In der Luft hängenArtistin

Bericht über eine hartnäckige Unterstützungsverweigerung

Die türkische Regisseurin Emel Heinreich bringt seit Jahren Themen wie Zwangsheirat, Migration, Heimat und Identität auf die Bühne. Mit erfolgreichen Tourneen durch ganz Österreich nur in Wien wird ihre Arbeit von der öffentlichen Hand nicht geschätzt.

Aus Mut mach Wut: Auf ihrer Österreichtournee mit dem Stück da.Heim.AT.los reisten Emel Heinreich und ihre Truppe vergangenes Jahr auch nach Vorarlberg. Dort standen gerade Landtagswahlen an, und ein gewisser Dieter Egger, seines Zeichens Chef der Ländle-FPÖ, holte zum antisemitischen Tiefschlag gegen Hanno Loewy aus, den Exil-Juden aus Amerika. Der Direktor des Jüdischen Museums Hohenems hatte es gewagt, die Heimat-Plakate der FPÖ zu kritisieren.

Auch der türkischen Regisseurin aus Wien stießen die braun-blauen Töne, die Mut zur Heimat forderten, ungut auf. Doch schnell war Abhilfe geschaffen und das M auf den Kopf gestellt. Das war wiederum der FP-Riege nicht recht. Eine Strafanzeige war die Folge und eine Geldstrafe von 700 Euro. Dafür hatte das Stück nun einen neuen Namen: Wut.zur.Heim.AT.

Die in Kayseri in der Türkei geborene und in Istanbul aufgewachsene Emel begann schon in der Volksschule mit dem Theaterspielen und gewann im Gymnasium mit ihrer Darstellung des Kleinen Prinzen bei einem Wettbewerb den 1. Preis. Mitte der 1980er Jahre verschlug sie das Schicksal nach Tirol und einige Jahre später nach Wien, wo nun die Bühnenbretter endgültig zu ihrem Boden wurden. Ausbildung mit Alexej Levinsky und Ariane Mnouchkine, Arbeit mit dem Serapionstheater und einem Tanztheater in Indonesien. 2006 begann die Schauspielerin und Regisseurin mit der Entwicklung des Hochzeit-Projektes, in dem der in patriarchalen Kulturen ausgeübte Zwang auf Frauen thematisiert wird. Die türkische Künstlerin mit dem österreichischen Namen den sie durch eine Adoption und nicht durch eine Heirat angenommen hat will mit den Mitteln des Theaters die kulturellen Zwänge aufbrechen, durch Religionen und Traditionen zementierte Verhaltensweisen in Frage stellen. Zwänge, die im Thema Zwangsheirat versinnbildlicht werden. Gespielt wurde mit türkischen Mädchen und Frauen, die jüngste davon, die Braut, erst zwölf Jahre alt. Zu einer Abendveranstaltung am Brunnenmarkt in Wien-Ottakring kommen an die 300 Besucher und Besucherinnen, viele von ihnen türkischer Herkunft.

Wir haben uns allerdings nicht getraut, anschließend eine Diskussionsrunde zu machen, erinnert sich Emel an die denkwürdige Aufführung. Zu polarisierend ist die Thematik. Es passierte nicht nur einmal, dass teilnehmende Laienschauspielerinnen plötzlich den Proben fern blieben, wenn der Mann vom Inhalt des Stückes erfuhr.

Warum die ständige «Nicht-Empfehlung» erstaunlich ist

Über das Thema der Zwangsheirat gerät die Regisseurin auch zur Integrationsproblematik. Was können zwangsverheiratete türkische Frauen tun, wenn sie sich in Österreich von ihren Männern trennen wollen oder wenn sie diese Form der Partnerfindung von vornherein ablehnen? Ich habe gesehen, dass wir diese Problematik neu definieren müssen. Zu viele Begriffe, die wir verwenden, sind zu leeren Hülsen verkommen. Was haben wir bisher geschafft an Integration?

Wien sagt Ja zur Zuwanderung, heißt es im Integrationskonzept der Bundeshauptstadt, die sich als eine weltoffene, durch Internationalität und Diversität geprägte Stadt versteht. Mit dem Ankommen in einer neuen Heimat und was sich dann entwickelt, beschäftigt sich die 2009 initiierte Trilogie Da.Heim.AT.los. Sie bezweckt eine Auseinandersetzung mit überkommenen Traditionen und temporären Heimatkonstruktionen im Spannungsfeld sozialer Phänomene: Migration, Fremdheit, Identität. Ausgehend von migrantischen Erfahrungen, handeln die Stücke von den Ängsten und Bedürfnissen der modernen Gesellschaften, die heute mehr denn je von Verunsicherung und Abgrenzung geprägt sind.

Die Regisseurin legt großen Wert darauf, dass diese Stücke über den Umgang mit dem Fremden, über Integration und Migration österreichweit aufgeführt werden. Was beträchtliche logistische und finanzielle Belastungen mit sich bringt und nur mit einem gehörigen Maß an Selbstausbeutung durchführbar war und ist. Die umso notwendiger ist, als die für freie Theatergruppen in Wien zuständige MA 7, die Magistratsabteilung für Kunst und Kultur, sich durch eine permanente Ablehnung der Förderansuchen auszeichnet Andere Abteilungen der Stadt Wien, wie die für Frauen und für Integration, beteiligten sich bisher mit Zuschüssen an den Produktionskosten.

Die ständige Nicht-Empfehlung, wie die Ablehnung leicht euphemistisch formuliert wird, erstaunt um so mehr, als Heinreichs Stücke genau in die Bemühungen der Stadt Wien um Integration und kulturelle Diversität passen würden. Der heurige dritte Teil der Trilogie unter dem Titel Flugpunkt stellt eine Art Synthese der beiden vorangegangenen Produktionen dar. Das zentrale Thema ist der Topos des Ankommens, verflüssigt in der Metapher des Vogelflugs. Anhand von neun Personen migrantischer und lokaler Herkunft die Eingeborenen werden neun Fluglinien szenisch in den Raum gestellt.

Eine neue Komponente im künstlerischen Gestaltungsprozess stellt heuer die Einbeziehung eines Schriftstellers dar, dem Wiener Autor Philipp Weiß, der dem Stück eine definitive poetische Form verleiht. Neu ist auch das Instrument der Werkstätten, in denen sich die TeilnehmerInnen den Grundthemen des Projekts auf unterschiedliche Weise nähern. In Graz arbeitet eine Gruppe von Jugendlichen mit besonderen Kriegs- und Gewaltserfahrungen mit, etwa aus Pakistan, Afghanistan, Iran. In Linz werden die Erfahrungen der ersten, in den 1960er Jahren angekommenen türkischen Gastarbeiter aufgearbeitet.

«Wir frustrieren uns bloß gegenseitig»

Warum die hartnäckige Verweigerung einer Unterstützung durch das Kuratorenteam der MA 7? Emel Heinreich kann sich dieses Phänomen nicht erklären. Das ist sehr frustrierend, dass unsere Leistung überhaupt nicht anerkannt wird. Ich habe das Gefühl, in der Luft zu hängen. In den vergangenen zwei Jahren haben wir nach der Nichtempfehlung durch die MA 7 das Gespräch mit der Abteilung gesucht, doch war das völlig unbefriedigend und nichtssagend. Das Kuratorenteam hat schon am Anfang signalisiert, dass es nur wenig Zeit für das Gespräch hat. Wir wollten ihre Kriterien verstehen, wollten wissen, was ihnen warum nicht gefällt an unserer Arbeit, was sie uns empfehlen würden. Aber da kam überhaupt nichts von ihnen.

Heuer wollten wir gar nicht mehr reden mit den Kuratoren, nachdem wir nach fast vier Monaten wieder eine Absage erhielten. Es hat einfach keinen Sinn, wir frustrieren uns bloß gegenseitig.

Vielleicht ist für das Kuratorenteam die künstlerische Präsentation der türkischen Regisseurin keine echte Kunst, sondern nur Sozialpädagogik?

Eine schriftliche Begründung für eine Ablehnung gibt es nicht. Die Begründung für eine Empfehlung oder Nichtempfehlung erfolgt persönlich, wenn die Antragsteller dies wünschen, erklärt Robert Dressler, Leiter des Theaterreferats der MA 7. Eine schriftliche Begründung liege der Abteilung nicht vor, dies werde aus Datenschutzgründen und gerade bei negativen Entscheidungen so praktiziert.

Zum Glück sieht das restliche Österreich die Theaterarbeit von Emel Heinreich mit anderen Augen. Wir haben schon in fast allen Bundesländern Aufführungen fixiert, nur in Wien noch nicht, und das liegt an der fehlenden Förderung durch die MA 7 Wenn die Abteilungen Integration und Frauen uns auch absagen, dann stürzen wir ab, dann war unsere ganze Vorbereitungsarbeit umsonst. Doch Emel Heinreich ist getragen von einem zweckgebundenen Optimismus. Die Wiener Premiere witd im November erfolgen. Dann stehen Veranstaltungen bis Ende Jänner am Programm falls die Zuversicht der mutigen Regisseurin sich bewahrheitet