Im Journalismus Position beziehentun & lassen

Foto: © Carolina Frank

Augustiner Florian Müller

2005 habe ich das erste Mal ­einen Artikel für den Augus­tin geschrieben, über Wiens ersten Gratis-Bazar in der Siedlung Am Schöpfwerk (Heft Nr. 156, Anm.). Das journalistische Handwerk kannte ich, ich bin seit der Schulzeit journalistisch tätig. Aber Robert Sommer (Augustin-Mitgründer) hat mein journalistisches Selbstverständnis verändert. Durch die Zusammenarbeit mit ihm bin ich draufgekommen, dass Journalismus nicht immer zwingend objektiv sein muss – oft gibt er ja auch nur vor, objektiv zu sein, leider –, sondern Journalismus kann durchaus auch Position beziehen.
Eines der Themen, über die ich mehrmals berichtet habe, ist die Initiative Ehe ohne Grenzen, wo es um binationale Paare geht (z. B. Heft Nr. 195, Anm.). Ein Grund, warum ich dieses Restaurant als Treffpunkt vorgeschlagen habe, ist, dass deren Inhaber:innen Afzaal und ­Natalie Deewan sind. Afzaal war pakistanischer Flüchtling und wollte nicht Daumen drehen, bis der Asylantrag durch war und er eine Arbeitsgenehmigung erhält. Beide haben getüftelt – und eine Kommanditgesellschaft, eben dieses Restaurant, gegründet. Inzwischen ist der Wiener Deewan eine Institution geworden.
Im «Brotjob» bin ich Pressesprecher für die Niederösterreichische Museum Betriebs GmbH. Ich bin zuständig für die Pressearbeit für das Museum Niederösterreich in St. Pölten, dazu gehört das Haus der Geschichte und das Haus für Natur, das Egon Schiele Museum in Tulln und das Museum Gugging. Von dort ist auch mein Anstecker, ein Bild aus einer Serie von Sonnenbildern von Heinrich Reisenbauer.
Ein drittes Standbein ist, dass ich auf der Uni im Fach Vergleichende Literaturwissenschaft unterrichte. Dabei interessieren mich stark soziale Implikationen von Texten. Ich habe Vergleichende Literaturwissenschaft studiert in Kombination mit Spanisch, Portugiesisch, Französisch und habe mich mit Literatur und Zensur in meiner Diplomarbeit auseinandergesetzt. Lateinamerika und lateinamerikanische Autor:innen sind auch ein Schwerpunkt von mir. In Argentinien habe ich meinen Auslandszivildienst gemacht und habe noch lange danach Sozialprojekte drüben betreut.
Einer der Augustin-Verkäufer, bei dem ich regelmäßig die Zeitung kaufe, steht beim Hofer, wo wir jeden Samstag einkaufen. Und dann gibt es einen Verkäufer, der steht am Durchgang zwischen U1 und Hauptbahnhof. Er begrüßt mich immer mit «Hallo Chef!», und das freut mich sehr, weil er der einzige Mensch ist, der zu mir Chef sagt. Ein Arbeitstag kann nicht besser beginnen, als wenn dich jemand freundlich grüßt.

PROTOKOLL: JENNY LEGENSTEIN

FOTO: CAROLINA FRANK

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