Im WiderspruchArtistin

Essays

Mit dem äußerst problematischen Begriff des Parasiten hantiert der Schriftsteller, Übersetzer und Germanist Leopold Federmair in seiner neuen Aufsatzsammlung. Angelehnt an einen alten Meister dieser Disziplin, Michel de Montaigne, wählt er dafür die französische Schreibweise Essais. Mit einer etwas seltsam anmutenden Kombination von Kulturpessimismus und -optimismus stattet er den Haupttext dieser Sammlung aus. Hier beklagt er das Überflüssigwerden realer Existenzen durch virtuelle Welten und sieht zugleich ein kreatives Potenzial parasitärer Lebensformen. In einem anderen beschäftigt Federmair sich mit afghanischen Geflüchteten, die in Oberösterreich Familienanschluss gefunden haben. Es geht also um Zuschreibungen der Fremdheit von innen und von außen. Im politisch brisantesten Text befasst er sich mit dem «Terror der Ökonomie» in den menschenfeind­lichen Zeiten des Neoliberalismus, um daraus die (rhetorische) Frage zu destillieren, ob Utopien tatsächlich obsolet seien. Gleichzeitig konsumiert er unhinterfragt Amazon und Konsorten. So nomadisiert ein Autor durch entlegene Gegenden des Lebens, dem das nomadische Leben selber nicht fremd ist. Aufgewachsen in Sattledt/Oö, verbrachte er Jahre seines Lebens in Paris, Rom und Madrid, bevor er sich in Hiroshima (Japan) familiär niedergelassen hat. In den besseren Passagen erinnert Federmairs Stil an die literarische Beobachtungsgabe eines Karl-Markus Gauß, in den schlech­teren an die Schlichtheit eines Schul­aufsatzes. Literatur im Widerspruch.

Leopold Federmair: Parasiten des 21. Jahrhunderts. Essais aus beiden Welten
Otto Müller Verlag 2021
364 Seiten, 26 Euro