Im Herzen Landwirttun & lassen

Augustinverkäufer Jerry

Ich würde sofort einen Bauernhof übernehmen, egal ob in Tirol, in Kärnten oder in der Steiermark. Ich mag diese Art von Arbeit, die ich durch meinen Vater kennengelernt habe. Mein Vater ist aber erst relativ spät zum Landwirt geworden, er war vorher Headmaster einer Schule. Wie sagt man hier zu Headmaster? – Okay, Schuldirektor. Das muss man sich mal vorstellen, er ist vom Schuldirektor zum Landwirt geworden, er hat sich nämlich politisch nicht instrumentalisieren lassen. Er wollte mit Politik nichts zu tun haben und musste daraus Konsequenzen ziehen. Aber es hat auch eine gute Seite, denn mit der Landwirtschaft verdient er mehr!

Foto: Carolina Frank

Auch für mich ist ein Zeitpunkt gekommen, um Konsequenzen zu ziehen und Nigeria Richtung Europa zu verlassen. Und glauben Sie mir, wenn es in der Heimat schön und nett wäre, hätte man keinen Grund diese zu verlassen. Seit rund fünf Jahren bin ich nun in Österreich und wohne in Simmering. Dort ist es nicht einfach, das Zeitungsverkaufen funktioniert beispielsweise gar nicht. Ich versuchte es auch bei der Salztorbrücke in der Nähe des Schwedenplatzes, aber auch dort gibt es zu wenig Kundschaft. Hauptsächlich verkaufe ich den Augustin am Südtiroler Platz, wo man mich anfangs nicht geduldet hat, aber ich bin hartnäckig und habe mir auch Unterstützung von einem Sozialarbeiter des Augustin geholt. – Nun passt es.

Ich bin erst seit knapp über einem Jahr beim Augustin. Vorher habe ich mit dem Fahrrad frühmorgens Tageszeitungen ausgeliefert, doch es genügte, nur für zwei Wochen krank gewesen zu sein, um den Job zu verlieren. Als ich zurückkehrte, hatte bereits ein anderer meine Stelle – das ist doch nicht normal!

In erster Linie trage ich beim Zeitungsverkaufen österreichische Tracht, manchmal bin ich auch in meiner Freizeit dazu aufgelegt. Warum ich überhaupt Tracht trage? Das hat wiederum mit meinem Vater zu tun, der meinte, man solle sich in einem fremden Land wie die einheimische Landbevölkerung kleiden. Er selbst hat sicher immer bewusst ländlich gekleidet, wenn er in die Stadt gefahren ist. Es ist für mich aber nicht einfach gewesen, österreichische Tracht zu finden. In Secondhand-Shops hatte ich keinen Erfolg. Schließlich verhalf mir ein Freund, der aus Tirol stammt, dazu. Er fragte mich, wie er mich unterstützen könne, ob ich Geld bräuchte. Ich verneinte und wünschte mir eben Kleidung wie sie in Österreich die Einheimischen tragen – und am nächsten Tag stand er mit einer Tracht für mich vor meiner Tür.

Im Gegenzug kochte ich für ihn und seine Freundin afrikanisch. Ich koche oft, wobei ich vom Angebot auf österreichischen Märkten enttäuscht bin – vor allem was Fisch betrifft. Da bin ich von Nigeria anderes gewöhnt. Ich ziehe auch etwas Gemüse selber, das ich beispielsweise für Nudelgerichte verwende. Meine Nudelgerichte haben aber nichts mit der italienischen oder der chinesischen Küche zu tun, es handelt sich um afrikanische Nudelgerichte. Ungefähr einmal die Woche koche ich auch Gerichte wie Schnitzel. Schnitzel ist in Österreich sehr beliebt, oder?

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