«Im besten Fall hat der Autor nichts mitzureden»Dichter Innenteil

Foto: Carolina Frank

Erwin Riess hegt Groll

Augustin-Leserinnen und -Leser sind eindeutig im Vorteil. Auch deswegen, weil sie von Beginn an Groll auf Reisen in die Welt politischer Aufklärung begleiten können. Und in der Reihe Barrierefrei beschäftigt sich der vielbeschäftigte Autor Erwin Riess mit öffentlichen Wiener Lokalitäten und ihrer mehr oder weniger (meist weniger) eingelösten gesetzlichen Verpflichtung, ihren Zugang für Rollstuhlfahrer_innen zu erleichtern. Und er betreibt, wie er es formuliert, «politische Arbeit in der autonomen Behindertenbewegung und in der untergehenden Linken». Damit nicht genug, schreibt Erwin Riess Theaterstücke und Romane. Andreas Fellinger hat ihn dazu befragt.

Soeben ist Ihr jüngster Roman Herr Groll und die Donaupiraten im Otto Müller Verlag erschienen. Wollen Sie den Augustin-Leserinnen und -Lesern etwas vom Inhalt verraten? Zum Beispiel so viel, ob der Privatermittler Groll diesmal wieder in Giordanos Auftrag oder auf eigene Faust handelt?

Mister Giordano machte Herrn Groll ein Angebot, das dieser nicht ablehnen konnte. Grolls Freiwilligkeit hat ihren Ausgang in der Mulberry Street Bar in New York.

Spielt der auch andernorts häufig zitierte Binder-Heurige in Floridsdorf wieder eine gewisse Rolle? Und wenn ja, welche?

Die Rolle des Binder-Heurigen kann nicht überschätzt werden. Er befleißigt sich einer Brecht’schen Freundlichkeit, ist konkret und unkorrumpierbar. Neben Mister Giordano ist der «Ständige Ausschuss zur Lösung sämtlicher Welträtsel, welcher beim Binder-Heurigen in Permanenz tagt», der zweite Angelpunkt in Grolls Leben.

Begibt sich Herr Groll auf Reisen bzw. erfährt er die Welt, wird der Floridsdorfer vom Dozenten, einem Soziologen aus reichem Hietzinger Haus, begleitet. Ist das Verhältnis zwischen dem 21. und dem 13. Wiener Gemeindebezirk ein dialektisches, also eines von Ego und Alter Ego?

Nein, es ist eines von Tag und Nacht. Der eine wäre ohne den anderen stärker, aber, wie das Leben so spielt, sie behindern einander in produktiver Weise.

Die Geschichten vom Herrn Groll ähneln Bertolt Brechts Geschichten vom Herrn Keuner. Ist das Absicht oder Zufall?

Schön, wenn Sie eine Ähnlichkeit erkennen. Herr Groll fühlt sich geehrt. Ich leite Groll und den Dozenten eher von Hašeks Schwejk, Cervantes‘ Don Quijote und Diderots Jacques, der Fatalist und sein Herr ab.

Wenn Sie nicht gerade die Augustin-Leserschaft mit Groll-Geschichten unterhalten, liefern Sie messerscharfe politische Analysen, an denen man sich als Gegner leicht verletzen kann – wie man Ihren Beiträgen im linken deutschen Magazin konkret, der jungen Welt in Berlin, der Versorgerin in Linz oder der Presse in Wien entnehmen kann. Oder Ihren Beiträgen in diversen Sammelbänden, wie dem Mandelbaum-Reader Zu Ende gedacht. Sie haben auch eine Reihe von Theatertexten verfasst. Was interessiert Sie an so unterschiedlichen Textformen?

Meine fünfzehn Theaterstücke, die auch in Buchform erschienen sind, wurden alle gespielt – vom Klagenfurter Ensemble über London, New York bis zum Wiener Volkstheater, dem Schauspielhaus, dem Belvedere, dem Theaterspektakel in Zürich und dem Theaterfestival Hin und Weg in Litschau. Und auf den Bühnen der wunderbaren Anna-Maria Krassnigg in Wien und am Thalhof in Reichenau an der Rax. Ob ein Inhalt Theater, Roman, Essay oder Story wird, entscheidet der Stoff. Im besten Fall hat der Autor nichts mitzureden.

Erwin Riess und die Passion für die Donauschifffahrt: Wie kann ich mir als Landratte die Entstehung dieser (Liebes-) Beziehung vorstellen?

Es handelt sich nicht um eine Liebesbeziehung, sondern um einen Lebensentwurf. Für mich, der ich in den Donauauen unterhalb von Krems aufgewachsen bin, der einzig mögliche.

 

Buchvorstellung: Alte Schmiede, Wien 1., Schönlaterngasse 9
23. September, 19 Uhr. Freier und barrierefreier Eintritt!
Einleitung: Christine Steger, Vorsitzende des Bundesmonitoringausschusses der UNO
Moderation: Daniel Terkl