In den Niederungen des Spielerberaterwesensvorstadt

Fußball im Roman: «Schweine befreien»

Bei dem FC Teutonia geschehen merkwürdige Dinge. Spieler werden eingekauft, die nicht gerade als Verstärkung betrachtet werden können. Und der Sportdirektor wird eines Nachts auf dem Boden eines Schweinewaggons gefunden. Jens Kirschneck, Redakteur des deutschen Fußballmagazins «11Freunde», legt seinen ersten Roman vor.

Wenzel Müller (Text und Fotos) hat ihn gelesen.Zuletzt legte der Fußballbetrieb traditionell seine Winterpause ein. Zeit, mal wieder ein Buch zur Hand zu nehmen. Beispielsweise «Schweine befreien». Der Titel mag, je nachdem, bei dem einen für Befremden, bei dem anderen für Neugier sorgen, und diese Empfindungen werden garantiert durch den Umstand potenziert, dass dieser Roman im «Verbrecher Verlag» erschienen ist – ja, diesen Namen hat sich ein deutscher Kleinverlag in der Tat gegeben.

Um es vorwegzunehmen: In dem Roman geht es nicht um Tierschutz, jedenfalls nicht direkt. Vielmehr um Fußball, namentlich um die oft finsteren, um nicht zu sagen: schweinischen Machenschaften im Hintergrund.

Grabowski, die Hauptfigur, wacht zu Mittag mit schwerem Schädel auf. Aus Erfahrung weiß er, was in so einem Fall am besten hilft: ein Konterbier. Also schleppt er sich zum Kühlschrank und nimmt sich eine Dose Bier heraus.

Er erinnert sich, dass er vergangene Nacht seine Zunge in etlichen falschen Mündern gehabt hat, was er nun, wenn es nur ginge, am liebsten ungeschehen machen würde. Denn dieser, nennen wir es Fehltritt, wird, da ist er sich ganz sicher, schnell die Runde in seiner Kleinstadt machen. Und kaum, das weiß er ebenso, wird ihm zugutegehalten werden, dass er, Grabowski, sich in einer Art Ausnahmesituation befand: Erstens hatte sich gerade Pamela von ihm getrennt, zweitens hatte er, was mit Grund eins unmittelbar zusammenhängt, eindeutig zu viel gebechert.

Grabowski hat eine weitere Szene deutlich vor Augen: Er auf dem heimischen Schlachthof, schließlich wollte er mit einer Schweinebefreiung die Nacht noch mit einer guten Tat ausklingen lassen, und da entdeckt er auf dem Boden eines Schweinewaggons Wusch liegen. Wusch, den Sportdirektor des heimischen Fußballvereins, des FC Teutonia.

Trugbild oder wahres Erlebnis? Unser Held weiß, dass eine durchzechte Nacht das Erinnerungsvermögen in Mitleidenschaft ziehen kann, doch sollte sie auch imstande sein, Fiktionen zu kreieren? Grabowski steht vor einem Rätsel. Man kann auch sagen: ist sich selbst ein Rätsel.

Sorgen Sie dafür, dass Ihre Hauptfigur gleich zu Anfang unter einer Frage leidet. Bleiben Sie die Antwort so lange wie möglich schuldig. So lautet eine zentrale Regel, die angehenden Autor_innen in Schreibseminaren vermittelt wird. Jens Kirschneck, Redakteur des deutschen Fußballmagazins «11Freunde», befolgt sie in diesem seinem ersten Roman geradezu vorbildlich.

Wir folgen seiner Hauptfigur bei dem Versuch, Licht in das, in sein Dunkel zu bringen, der Wahrheit auf den Grund zu kommen. Grabowski ist DJ und schreibt für ein Lokalblatt, vor allem über den ortsansässigen Fußballverein.

Wie ist Wuschs aktueller Stand im Verein? Warum fällt Stürmerstar Belić aus? Neue Spieler werden eingekauft – warum gerade immer in Ex-Jugoslawien, und warum stets solche, die nicht gerade als Verstärkung betrachtet werden können? Welche Rolle spielen die Spielerberater, welche Macht haben sie? Gerade auf letztere Frage sucht Grabowski eine Antwort zu finden.

Legen Sie, so lautet eine weitere Schreibregel, Ihre Figuren nicht eindimensional an. Auch diese Regel beherzigt Kirschneck. Wir erfahren von Grabowskis Liebesleid, ebenso von seinen ungeliebten Ausflügen zu seiner alleinstehenden Mutter. Und dass unser Held dem Alkohol nicht abgeneigt ist. So entsteht eine Figur aus Fleisch und Blut. Eine Figur, die etwas ungeschickt wirkt und oft genug mit sich selbst hadert, weswegen wir das Buch über weite Strecken mit einem (verständnisvollen) Schmunzeln lesen.

«Alle in diesem Buch geschilderten Handlungen und Personen sind erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären zufällig und nicht beabsichtigt.» So steht es im Vorwort. Ein verlässlicher Hinweis, dass die geschilderten Ereignisse mehr mit der Realität zu tun haben, als uns lieb sein kann.

Das Ende, die Auflösung soll hier nicht verraten werden. Nur so viel: Eine eherne Lektion für Autor_innen lautet: Am Ende müssen Sie Ihre_n Leser_in mit einem guten Gefühl aus dem Buch entlassen.

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