In der Hitze des Stammtischestun & lassen

Lokalaugenschein zum Konflikt um eine geplante "Moschee" in der Brigittenau

Bei Shakespeares Hamlet geht es um Sein oder Nichtsein. Eine Spur weniger dramatisch, aber ebenfalls konfliktreich ist die Frage um Sein oder Nichtsein eines Gebäudes in Wien. Der türkisch-islamische Verein Atib will in der Dammstraße 37 im 20. Bezirk ein Büro- und Wohngebäude mit einem Veranstaltungssaal bauen zusätzlich zum bereits bestehenden Gebetsraum. Die Bürgerinitiative Moschee ade läuft seit Mitte 2007 dagegen Sturm. Doch Atib hat bereits die Baugenehmigung. Der Augustin machte einen Lokalaugenschein an mehreren Stationen des Konflikts.Dammstraße 37, Freitag, 9. April, kurz nach 13 Uhr. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern. Es ist ruhig. Hin und wieder parkt ein Auto ein. Die gegenüberliegende Anker-Bäckerei hat Tische und Sessel auf den Gehsteig gestellt. Ich trinke dort Kaffee, genieße die Sonne. Und plaudere mit Renate Schindl, einer Bewohnerin des Hauses gegenüber der Nummer 37. Sie hat eine Eigentumswohnung hier. Und ist eine der Aktivistinnen der Bürgerinitiative Moschee ade.

Eigentlich sollte es nun laut sein: quietschende Bremsen, in zweiter Spur parkende Autos. Das wurde mir angekündigt, deshalb bin ich hier. In der Dammstraße 37 befindet sich ein islamischer Gebetsraum. Freitagmittag ist die Zeit für das wichtigste Gebet der Muslime. Um 14 Uhr herum kommen einige Männer aus dem großen Tor der Hofeinfahrt, einzeln oder in kleinen Gruppen. Einige fahren mit einem Auto weg, andere gehen zu Fuß. Heute ist es eben ruhig, sagt Frau Schindl. Es gibt andere Tage, an denen es arg ist.

Stammtisch im Gasthaus Lehner, Donnerstag, 4. März, 19 Uhr. An die 20 Leute sitzen im Hinterzimmer des Gasthauses in der Hartlgasse. Jeden Monat findet hier der Stammtisch der Bürgerinitiative statt. Auch mehrere Gäste sind da. Drei Studentinnen drehen einen Videofilm. Rudolf Gehring wirbt um Unterstützung für seine Bundespräsidentschaftskandidatur. Zwei junge Burschen vom BZÖ versuchen, sich einzuschmeicheln. Das große Wort führt die Sprecherin Hannelore Schuster. Für Juni wird eine Informationsveranstaltung über den Islam geplant. Der Termin steht fest, die Referenten auch: Thomas Tartsch ist Islamexperte in Deutschland, Walter Marinovic ist Islamkritiker in Österreich und Rudolf Gehring ist nicht nur Präsidentschaftskandidat, sondern Bauexperte. Ein Veranstaltungslokal wird noch gesucht. Nach diesen Infos erhitzt sich das Stammtischvolk über die Volksbefragung in Eberau. Ein älterer Herr in Anzug und Krawatte fordert: Eberau in die Brigittenau. Man solle eine Volksbefragung in die Wege leiten, um den Ausbau der Dammstraße 37 zu stoppen. Dann erzählt er von einer Zeitschrift, die ihm in die Hände gefallen ist, so eine Migrantenzeitschrift, Biber heißt sie. Da gebe es Schockierendes zu lesen. Wenn man die Gesichter einzeln anschaut, sind ja ganz nette darunter, sagt er. Wenn man das aber liest! Mona ist eine stolze Kopftuchträgerin. Und eine andere Frau nennt sich lieber Tschuschin als Österreicherin! Er echauffiert sich. Und klingt dabei verdächtig nach Nazi oder Ähnlichem.

Später stößt der FPÖ-Bezirksparteiobmann im 20. Bezirk Gerhard Haslinger zum Stammtisch. Ihr organisiert die Veranstaltung, die Partei zahlt den Ort, sagt er. Die Vortragenden sollen die Medien reizen. Die Medien sind das beste Transportmittel. Je größer die von Medien entfachte Empörung, desto mehr Leute würden kommen. Der Mann weiß nicht, dass eine Journalistin mit am Stammtisch sitzt.

Am Ende bedankt sich Schuster bei einigen Personen für ihr Kommen. Der Biber-Feind heißt Walter Marinovic. Er ist also einer der drei Redner bei der Islam-Veranstaltung. Eine Recherche über Marinovic ergibt Brisantes: Der frühere Latein- und Geschichtelehrer an Gymnasien hat in vielen Zeitschriften von rechtsextremem Rang und Namen publiziert: Aula, Eckartbote, Deutsche Stimme et cetera. Vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes wird er als rechtsextrem eingestuft.

Stammtisch, 8. April. Wieder sind rund 20 Personen da. Hannelore Schuster sagt, sie sei nun doch davon abgekommen, die FPÖ den Veranstaltungssaal finanzieren zu lassen. PR-Experten hätten ihr davon abgeraten. Sie schlägt das Gasthaus Brigittenauer Stadl vor.

Nach dem offiziellen Teil rede ich mit einigen Aktivistinnen. Uns geht es um den Lärm. Die Verkehrsbelastung, sagt eine Frau. Sie sei nicht islamfeindlich. Sie stehe nicht rechts. Sie habe es satt, dass die Medien die Bürgerinitiative als ausländerfeindlich bezeichnen. Sie fragt, was meine Meinung dazu sei. Ich sage, dass der als Redner geplante, weit rechts stehende Walter Marinovic genau diesen Eindruck der Islam- und Ausländerfeindlichkeit zementieren werde.

Ein paar Wochen später wird Marinovic als Redner ausgeladen. Der zweite Redner, Thomas Tartsch, habe sie auf Marinovics problematische Verbindungen aufmerksam gemacht, sagt Schuster. Davon habe sie vorher nichts gewusst.

Auf dem Balkon von Hannelore Schuster. Die Sprecherin der Bürgerinitiative wohnt seit 21 Jahren in einem Gemeindebau in der Hartlgasse. Von ihrem Balkon aus überblickt sie das Grundstück der Dammstraße 37. Und hat, seit Atib dort eingezogen ist, auch viel gehört: Jedes Fußballspiel ich habe immer gewusst, wer gewonnen und wer verloren hat. Damit hat sie bei ihrem Enkel gepunktet er ist ein Fan der türkischen Vereine Fenerbahçe und Galatasaray. Früher wurden Fußballspiele im Hof des Geländes mit dem Lautsprecher übertragen, oder es wurde türkische Musik gespielt. Das hat die AnrainerInnen aber nicht entzückt. Als Reaktion darauf spielte jemand einmal Tiroler Musik aus seinem Fenster. In voller Lautstärke. Das war ein Wahnsinn. Wenn es zu laut wurde, ging sie hinunter und redete mit den Leuten. Ich habe in arabischen Ländern gelebt. Ich habe kein Problem damit, da hineinzugehen. Schuster ist Mietersprecherin in ihrem Gemeindebau. Rund um das relativ schmale Atib-Gelände sind große Wohnblöcke: Gemeindebauten, Genossenschaftswohnungen, Eigentumswohnungen. Dass daraus Nachbarschaftskonflikte über Lärm entstehen können, kann man sehen. Die Lautsprecher sind inzwischen abgebaut.

Nun will Atib straßenseitig ein Gebäude errichten, das einen Veranstaltungssaal enthält, dazu Friseur, Kindergarten, Arztpraxis, Büros und Wohnungen. Dagegen protestieren AnrainerInnen mit ihrer Bürgerinitiative Moschee ade. Atib solle sich ein anderes Grundstück suchen, fordern sie. Doch Atib hat die Baugenehmigung, will bauen und bei der Gelegenheit den ganzen Hof überdachen, damit kein Lärm mehr nach draußen dringt. Das wäre doch ein Riesenfortschritt gegenüber dem jetzigen Zustand, glaube ich als Besucherin. Frau Schuster sieht das anders. Der Verkehrslärm werde durch die Anzahl der BesucherInnen steigen, aufs Doppelte oder Dreifache. Die von Atib geplanten Zugeständnisse sind für sie keine. Der Konflikt bleibt ungelöst.

Hinweis: Die Bürgerinitiative macht ihre Veranstaltung unter dem Titel Moscheen als Keimzellen der Parallelgesellschaft? Moscheenstandorte urbane Fehlplanung? am 10. Juni um 18.30 im Brigittenauer Stadl, Griegstraße 1-3. Redner sind der Publizist Thomas Tartsch, Rudolf Gehring als Baurechtsexperte und FPÖ-Bezirksobmann Gerhard Haslinger.

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