Statt anarchistischer Kunst wird im Center Rog im slowenischen Ljubljana nun Design erzeugt. Erinnerungen von damals und ein Lokalaugenschein von heute.
Vier ehemalige Arbeiter der Fahrradfabrik Rog in Ljubljana nahmen 2006 an der Besetzung des Geländes und der zahlreichen Gebäude teil. Über tausend Arbeiter:innen hatten in der Trubarjeva cesta Nummer 72 von 1951 an 40 Jahre lang Fahrräder erzeugt. Danach geschah lange nichts. 2002 kaufte die Stadt das Gebäude, das aber auch dann nicht durchgehend genutzt wurde. Einen öffentlichen Raum für nicht-kommerzielle und unabhängige Initiativen schaffen sei das Ziel, um zum kulturellen Leben der Stadt beizutragen, schrieben die Besetzer:innen 2006 dann in einem Statement.
Ein Arbeiter wollte damals eine Fahrradreparatur-Werkstatt eröffnen. Stolz führte im Jahre 2008 der Straßenzeitungsverkäufer Toni die Stiegen hinauf und in die lange, schmale Halle hinein, die durch die Glasscheiben links und rechts wie eine Eisenbahn wirkte. Fenster bis zum Boden, es konnte einer:m leicht schwindlig werden bei der Aussicht über die Dächer Ljubljanas. Toni schrieb zwei Kolumnen für Kralji ulice (Könige der Straße), außerdem spielte er in der Theatergruppe Bühne des Lebens.
Leere
Nun, im Februar 2024 ist von all diesem geschäftigen Leben nichts mehr zu sehen. Denn der Bürgermeister von Ljubljana ließ das Rog 2021 mit Hilfe einer privaten Sicherheitsfirma gewalttätig von den Besetzer:innen freischaufeln. Der rechte Politiker hinterließ eine leer geräumte und gesäuberte Fläche. Wo alte Bäume und mehrere kleinere Gebäude standen, die fröhlich benutzt wurden, gibt es einfach nichts mehr zu sehen. Eine weite, wüste, grüngraue Rasenfläche dehnt sich aus. Es ist nicht zu glauben. Kein Bäumchen, kein Strauch, nichts. Die Leere dominiert im Sonnenschein. Das frühere Fabriksgebäude hat einen komplett gegensätzlichen Charakter erhalten. Edel und clean präsentieren sich die Räume. Junge schicke Leute sitzen auf der Terrasse zum Fluss Ljubljanica hin, das Café schaut teuer aus. Designer:innen haben jetzt hier das Sagen, die sich «creators» nennen – keine autonome, anarchistische Kunst mehr. Workshops werden für Geld abgehalten. Nicht wenige Räume stehen leer und sind abgesperrt.
Früher lebten hier Künstler:innen mit ganz anderen Einstellungen. «Eine Welt mit Hunderten von Realitäten» sei die Tovarna Rog, meinte eine nicht namentlich genannte Aktivistin im Interview mit dem antifaschistischen Blog addn.me, «eine wunderschön hässliche Hochburg der Anti-Gentrifizierung und des kritischen Denkens.» Doch es gab schon bald nach der Besetzung Widersprüche bezüglich Interessen einzelner Menschen und der allgemeinen Nutzung des eigentümlich langen und schmalen Raums. Am Zaun befestigte damals die junge Künstlerin Ajda, die der Straßenzeitungsverkäufer Toni mitbrachte, ein Schild: «Bitte die Bäume nicht abschneiden. Person 60 vom Haus 50». Sie protestierte gegen die fortschreitende «Privatisierung» des Rog-Raumes, denn einige Künstler:innen hatten begonnen, ihre Materialien und Bilder in mobilen Stacheldraht-Verhauen zu sichern. Das sah seltsam aus in dem riesigen offenen Raum. Wie kleine Käfige, in denen sich Künstler:innen selber einsperren. An der Wand hing Ajdas Kaffee-Keramiktasse auf einem Holzbrett mit einem Zettel dran: «Dies ist die Tasse von Person 60 vom Haus 50.» Oben erwähnte Aktivistin sagte im Blog-Interview: «Sie haben unseren Käfig zerstört. Die Wut wird sich in der ganzen Stadt entladen und neue Orte der Auseinandersetzung werden entstehen.»
Neue Autonomie
Persiflagen und Humor scheinen nicht die Sache des Bürgermeisters zu sein, der mit seiner eigenen rechten Partei antrat. Er ließ die Promenade an der Ljubljanica, die von den Einwohner:innen ständig genutzt wird, Richtung Süden verlängern, bis zu einer Art Wasserbrücke, die aussieht, als könnte sie denkmalgeschützt sein. Nun führt seine Frau ein Ecklokal, dessen Inhaberinnenschaft schon mehrmals in slowenischen Zeitungen problematisiert wurde, in und vor dem sich an diesem warmen Sonnentag im Februar die Massen drängen. Viele möchten die neu geschaffenen Plätze nutzen. Biegt man am neuen Café der Bürgermeister-Gattin ab und überquert den Fluss, so erreicht man die Cukrarna, eine alte Zuckerfabrik, die ebenfalls überrenoviert wurde. Im Erdgeschoss bietet sich das gleiche Bild: ein geschniegeltes und teuer aussehendes Kaffeehaus. An einem Tischchen sitzen ein paar Männer mit einem Pit Bull. Oben kann man eine Pop-Art-Ausstellung anschauen. Bunte kleine Kugeln von Vinko Tušek hängen vom Plafond herunter.
«Im Moment ist die Stimmung so: Ich habe dieses Fenster geputzt, und du darfst nicht durchschauen», lachte die junge Ajda damals. Sagen wir so, die neidigen Fensterputzer:innen haben einen wichtigen Erfolg erzielt und viele Träume zerstört. Der öffentliche Raum wird weiter privatisiert und auf Kapitalertrag zugeschnitten. Es gibt aber einen neuen autonomen Raum, der sich Participativna Ljubljanska Avtonomna Cona, kurz PLAC, nennt, in einer alten Kantine beheimatet ist und schon einige Veranstaltungen auf die Beine gestellt hat. Laut Eigendefinition: «Im Moment besetzt.»
Ehemals besetztes Rog: www.atrog.org
Aktuelles Rog: www.center-rog.si
Cukrarna: https://cukrarna.art
PLAC: www.facebook.com/avtonomniPLAC