Kraft. Hüseyins Bruder flucht. Bis nach Ankara machen sie keine Pause. In Mittelanatolien bei einer Raststätte trinken sie einen Tee. Eine Weile wollen sie sich im Auto ausruhen. Ab Mittelanatolien ist fast kein Verkehr. Die Landschaft ist so karg, dass man keinen einzigen Baum sieht. In dieser Zeit werden sie immer wieder von den Geschwistern angerufen. Je näher der Stadt, in der die Eltern wohnen, desto schneller das Tempo.
Nach zwei Jahren sieht Hüseyin seine Mutter wieder. Obwohl der Vater einige Jahre älter ist als die Mutter, wirkt er jugendlicher als sie. Das erschreckt den Hüseyin. Selbst ist er auch alt geworden. Einen weißen Bart hat er und die Haare sind ihm ausgefallen. Obwohl die Mutter drei Mal die Woche zur Dialyse geht, macht sie sich über das Altern des Sohnes Sorgen. Es werden traurige und lustige Tage werden in dieser trostlosen, nichts anbietenden Stadt.
Bis bald! Eurer Hüseyin